Interview

Petra Schmidt-Schaller über ihre neue Rolle: ‚Was ist Wahrheit – und wann findet Gerechtigkeit statt?‘

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In «Im Namen der Wahrheit – Traue niemanden» wechselt Petra Schmidt-Schaller die Perspektive: Statt wie gewohnt auf der Seite der Ermittler verkörpert sie diesmal die Anwältin Sophia Dreyer, die zwischen Gesetz und Menschlichkeit balanciert. Im Interview spricht sie über die Faszination am Justizsystem, die beklemmende Frage nach Schuld und Unschuld – und warum sie Sophia mit einem Augenzwinkern spielt.

Frau Schmidt-Schaller, Sie betonen, dass dieser Film «Im Namen der Wahrheit – Traue niemanden» die Perspektive der Justiz einnimmt und nicht die der Ermittler. Was hat Sie an diesem erzählerischen Ansatz besonders gereizt?
Was mich reizt - nach langen Jahren auf der Seite der Ermittler - sind die Einblicke in unser Rechtssystem. Dessen Ursprünge, die daraus resultierenden Grenzen und die sogenannten Dehnungsfugen. Zum Beispiel: Was ist schon während einer Ermittlung wichtig? Wie können da Staatsanwaltschaft und die jeweiligen Ermittler enger zusammenarbeiten, damit wichtige Beweise später im Verfahren nicht fehlen, bzw. schon früher ein Augenmerk auf Bereiche gelenkt wird, die die Polizei nicht auf dem Schirm hat oder haben kann. Das hat mir sehr gefehlt in den Drehbüchern, in denen es immer wieder um Ermittlungsarbeit ging, aber nie die Brücke zu unserem Rechtssystem geschlafen wurde. Jedenfalls nicht in den Filmen, in denen ich mitgespielt habe. Da hat das Expertenwissen gefehlt.

Was mich aber auch interessiert, sind die Fälle, in denen es um die Konsequenz der Handlungen der Angeklagten geht. Was hilft es uns, ein Strafmaß pauschal anzuwenden, wenn am Ende das Ziel ist, ein Teil der Gesellschaft zu sein und nicht das Leben im Gefängnis zu verbringen. In welcher individuellen Form auch immer. Wir Menschen machen Fehler. Leichtere und schwerwiegendere. Bis zu einem gewissen Alter können wir unser Handeln und dessen Konsequenzen noch nicht einmal einschätzen. Und ja, von Kultur zu Kultur sind auch die Kompasse unserer Moral unterschiedlich. Alle haben ihre eigene Geschichte und ihren eigenen Ursprung und wenn sie aufeinanderprallen, gibt es genügend Grund, genauer hinzugucken.

Ihre Figur Sophia Dreyer übernimmt den Fall von Hajo Rick, der bereits verurteilt wurde. Was macht diesen Fall für sie – und für Sie als Schauspielerin – so spannend?
Die Frage der Schuld. Das begegnet uns ja immer wieder. Wann kann ich einem Menschen glauben? Nun ist es für Sophia Dreyer eigentlich nicht die Grundlage ihrer Arbeit, nur unschuldige Menschen zu verteidigen, denn jeder hat erst einmal das Recht auf eine Verteidigung im Sinne dessen, dass er selbst als Schuldiger ein angemessenes Strafmaß bekommt. In diesem Fall ist aber gerade die Frage der Unschuld das Zünglein an der Waage, das es für Sophia so schwierig macht, denn dadurch entscheidet sich ja auch, wofür sie sich einsetzen wird. Freispruch oder anderes Strafmaß. Wie dem auch sei, ich mochte den Tanz auf dem Seil des Vertrauens. Sagt Hajo Rick die Wahrheit oder nicht. Es hat auch sehr viel Spaß gemacht mit Lasse genau die Szenen zu drehen.

Der Gedanke, unschuldig hinter Gittern zu sitzen, ist beklemmend. Wie haben Sie sich emotional dieser Vorstellung genähert?
Gar nicht. Mag Sie erstaunen, aber es war nicht die Perspektive der Rolle Sophia. Ich persönlich finde es unerträglich, unschuldig inhaftiert zu sein. Wie viele Träumen zerplatze würden, wie viele Menschen, die ich liebe, nicht mehr in meinem Alltag wären, wie klein die Welt werden würde…. Welche innere Kraft es bräuchte, nicht daran zu zerbrechen. Jeden Morgen einen Sinn zu finden, aufzustehen. Sich nicht einfach durch den Tag zu schleppen. Die Kraft der Ungerechtigkeit zu verwandeln, in eine Kraft, die einem gut tut. Dankbarkeit für die kleinen Sachen? Die ganz kleinen Sachen und zu sehen, ob ich Fähigkeiten in mir entdecke, die mich etwas Sinnvolles tun lassen - wenn mir das überhaupt vergönnt ist, also, wenn ich hier in Deutschland wäre, schon, aber an anderen Orten der Welt sehen Gefängnisse ja gerne auch anders aus. Da sitzt, liegt, vegetiert man ja wirklich seine Lebenszeit weg... und es bliebe die ewige Frage: Wann findet Gerechtigkeit statt?

Sophia Dreyer wird beschrieben als eine Juristin, die immer zwischen Gesetz und Menschlichkeit balanciert. Wie haben Sie diese Ambivalenz in der Rolle umgesetzt?
Ich glaube, dass mir das Emotionale in der Hinsicht nicht schwergefallen ist. Als Laie gehe ich ja mit meinem eigenen Rechtsverständnis an die Fälle und da bin ich per se schon emotionaler als eine Anwältin es sein würde. Ich musste eher die Kühle bzw. Rationalität des Gesetzes erarbeiten. Die Grundsätze der Anwaltsarbeit. Die Normalität bestimmter Vorgänge, die gar kein Gefühl mehr erzeugen, sondern Alltag sind. Wie bei Ärzten. Sie schockiert im Normalfall auch keine Wunde, so tangiert Anwälte auch erstmal nicht wirklich die Frage der Schuld.

Sie sagten, dass Sie wahrscheinlich nicht im Strafrecht gelandet wären. Hatten Sie beim Spielen dennoch das Gefühl, dass ein Teil von Ihnen Freude daran hätte, so für Gerechtigkeit zu kämpfen?
Das kann ich so gar nicht beurteilen. Sophia Dreyers Fundament ist so beschrieben, dass sie trotz Trennung, als alleinerziehende Mutter und freie Rechtsanwältin sich nicht unterkriegen lässt. Sie will leben. Vielleicht ist das von mir mit in die Figur eingeflossen. Trotz bestimmter Lebensumstände immer noch zu gucken, wo scheint die Sonne im Herzen der Menschen oder der Situation. Diese Sicht ist nicht nur angeboren. Es ist auch Arbeit, so zu denken - gerade in einem Land, dem ein sehr sorgenvolles Denken innewohnt, ohne auch die andere Perspektive einer Situation oder eines Ereignisses zu sehen. Manches Mal denke ich, wenn wir uns bewusster wären, dass das Chaos oder auch der Tod, egal ob jung oder alt, allgegenwärtig ist, dann kämen mehr Perspektiven in unser Denken. Nicht nur die gelassene, sondern auch die gütige oder annehmende. Eine Situation erstmal annehmen, nicht sofort klären oder loswerden. Das bedarf Kraft und Bewusstsein.

In «Im Namen der Wahrheit – Traue niemanden» stehen Sie auch Harald Krassnitzer und Karsten Antonio Mielke gegenüber. Wie war die Zusammenarbeit mit diesem Ensemble und welche Dynamiken haben sich am Set ergeben?
Während der Dreharbeiten war interessant, zu beobachten, dass wir gerne mehr Szenen zwischen dem Staatsanwalt und der Anwältin gehabt hätten. Die Reibung zwischen dem schon etwas abgefrühstückten Staatsanwalt und der frisch aus Berlin angereisten Anwältin, die einen ganz anderen Blick auf bestimmte rostige Stellen im System hat, hat Potential und ist für mich genauso interessant wie die Verbindung zur ermittelnden Ebene.

Drehorte waren unter anderem Erfurt und Berlin. Sie haben eine persönliche Verbindung zu Erfurt – wie hat es sich angefühlt, nach so langer Zeit dort wieder zu drehen?
Da die Familie meines Ex-Mannes dort lebt und wir alle ein gutes Verhältnis haben, waren damals wahrscheinlich gerade mal zwei Wochen vergangen, bevor wir dann zusammen mit dem Team in Erfurt auftauchten. Für mich ist Erfurt eigentlich Urlaub, deshalb war es sehr lustig, dort zu arbeiten. Anstatt den wundervollen Spätfrühling in der Stadt zu bestaunen, durfte ich den Schalter in Richtung Arbeit umlegen.

«Im Namen der Wahrheit – Traue niemandem» trägt einen sehr deutlichen Titel. Was bedeutet „Wahrheit“ für Sie persönlich – und glauben Sie, dass es im Justizsystem eine absolute Wahrheit überhaupt geben kann?
Kommt auf den Fall und die Frage an. Deshalb ja - und nein. Genau das macht es ja so spannend.

Wenn Sie auf Ihre bisherigen Rollen zurückblicken: Was unterscheidet Sophia Dreyer von anderen Figuren, die Sie in Ihrer Karriere gespielt haben?
So, wie sich dieses Interview von Ihren Interviews zuvor unterscheidet. Wir begegnen uns jedes Mal neu. Das kann überraschen, enttäuschen oder aufwühlen. Sophia ist eine Frau, die mit einem Augenzwinkern auf das Leben blickt, trotz der harten Fakten, denen sie durch ihren Beruf ausgesetzt ist. Das, würde ich sagen, hab ich so noch nicht gespielt. Das würde sie demnach von den anderen Rollen unterscheiden.

Danke erneut für das Gespräch!

Das Erste strahlt «Im Namen der Wahrheit – Traue niemanden» am Samstag, den 27. September 2025, um 20.15 Uhr aus.

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