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Herr Wulff und die Quote

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Konnten die großen TV-Talkshows durch die zahlreichen Affären des Ex-Bundespräsidenten ihre Quote steigern?

Wurde Christian Wulff als Bundespräsident gestürzt? In der Diskussion um sein Amt und seine dubiosen Geschäfte rückten auch die Medien – die vierte Gewalt – in den Blickpunkt: War es eine kollektive Kampagne der Print-Blätter, Online-Zeitungen und Fernsehsendungen, die ein schlechtes Licht auf Wulff geworfen und die öffentliche Meinung gebildet haben? Oder sind die Medien nur ihrer demokratischen Pflicht nachgekommen, die Machenschaften des Präsidenten schonungslos aufzudecken?

Die Affäre Wulff pendelte lange Zeit auf dem schmalen Grat zwischen rechtschaffener Amtsausführung und vermeintlicher Vorteilsannahme – bis die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Wulff aufnehmen wollte, die Wulffs Sturz letztlich besiegelte, und nicht die Medien. Dennoch spielten diese eine relevante Rolle im Prozess der Meinungsbildung. Dazu gehören besonders die Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen, die seit Dezember im Wochentakt Diskussionen über Wulff anstießen. Themenüberschriften wie „Wulff und die Amigos - wenn Politik auf Wirtschaft trifft…!“ («Günther Jauch») waren an der Tagesordnung. Diese Gesprächsrunden sind ein wichtiges Medium, denn qua Logik müssen Talkshows darauf achten, dass intensiv diskutiert wird. Und dies ist dann interessant, wenn unterschiedliche, gegensätzliche Positionen aufeinander treffen. Der Austausch dieser Argumente hilft dem Zuschauer, seine eigene Meinung zum Thema zu festigen.

Fakt ist, dass sich die Meinung über Wulff schnell geändert hat: Nach seinem TV-Interview Anfang Januar forderten nur 41 Prozent der Bundesbürger den Rücktritt des Präsidenten. Kurz vor seinem Abgang waren es 54 Prozent (Quelle: ARD Deutschlandtrend). Inwiefern die Medien in dieser Frage Meinungsmacher waren, bleibt spekulativ – aber erkennbar ist auch, dass die Menschen sich in Talkshows über das Thema Wulff informierten. «Günther Jauch», derzeit die erfolgreichste Talkshow im deutschen Fernsehen, hatte vor der Winterpause nicht mehr als 4,5 Millionen Zuschauer. Seit Januar hat Jauch bereits viermal am Sonntag über Wulff gequatscht – und erreichte damit hervorragende Einschaltquoten: Diejenigen Sendungen über die Präsidenten-Geschäfte sahen im Schnitt 5,38 Millionen Menschen, die drei Shows mit anderen Themen nur 4,17 Millionen. Das Thema Wulff lockte also im Schnitt über eine Million Zuschauer mehr zu «Günther Jauch».

Nicht von Wulff profitieren konnte dagegen Frank Plasberg mit seinem Montags-Talk «Hart aber fair»: Zwei Sendungen über das Thema machte er seit Januar, holte dabei durchschnittlich 3,78 Millionen Interessierte vor die Fernseher. 4,38 Millionen sahen dagegen Diskussionen abseits der Präsidenten-Debatte. Auch bei Sandra Maischberger hat sich eine Wulff-Sendung nicht signifikant auf die Quote ausgewirkt. Die anderen ARD-Talker Anne Will und Reinhold Beckmann haben das Thema gar nur beiläufig eingebunden und setzten bewusst auf Kontrast-Talks abseits von Wulff. In der ARD hat also Günther Jauch seinen Kollegen die Show wortwörtlich gestohlen: Weil er viermal über Wulff sprechen durfte – und damit hervorragende Quoten einfuhr – mussten andere Shows meist auf Themen setzen, die noch nicht totgetalkt worden waren. Dieser Fakt zeigt auch: «Günther Jauch» etabliert sich langsam als wichtigster Polit-Talk der Republik, der die relevanten Fragen debattiert.

Im ZDF hat als einzige spätabendliche Polit-Talkerin Maybrit Illner das alleinige Sagen. Logisch daher, dass sie mit dem Thema wie Jauch punkten konnte: Zwei Wulff-Sendungen seit der Winterpause sahen 3,02 Millionen Fernsehzuschauer; die anderen drei Shows verfolgten mit 2,78 Millionen einige weniger. Eine Spezialausgabe zu seinem Rücktritt sahen am Sonntagvorabend sogar 4,28 Millionen Menschen – eine solche Reichweite hatte Maybrit Illner in den vergangenen Jahren nie auf ihrem regulären Donnerstags-Sendeplatz um 22.15 Uhr.

Herr Wulff und die Quote: Richtig profitieren konnte nur Günther Jauch von den dubiosen Geschichten um Bundespräsident a. D. – dafür aber auch richtig, mit regelmäßig über fünf Millionen Zuschauern bei seinem Polit-Talk. Wie stark dieser und die anderen Massenmedien zum negativen öffentlichen Meinungsbild über die Person Wulff beigetragen haben, lässt sich – anders als das Interesse anhand der Einschaltquote – nicht mit Zahlen belegen. Dass dieses Thema aber überhaupt frei und argumentativ debattiert werden kann, ist urdemokratisch. Und darauf kann die deutsche Medienlandschaft stolz sein.

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