Hingeschaut

«Die Einrichter»: Eine normierte Tüte Buntes

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Ob bei Studenten, Pornosternchen oder «Big Brother»-Pärchen – «Die Einrichter» möbeln jede Wohnung auf.

Wo gehobelt wird, fallen Späne – und im deutschen Fernsehen wird viel gehobelt: Dutzende Casting-, Reality- und Dokuformate spucken in unzähligen Folgen, Staffeln und über die Jahre hinweg einen Haufen temporärer Protagonisten aus, die nach einer schnelllebigen Blitzkarriere im Anschluss an eine Sendung oftmals sofort wieder in Vergessenheit geraten. Im besten Fall halten sie sich durch ein, zwei kleine Skandälchen, Affären oder vorwiegend sexuell konnotierte Anekdoten noch einige Monate in den Boulevardblättern, den Charts oder auf Seite drei, bevor sie dann – richtig! – erstmal in Vergessenheit geraten und nur noch ein Gnadenbrot in «taff» oder «RTL exklusiv» bekommen. Es ist ein Spiel auf Zeit, das die für 15 Minuten Ruhm aus dem Regen Geholten erst dann verstehen, wenn sie wieder in der Traufe stehen. Doch der Weg zurück ins Scheinwerferlicht ist hart, der dauerhafte Platz an der Sonne für die meisten unerreichbar.

Aber es gibt im Fernsehen glücklicherweise das Prinzip der Zweitverwertung – «Das perfekte Promi-Dinner», «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» oder «Die Model-WG» retten die zu normalem Volk mutierten Fernsehhelden von gestern aus ihrer tristen Bürgerlichkeit und holen sie zurück auf die große Bühne – zumindest, bis diese nach ein, zwei kleinen Skandälchen, Affären oder vorwiegend sexuell konnotierte Anekdoten wieder in Vergessenheit geraten. Diesem karitativen Akt zwischenmenschlichen Gutbürgertums kann sich auch VOX nicht entziehen und präsentiert seit vergangenem Montag ein hippes Verschönerungsformat, pardon, eine hippe «Einrichtungs-Soap» mit dem wegweisenden Titel «Die Einrichter». Pornosternchen, «Big Brother»-Pärchen und postpubertierende Studenten im Clinch mit der überfürsorglichen Mutter finden beim kleinen Bruder von RTL für kurze Zeit eine zweite Heimat und lassen sich Eigenheim oder Mietwohnung verschönern. Die Idee ist natürlich nicht neu und seit Tine Wittler oftmals kopiert, doch die findigen VOX-Planer haben ihr persönliches Konzept für eine innovative Sendung erstellt.

Sie kombinierten einfach das in Deutschland beliebte Häuslebauergenre mit dem zwar qualitativ verachteten, aber quotenstarken Genre der Soaps, setzen in das Szenario einige verblasste Fernsehprominente hinein und würzten das Format mit viel Scripted Reality – geboren waren «Die Einrichter», eine von vier unterschiedlichen Produktionsfirmen handbemalte, aber durch ein Drehbuch normierte Tüte Buntes, die jeder mögen muss. Es herrscht freie Auswahl zwischen Studenten und alternativen Aussteigern, zickigen Modepüppchen und rollenspielenden Dauersingles, melodramatischen Asienjüngern und C-Prominenz, die mit Zimmergenossen, dem Partner oder der Partnerin, der Mutter, sich selbst, dem Haustier und natürlich der Einrichtung auf Kriegsfuß stehen – oder zu stehen haben, denn: «Damit alles passt, wackelt und dramaturgisch ein bisschen Luft nach oben hat, sind die verbesserungswürdigen Wohnsituationen teilweise gestellt.»

Perfekt, da bleibt deutlich mehr Zeit für anderes, denn die Auswahl an ebenso unterschiedlichen Einrichtungsexperten wie Kandidaten geht zwar auch an die Bausubstanz, aber vorrangig an die Nerven – der Weg zu einer tollen Einrichtung führt schließlich über viel Streit, Küchenpsychologie und Versöhnungssekt. Dieses «mieten, kaufen, wohnen» auf Ecstasy, mit vielen bunten Farben und abgefahrenen Ideen punktete in der ersten Folge beim Publikum zwar durch gute Quoten, lässt aber wieder einmal die Frage im Raum stehen, warum jedes neue Format um jeden Preis mit aus dem Drehbuch stammenden Doku-Elementen ausgeschmückt werden und zu einer PR-Plattform verkommen muss. Da kann ein Tipp für zukünftige Formate, und sei es auch eine Plattitüde, nicht schaden: Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben – und genau die hat sich VOX mit der Sendung «Die Einrichter» entgehen lassen. Schade, denn die wirklich spannende Bandbreite an Einrichtungsexperten unterschiedlichster Coloeur, vom Mülldesigner bis zum Luxuseinkäufer, hätte gerade ohne Drehbuch und ohne inszeniertes Pubertätsgehabe eine gute Sendung abgeliefert und mehr Spaß gemacht, als normiertes Dosenfutter serviert zu bekommen. Aber wenigstens wissen wir jetzt, wie dieses «Big Brother»-Pärchen wohnt – wie hießen die nochmal?

Kurz-URL: qmde.de/49692
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