Die Kritiker

Blackout zum Odenthal-Jubiläum?

von

60 Fälle in 25 Jahren, eine beeindruckende Statistik für die dienstälteste Ermittlerin im «Tatort». Ihr neuester Fall „Blackout“ in der Quotenmeter-Kritik.

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Ulrike Folkerts («Tatort), Andreas Hoppe («Tatort»), Lisa Bitter («Laible und Frisch»), Annalena Schmidt («Tatort»), Sinja Dieks («Wechselspiel»), Luisa Wietzorek («Dahoam is Dahoam»), Matthias Ziesing («Der Dicke»)


Hinter der Kamera:
Regie:Patrick Winczewski, Drehbuch: Eva und Volker Zahn, Kamera; Andreas Schäfauer, Musik: Rainer Oleak

Im neuesten Fall von Ermittlerin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) geht es um die Aufklärung eines Mordfalls in Kombination mit einer Vergewaltigung, an einem Mann. Der neueste Fall trägt den Titel „Blackout“ und stellt das 25-jährige Jubiläum der Kriminalhauptkommissarin aus Ludwigshafen da.

Die Ermittlungen stellen die Ermittlerin und ihre neue Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter), die die Vertretung für den in den Urlaub gereisten Mario Kopper übernimmt, schnell vor einen neuen Berg Fragen. Denn nicht nur der Kreis der Verdächtigen vergrößert sich, sondern immer mehr Mysterien aus dem Leben der Ermordeten tauchen auf.

So wird bekannt, dass er mehrere Affären hatte, der Verdacht der Homosexualität beginnt zu keimen und es gab Probleme auf der Arbeit. Gleichzeitig war sein Bruder in seine Ehefrau verliebt. In der Tatnacht selbst war er mit einer jungen Frau zusammen, die mit KO-Tropfen vergiftet wurde und geistig abwesend durch die Stadt irrte. Es stellen sich also allerlei Motive für eine Tat ein.

Die vielen Dienstjahre und der vergangene Fall setzten Odenthal besonders zu, sie wirkt übermüdet und energielos. Gelegentlich stellen sich Panikattacken bei ihr ein und sie steht unmittelbar vor der Bewusstlosigkeit. Zu allem Überfluss erhält sie Verstärkung von der jungen Kollegin Johanna Stern. Diese wirkt auf Odenthal wie ihr absolutes Gegenteil. Eine junge, dynamische Frau, die glücklich verheiratet und Mutter von Zwillingen ist. Doch anstatt eine gestandene Ermittlerin zu sein, fokussiert sie sich auf theoretische Aspekte.

Lisa Bitter spielt die Rolle der Johanna Stern fantastisch und schafft es mit ihrer Interpretation der Rolle, dem «Tatort» eine Brise «Sherlock» zu vermitteln. Stern ist dabei das Paradebeispiel der Generation Smartphone. Für alles hat sie ein technisches Gerät oder nutzt bei ihren Ermittlungen die neuesten Trends. Ein Verhör wird auf Video aufgenommen, um im Nachhinein Mimik oder Reflexe der Hände zu analysieren. Stern wirkt dabei wie eine neue Generation Ermittler, offenbart dennoch menschliche Schwächen, sie weiß wie problematisch es für sie ist Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen oder wie ihr Chef sie rausekeln will.

Inzwischen ist Ulrike Folkerts untrennbar mit der Figur Lena Odenthal verbunden, gerade deshalb verkörpert sie die Rolle mit einer kaum vergleichbaren Authentizität. Die Powerfrau macht sich selbst immer mehr für die vergangenen Fälle verantwortlich und droht von ihrem Beruf gefressen zu werden. Sie ist nicht in der Lage sich ihre eigene Schwäche und ihre Fehlbarkeit einzugestehen, sondern verschließt sich nach außen.

Dennoch sorgt sie mit kleinen Momenten und perfekt dosiertem Einsatz immer wieder ihre Hülle aufgehen zu lassen und sich dem Zuschauer zu offenbaren. Diese Momente sind allerdings eine Seltenheit, zum Glück, denn sonst wäre die Rolle der Lena Odenthal nicht so unverwechselbar. Odenthal ist ein klares Alphatier, das nichts von seinem Revier hergeben will. Daher ist sie auch von der neuen Kollegin irritiert und wittert in ihr eine Gefahr. Das klassische Platzhirschverhalten sowie eine passive Aggressivität setzen daraufhin ein.

Im Laufe der Episoden kommen die beiden Figuren sich näher, aber nicht in einem künstlichen Maß, so dass von einem auf den anderen Tag beste Freundinnen wären. Doch während sich die Schlinge um Odenthals Hals immer enger zuzieht, muss sie sich eingestehen was sie wirklich vom Leben will und wovor sie Angst hat. Denn auch Heldenfiguren tragen vermeintlich simple Urwünsche in sich. Odenthal hat Angst davor, alleine zu sterben. Dies gesteht sie sich ironischerweise vor einem Barkeeper ein.

Konträr zum Öffnen der Figuren, schließen sich die Hinweise im Fall zu einem Gesamtbild zusammen, wodurch sich der eigentliche blasse Zeuge zu einem sadistischen und berechnenden Täter entwickelt. Leider ist diese Zeitspanne viel kurz, denn das wahre Genie des Bösen kommt kaum zum Tragen. Matthias Ziesing spielt die Rolle des Max Lohse in beiden Fällen sehr gut, die Anspielung auf Stieg Larsons «Verblendung» hat allerdings nur eine Dauer von gefühlt weniger als zehn Minuten. Dies wird der Rolle leider nicht gerecht.

Dabei scheint die Jubiläumsfolge von Lena Odenthal mehr Thriller denn Krimi zu sein. Dies zieht sich den kompletten Film hindurch, viele gute Ideen, zum Teil großartige, nehmen Einfluss, dennoch kommt oft das Gefühl auf, dass der Gedanke nicht zu Ende geführt wurde. Allerdings liefert der «Tatort» dennoch einiges an Spannung und bringt das Potenzial mit, mehr zu sein als nur ein Krimi. Aufgrund der tiefgehenden und sehr gut gespielten Charaktere wirkt der Film auch auf Kritiker des Genres einladend.

Regisseur Patrick Winczewski schafft es hierbei die zahlreichen Ideen in 90 Minuten unterzubringen und eine spannende Geschichte zu erzählen. Gerade die Kamerafahrten und die Winkel und Positionen, aus denen gedreht wurde, tragen einen enormen Anteil an der Atmosphäre. Auch der Einsatz der Hintergrundmusik muss gelobt werden, denn selten wirken Bild, Handlung und Musik so gut abgestimmt wie im neuesten «Tatort». Die Melodien im Hintergrund sind dabei mehr als nur ein Mittel um Spannung aufzubauen, sie glänzen insbesondere in den Situationen, in denen die Protagonisten schwach und verletzlich wirken, ohne dabei zu dominieren. Gerade ein Ensemble an sehr guten Schauspielern, die interessante Charaktere spielen, in Verbindung mit wahnsinnig spannenden Ideen und dem 25-jährigen Jubiläum einer der beliebtesten Ermittlerinnen bietet das Potenzial, ein absolutes Highlight zu werden. Leider schafft der «Tatort» Blackout es zu selten über seine guten Ansätze hinauszukommen, um wirklich überzeugend zu wirken.

Der «Tatort» ist am Sonntag, den 26. Oktober 2014 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen

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