Interview

Florian Stetter: ‚Gewalt bleibt viel zu oft im Verborgenen‘

von

In der neuen Folge der ZDF-Reihe «Katharina Tempel» gerät Polizeipressesprecher Volker Tempel – gespielt von Oliver Stetter – selbst ins Zentrum eines Vergewaltigungsfalls.

Herr Stetter, Sie spielen in „Was wir begehren“ der Reihe «Katharina Tempel» den Polizeipressesprecher Volker Tempel, der selbst in den Fokus eines Vergewaltigungsfalls gerät. Was hat Sie an dieser komplexen Rolle gereizt?
Mich hat daran gereizt, dass Volker ja eigentlich ein Täter ist den man das zutrauen würde. Der gegen diesen schweren Vorwurf ankämpft, weil er Grund dafür hat aber niemand ihm glaubt. Das fand ich interessant diese Versuchsanordnung. Wie kommt so jemand da wieder raus?

Volker ist einerseits eine öffentliche Figur, andererseits ein Mann, dessen Privatleben von Gewalt und Kontrollverlust geprägt ist. Wie haben Sie diesen inneren Zwiespalt angelegt?
Volker macht eine Entwicklung durch, ich möchte da nichts vorneweg greifen, er arbeitet an sich, nimmt sich Hilfe. Um einen Ausweg aus dieser Zerrissenheit zu finden. Aus dieser Ohnmacht. Er geht es an und verändert sich tatsächlich, das war das spannende für mich. Wohin geht das mit ihm? Ist es überhaupt möglich mit diesem inneren Sprengstoff sich zu verändern?

Der Film läuft rund um den Orange Day, der auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam macht. Wie bewusst war Ihnen diese gesellschaftliche Dimension während der Dreharbeiten?
Mir war es sehr bewusst. Ich bin sehr froh das wir uns daran beteiligen. Mann kann gar nicht genug darüber aufklären, viel zu viel bleibt nach wie vor im Verborgenen. Viele Frauen haben einfach große Angst vor Rache wenn sie ihren Partner/den Täter anklagen. Diese Frauen wollen auch wir stärken, sie ermutigen laut zu werden.

Gewalt in Partnerschaften wird im Fernsehen selten so vielschichtig gezeigt wie hier – zwischen Macht, Angst und Abhängigkeit. Wie haben Sie sich auf diese emotional fordernden Szenen vorbereitet?
Darauf kann ich mich in dem Sinne nicht „vorbereiten“. Ich darf meine Rolle ja im Spiel nicht bewerten, ich muss quasi erstmal innerlich „leer“ sein, ungeschützt, um mich ganz und gar auf die Darstellung einlassen zu können. Das ist nicht immer so leicht, gerade bei einer Figur wie Volker der soviel negatives Potential hat. Allerdings fällt es mir bei so jemanden dann auch wieder relativ leicht das abends wieder loszuwerden, anders als vielleicht bei Figuren die mir wirklich ans Herz gehen.

Mich quasi möglichst schnell innerlich zu duschen danach, den Dreck wieder loszuwerden. Das funktioniert meistens ganz gut, Geduld braucht mann trotzdem, wir Schauspieler sind ja zum Glück keine Roboter mit An und Aus-Knopf. Außerdem hilft das Darstellung und privat ja doch zwei fundamental verschiedene Stiefel sind.


Ihre Filmpartnerin Franziska Hartmann verkörpert eine Frau, die zugleich Opfer und Ermittlerin ist. Wie war die gemeinsame Arbeit an diesen intensiven Szenen?
Die Arbeit mit Franziska ist ein Glücksfall für mich. Sie ist inspirierend. Ich schätze Franziska sehr, sie ist eine großartige Schauspielerin außerdem können wir viel zusammen lachen, wir nehmen uns beide nicht so ernst, das hilft, gerade bei schwierigen Szenen.

Volker Tempel ist kein klassischer Täter, sondern eine Figur voller Widersprüche. War es Ihnen wichtig, seine Abgründe nachvollziehbar, aber nicht entschuldbar zu zeigen?
Ja, auf jeden Fall.

Der Film stellt die Frage nach Schuld, Verantwortung und gesellschaftlicher Doppelmoral. Was hat Sie beim Lesen des Drehbuchs am meisten schockiert oder nachdenklich gemacht?
Einiges, zum Beispiel die Szene wenn Volkers Mutter, toll gespielt von Petra Zieser, plötzlich ihm eine scheuert und ihn dann hart verbal ins Gericht nimmt, ihn in eine Reihe stellt mit seinem eigenen verhassten Vater bzw. ihrem Mann. Das war markerschütternd für mich schon beim Lesen.

«Katharina Tempel» verbindet Krimi mit psychologischem Drama. Wie sehr hat Sie diese Mischung in Ihrer Arbeit als Schauspieler gefordert?
Es hat mich nicht gefordert, sondern begeistert. Ich mag das Konzept von unserer Drehbuchautorin Elke Rössler sowie unserer Produzentin Lydia Emrich sehr das es bei unserer Geschichte mehr um das geht was unter dem Teppich liegt, das Verborgene, Weggedrückte, als das was obendauf sichtbar ist.
Deswegen bin ich unter Anderem Schauspieler geworden um solche Seelenwelten zu erzählen.

Die Reihe ist für ihre realistischen, leisen Töne bekannt. Welche Wirkung wünschen Sie sich, dass dieser Film beim Publikum entfaltet – gerade im Kontext des Orange Day?
Ich wünsche mir das wir damit einen Teil dazu beitragen Licht ins Dunkel bringen, betroffene Frauen darin zu motivieren laut zu werden, anzuklagen. Es gibt noch viel zu viele unentdeckte Täter die da draußen unbeschwert rumlaufen. Die müssen gestoppt werden.

Wenn Sie an Volker Tempel denken – ist er für Sie am Ende Täter, Opfer seiner selbst oder beides?
In erster Linie ist er Täter für mich.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Katharina Tempel» ist am Montag, den 24. November, um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. „Was wir begehren“ ist seit 15. November in der ZDFmediathek.

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