Hintergrund

Das Jüngste Quoten-Gericht über einen strategisch unwichtigen Sendeplatz

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Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal steht der Sonntagvorabend von Sat.1 im Fokus im Zusammenhang mit einer Aussage, die Fragen aufwirft.

Lieber tiefstapeln und hoch gewinnen als hochmütig angeben und tief fallen? Womöglich folgte Sat.1-Chef Marc Rasmus diesem Credo, als er vor vier Wochen im Interview mit ‚DWDL‘ einen Satz sagte, der in jenem Gespräch kaum eine Rolle spielte, in der Branche aber seither durchaus mit Fragezeichen betrachtet wird. „Der Sonntagvorabend ist für uns derzeit kein strategisch wichtiger Slot“, lautete Rasmus‘ Antwort auf die Anmerkung, dass der Sonntagvorabend zuletzt vom Bällchensender vernachlässigt worden sei. Der Einwand hat deswegen seine Berechtigung, da am Sonntagvorabend in den vergangenen Jahren zahlreiche sehr reichweitenstarke Formate beheimatet waren, die Sat.1 teils mehr als drei Millionen Zuschauer einbrachten.

Nun befindet sich der Bällchensender seit geraumer Zeit in einer tiefgreifenden Krise, in der ein Millionenpublikum kein Automatismus ist. In der vergangenen Woche brachte es nur drei 20:15-Uhr-Programm auf mehr als eine Million Seher, eines davon war der Sonntagabend-Film «The Day After Tomorrow». Was zum Verfall des Sendeplatzes am Sonntagabend vor der «newstime» und Primetime führte, ist letztlich schwierig zu sagen. Fakt ist, Sat.1 hat in der laufenden TV-Saison 2023/24 wenig dazu beigetragen eine hohe Reichweite zu fördern. Im September und Oktober setzte man auf «Das große Backen», das vielen Zuschauern dieses Timeslots zwar bekannt war, es handelte sich im vergangenen Herbst aber um Wiederholungen. Denn Sat.1 machte aus dem Vorabend-Wettbewerb eine Primetime-Show am Mittwoch, die zum Wochenausklang lediglich drittverwertet wurde.

Dass dem Sonntagabend einige Quoten-Kraft innewohnt, bewiesen die Bäcker, denn die Wiederholungen generierten im Schnitt 8,2 Prozent Markanteil in der Zielgruppe. Auch die Gesamtreichweite lag mit rund 800.000 Zuschauern in einem Bereich, der für Wiederholungen als durchaus hoch zu bezeichnen ist. Zum Vergleich: Die Erstausstrahlungen sorgten für 1,37 Millionen Zuschauer und 10,2 Prozent. Durchaus fraglich also, warum man die Attraktivität des Sendeplatzes nicht stärker nutzen wollte.

An Ansehen verlor der Sonntagvorabend ganz klar im Oktober und November als der Flop «Der Hundetrainer-Champion» ausgestrahlt wurde. Die Sendung mit Moderatorin Andrea Kaiser erreichte nur 0,58 Millionen Zuschauer und verzeichnete wahrlich schwache 3,8 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Ein Jahr zuvor im November 2022 waren mit «Julia Leischik sucht: Bitte melde dich» bis zu 2,66 Millionen Zuschauer in der 19-Uhr-Stunde möglich und auch zweistellige Marktanteile lagen zumindest teilweise in Schlagdistanz. Aus dem Hundetrainer-Tief erholte sich Sat.1 im alten Jahr nicht mehr. In der Vorweihnachtszeit waren mehrere Filmausstrahlungen kein Zuschauermagnet.

Besserung versprach erst der Jahreswechsel, denn dann kehrte Julia Leischik mit ihrem Vermissten-Format zurück. Dass in Rasmus‘ eingangs erwähnter Aussage durchaus Wahrheitsgehalt steckt, bewies der Unterföhringer Sender, indem man vor das Erfolgsformat die katastrophal produzierte Datingshow «Dein Star, Dein Date – Prominent verkuppelt» programmierte, die vier Wochen lang die Quoten von «Bitte melde dich» torpedierte. Mit Janine Kunze, Thomas Hermanns, Marijke Amado und Co. im Vorprogramm scheiterte Julia Leischik bis Ende Januar an der 2-Millionen-Marke. Diese übersprang man erst, als die «Dein Star, Dein Date» in die frühen Morgenstunden gelegt wurde, seither läuft es für «Julia Leischik sucht: Bitte melde dich» ausgezeichnet. 2,09, 2,04, 2,25 sowie am gestrigen Sonntag 2,32 Millionen Zuschauer sprechen eine eindeutige Sprache. Auch in der Zielgruppe ist ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Nach 4,9, 5,4, 4,0 und 3,9 Prozent Marktanteil in zu Beginn des Jahres ging es zuletzt auf 7,2, 6,5 sowie 8,9 und 10,4 Prozent spürbar nach oben.

Kein strategisch wichtiger Slot also? Die strategische Line-up-Anpassung beweist das Gegenteil. Insofern sollte man durchaus mit Vorsicht genießen, was dieser Tage kommunikativ aus Unterföhring kommt. Nach der Bundesliga-Übertragung des Spiels zwischen dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim am 12. Januar belegte «Julia Leischik sucht: Bitte melde dich» sieben der zehn meistgesehenen Sat.1-Programme in diesem Jahr, darunter sind vier Ausgaben in den Top5. „Wenn wir aber ein Format finden, das wir dort (am Sonntagvorabend, Anmerkung der Redaktion) gut aufgehoben sehen, werden wir es auch dort zeigen“, erklärte Marc Rasmus im Interview. Angesichts der Reichweiten sollte sich Rasmus früher als später auf die Suche nach solchen Formaten machen. Das einst so erfolgreiche «The Biggest Loser» kommt dafür bekanntlich ja nicht mehr in Frage, seit es in der Montagsprimetime zum Quotenflop degradiert wurde.

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