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Vor diesen Aufgaben steht der neue Sky-Chef Devesh Raj

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Der Manager übernimmt die Position des Vorsitzenden der Geschäftsführung von Carsten Schmidt. Eine seiner wichtigsten Aufgaben in der nächsten Zeit dürfte exzellentes Netzwerken sein. Wir sagen, warum…

Mit Fug und Recht lässt sich sagen: Carsten Schmidt hat es geschafft. In fünf Wochen übergibt er das Zepter an der Spitze von Sky Deutschland an den Comcast-Manager Devesh Raj, der schon seit Sommer als Chief Operating Officer für organisatorische Abläufe von Sky in Koninental-Europa (also neben Deutschland, Österreich und der Schweiz auch zuständig für Italien) leitet und zur Zeit auch kommissarisch als Interimsnachfolger von Marcello Maggioni bei Sky Deutschland für alle Umsatzthemen zuständig ist. Schmidt zieht sich nach rund 20 Jahren bei zunächst Premiere, dann Sky zurück. Er war schon an Bord, als die Kirch-Krise den Pay-TV-Sender durchrüttelte, als Kosten plötzlich dramatisch gesenkt werden mussten und er war auch zur absoluten Blütezeit der Firma, der Ära Sullivan, dabei.

Dass die vergangenen zwei, drei Jahre vermutlich herausfordernd und spannend waren, wohl aber nicht die schönsten, würde natürlich niemand aus dem Sky-Umfeld so sagen. Der Markt – beeinflusst durch neue Player wie Netflix und Amazon – hat sich jüngst aber massiv gewandelt und von Sky ein Aufbrechen alter Strukturen gefordert. Das mündete schließlich auch in einem anstrengenden Konzernumbau mit Auswirkungen auf das Spitzenpersonal. Das Umdenken, der eingeleitete Prozess, hat beim Abo-Unternehmen aber gerade erst begonnen. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben von Raj neue Strukturen zu schaffen, um langfristigen Erfolg zu gewähren. Das dürfte für den Medienexperten kein einfaches Unterfangen sein.

In den USA arbeitete Raj bei Comcast bis zum Sommer im Finanz- und Strategiebereich von NBCUniversal, davor war er über ein Jahrzehnt lang für Telekommunikation-, Medien- und Technik bei der Boston Consulting Group aktiv. Wer es kritisch beäugen will, der mag sagen, dass Raj den deutschen Markt nicht gut genug kennt. Vielleicht noch weniger als die Führungscrew um Jeremy Darroch, die seit der Übernahme durch die Sky plc spürbar an Einfluss zulegten. Doch man sollte Raj keinesfalls unterschätzen. Aus dem Sky-Umfeld ist zu hören, dass der kommende CEO nicht nur durch treffsichere Analysen, sondern auch über ein feines Gespür für Situationen verfügt.

Dennoch – die in 2020 anstehenden Aufgaben kann er kaum alleine bewältigen. Grundlegend wird es bei Sky im nächsten Jahr um vier Punkte gehen, die alle einzeln zu betrachten sind, aber irgendwie doch miteinander verknüpft. Oberste Priorität, dieser Punkte wurde auch explizit in den Medienaussendungen erwähnt: Raj soll Sky Deutschland in eine neue Wachstumsphase führen. Um diesen Kontext zu verstehen, hilft ein Blick auf die Historie. Seit Ende 2017 veröffentlicht Sky Deutschland keine eigenen Abo-Zahlen mehr. Das hängt damit zusammen, dass Sky jetzt als paneuropäische Marke aktiv ist und für Gesellschafter und Aktionäre die Gesamt-Kundenzahl wichtig ist. 2017 hatte sich das Wachstum verlangsamt, lag aber bei knapp 5,2 Millionen. Bei Bekanntgabe der Personalie Raj vergangene Woche war sehr grob formuliert von „über fünf Millionen Kunden“ die Rede. Die Spannbreite ist groß – unklar, ob Sky Deutschland nun 5,01 oder vielleicht doch schon 5,45 Millionen Kunden hat. Sei’s drum: Im Geschäftsjahr 14/15 legte Sky um rund 586.000 Kunden zu, im Geschäftsjahr davor um 379.000. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit des Wachstums müsste Sky inzwischen die Sechs-Millionen-Marke geknackt haben. Ganz offenbar stottert der Motor aber eher – und das trotz erheblicher Mühen, die von Deutschland aus gingen. 2018 etwa verging kein Monat ohne neue Ankündigung, Idee oder Highlight aus Unterföhring.

Dabei wird Raj nur Wachstum schaffen können, wenn er sich auf die alten Sky-Stärken besinnt. Gerade in der stärksten Phase der Firma war es oberstes Sky-Anliegen, Innovator und Kreativ-Maschine zu sein. Hier hatte Sky in seiner Anfangszeit erheblichen Aufholbedarf. James Murdoch, Sohn von Rupert, sagte einmal, dass man lange Zeit in Deutschland etliches noch gar nicht ausprobiert hatte – und steuerte zum einstigen Erfolg etwa die neuen Sky-Receiver und Funktionen wie Sky+ bei. Mutige Projekte wie der Start des kostspieligen Senders Sky Sport News wurden auch durch Finanzmittel aus Murdochs Taschen angeschoben. Sky hob das Fernsehverhalten auf ein neues und ein besseres Level. Und müsste genau das in totaler Konsequenz jetzt wieder tun. Freilich: Etwa im Feld UHD beweist Sky weiterhin eine Liebe für Innovationen – doch der nächste Markt-Umkrempler scheint noch eine Ecke entfernt zu sein.

Die Welt hat sich seit 2010 freilich drastisch verändert. Der Vorgang, wie Menschen an Abo-Inhalte im TV kommen, ist nun ein anderer. Netflix zeigt, wie einfach man eine App auf jedem Gerät installieren und nach Minuten nutzen kann. Da erscheint der Weg zum Fachhandel oder über die Sky-Service-Hotline (deren Wartezeit zuletzt teils doch erheblich war) doch schon zwei Ecken umständlicher. Sky verweist derweil auf zwei Wege Sky zu nutzen: SkyQ, das mit der Möglichkeit Apps einzubinden, den Weg zur Zukunft eingeschlagen hat und Sky Ticket, das flexibel monatlich kündbar ist, aber zuletzt großem Kundenansturm speziell bei Highlight-Fußballspielen nicht standhielt. Soll es dauerhaft bei diesen zwei Produkten bleiben? Kann man diese mal verschmelzen? Gibt es Sky Q irgendwann nur als App, ohne Receiver? Berechtigte Fragen. Diesen ganzen Komplex wird Sky Deutschland aber niemals für sich alleine aufschlüsseln können – nur gemeinsam mit England, Italien und wohl auch den Amerikanern sind hier wesentliche Fortschritte zu erreichen. Die Power dafür hat die Comcast-Crew in jedem Fall. Raj könnte einer der Treiber der Entwicklung sein, wenn er geschickt kommuniziert und netzwerkt.

Das ist auch schon das Stichwort für die kommende Bundesliga-Ausschreibung – für Sky Deutschland der allerwichtigste Punkt im Jahr 2020. Es ist unbestritten, dass der erneute Erwerb eines Großteils der Pakete zwingend notwendig ist, um in fünf Jahren mehr Kunden zu haben als heute. Dabei gilt es für Sky aber auch, die Marktsituation zu erkennen. Aktuell sind die Bundesliga-Rechte viel zu teuer. Ausgaben von weit mehr als einer Milliarde Euro lassen sich nur mühsam finanzieren; der finanzielle Druck auf die Sportredaktion scheint groß geworden zu sein. Erst kürzlich brachte sogar Bild ins Spiel, dass die Bundesliga-Bosse eventuell einsehen müssen, dass geringere TV-Einnahmen im nächsten Rechtezyklus drohen. Es wäre ein verdienter und richtiger Schritt, hat die Bundesliga im Vergleich zu vor acht bis zehn Jahren doch merklich an Attraktivität verloren. Oder anders gesagt: Die schillerndsten Namen (ob Aubameyang auf dem Platz oder Guardiola an der Linie) sind inzwischen im Ausland. Dennoch: Auch die schwächere Bundesliga, die weiterhin Top-Quoten holt, ist für Sky überlebenswichtig. Um kein Risiko einzugehen, soll bei der Ausschreibung auch weiterhin Carsten Schmidt als Berater unterstützend tätig sein.

Während diese beiden Punkte die wesentlichen Faktoren sind, wird es an Raj sein, für den Nachschub an eigenem Content zu sorgen. Schon 2020 wird Sky Deutschland mit vier eigenen Serien-Originals am Markt vertreten sein – neben der Rückkehr von «Das Boot» und «Babylon Berlin» kommen auch die neue Serie «Hausen» und «Ich und die Anderen». Sukzessive soll die Zahl an jährlich gezeigten Sky-Deutschland-Originals auf acht Stück wachsen. Sky folgt hier der Strategie der Gruppe, die allgemein mehr Serien-Content produzieren will und dazu auch weiterhin mit US-Riesen wie Showtime und HBO (sowie HBO Max) zusammenarbeitet. Das ist zwingend nötig, denn nach wie vor ist unklar, wie lange die jetzige Zusammenarbeit mit Disney in dieser Form noch weitergeht. Sky sagt dazu aktuell recht wenig, aber es ist bekannt, dass Disney Ende März sein Angebot Disney+ startet. Bleiben Highlights dennoch bei Sky? Offizielle Aussagen sind zur Zeit noch nicht vorhanden. Es ist eine Frage, auf deren Antwort Raj vermutlich keinen Einfluss haben wird, mit deren Auswirkungen er aber leben muss.

Bleibt noch der letzte und vielleicht unwichtigste Punkt: Die Preisgestaltung. Deutsche Sky-Kunden zahlen deutlich weniger als englische und ein gutes Stück weniger als die Italiener - zumindest war dies bis 2017 so. Ein Anstieg der Pro-Kunden-Summe würde bei Sky sicherlich jedem gefallen, da kommt es aber besonders ungelegen, dass die neuen Dienste wie Amazon und Netflix mit ünstigeren Angeboten locken. Zumindest über neue Paketstrukturen zu beratschlagen und die bestehenden konsequent zu hinterfragen, dürfte ebenfalls auf der To-Do-Liste von Sky stehen.

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