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In den Niederlanden: Was «Utopia» «Newtopia» voraus hat

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Nach etwas mehr als 100 Folgen endete «Newtopia» bei Sat.1 aufrgund schlechter Quoten. In den Niederlanden ist man noch immer sehr erfolgreich - und das nach 19 Monaten.

«Utopia» in den Niederlanden

  • Erfinder: John de Mol
  • Sender: SBS6
  • Produktionsfirma: Talpa
  • Ort: Crailo im niederländischen Laren
  • Teilnehmerzahl: 15
  • Sendeplatz: 19.30 Uhr - 20 Uhr
  • Start: 6. Januar 2014
Vergangene Woche endete im deutschen Fernsehen eines der größten Missverständnisse der vergangenen Jahre. Für die teure Reality-Show «Newtopia», die am Sat.1-Vorabend zum Quotenhit werden sollte, wurde in einem Areal in Königs Wusterhausen für die TV-‚Pioniere‘ extra ein Gelände mit Scheune, Ackerland und Kuhstall hergerichtet. Nach etwas mehr als 100 Folgen endete «Newtopia», das nach den Vorstellungen von Sat.1 eigentlich ein Jahr laufen sollte - bis Februar 2016. Die Vorzeichen standen vor dem Start des Formats jedoch gar nicht so schlecht. Die Idee stammte vom niederländischen Medien-Mogul John De Mol, Gründer von Endemol, der im Reality-Genre bereits mit der Erfindung von «Big Brother» neue Maßstäbe setzte und später Hit-Formate wie «The Voice» entwickelte. Seine Produktionsfirma Talpa produzierte in Deutschland «Newtopia» und hatte in Bezug auf das Format bereits gute Referenzen vorzuweisen.

In den Niederlanden läuft die Sendung unter dem Namen «Utopia» nämlich noch immer. Schon seit dem 6. Januar 2014 ist die Sendung dort beim Kanal SBS 6 auf Sendung, der zu John De Mols Mediengruppe gehört. Das Kuriose für Kenner der deutschen Version: Das Format befindet sich dort schon im zweiten Jahr, nachdem es von den Zuschauern so großen Zuspruch erhielt, dass man sich entschloss, die Reality zu verlängern. Hat man in den Niederlanden vielleicht andere Ansprüche? Ist die Sendung um ein eigens hergerichtetes Gelände im niederländischen Laren wirklich erfolgreich und falls ja, wie sehr?

Auch hierzulande startete «Newtopia» sehr sehenswert bei Sat.1, in den Niederlanden bewegte sich der Start des Formats jedoch noch einmal in ganz anderen Dimensionen. Mit 1,5 Millionen Interessierten erreiche «Utopia» auf SBS6 am 6. Januar 2014 mehr als das Fünffache des damaligen Senderschnitts und holte zum Start 21,6 Prozent Marktanteil. Natürlich sollte diese für SBS6-Verhältnisse exorbitant hohe Zahl auch im deutschen Nachbarland nicht ewig bestehen bleiben. Schon nach rund zwei Monaten interessierten sich nur noch 800.000 Personen und damit halb so viele Fernsehende wie am Starttag für «Utopia», in dem die Kandidaten unter anderem Schlamm-Catching und Wrestling-Shows veranstalteten oder in Betracht zogen, sich für den „Playboy“ auszuziehen.

Zwar bedeutete dies bereits einen deutlichen Zuschauerrückgang, allerdings befand sich «Utopia» damit noch immer mehr als im grünen Bereich. Kurz darauf erklärte John De Mol, dass er sehr zufrieden sei, wenn sich die Reichweite von «Utopia» weiterhin auf diesem Niveau bewegen würde. Nach über 19 Monaten auf Sendung kann man das vom Format jedoch nicht wirklich erwarten. So kommt «Utopia» im Juli pro Folge auf etwa 550.000 Zuschauer ab sechs Jahren, die sich das Format am werktäglichen Vorabend zu Gemüte führen. Die Reichweiten unterliegen dabei größeren Schwankungen. Innerhalb der vergangenen zwei Wochen schalteten zwischen 479.000 und 669.000 Personen pro Folge ein.

«Utopia» findet sich im niederländischen Fernsehen noch immer fast ausschließlich unter den 20 meistgesehenen Programmen des Tages wieder und feiert vor allem in Sachen Quoten noch immer Erfolge. Zuletzt entschieden sich im Juli knapp über 13 Prozent der Zuschauer ab sechs Jahren für die Tageszusammenfassungen, vereinzelt kratzen Ausgaben sogar an der 15 Prozent-Marke. Darüber kann SBS6 sehr glücklich sein. Im Monat Juni gelangte der Sender über den Tag verteilt nämlich auf durchschnittlich 7,9 Prozent. Zwischen 18 und 0 Uhr - im Zeitintervall, in dem auch «Utopia» auf Sendung geht - standen zuletzt durchschnittlich 10,2 Prozent zu Buche. Für die TV-Station zahlt sich die Reality also auch nach so langer Zeit noch immer aus.

Doch wie kommt es, dass das Konzept in den Niederlanden bestens funktioniert, aber in den USA und Deutschland schon früh abgesetzt wurde? Die Produktion verschlang hierzulande einen zweistelligen Millionenbetrag und wurde Opfer seiner eigenen Fehler, etwa als den Reality-Teilnehmern heimlich Anweisungen gegeben wurden, obwohl die Sendung als authentisches Reality-Format angekündigt wurde, in der die Kandidaten ihre Gesellschaft völlig nach ihren eigenen Wünschen gestalten sollen. Weitere Eskapaden folgten, etwa als Tierschützer aufschrien, als die Pioniere den Futtertrog der Kühe nicht schlossen, sich der Paarhufer überfraß und schließlich zur medizinischen Behandlung gebracht werden musste. Ein weiteres Eigentor schoss sich die Produktion, als der umstrittene Kandidat Candy nach Beschimpfungen gegenüber anderen Kandidaten in die Sendung zurückgeholt wurde, nur um kurze Zeit später wieder wegen Cannabis-Besitzes aus dem Areal zu fliegen.

In Deutschland funktionierte der Dialog zwischen Produktion und Fans schon früh nicht. So wurde beispielsweise stets bemängelt, die Episoden seien nicht aktuell genug, woran sich wenig änderte. In den Niederlanden suchte Talpa schnell die Kommunikation mit den Zuschauern, die auch dort über eine zu geringe Aktualität klagten, sodass die Produktion sich nach rund fünf Wochen auf Sendung dazu entschloss, den Verzug zwischen den Geschehnissen auf dem Gelände und den Tageszusammenfassungen zu verringern. In Deutschland fehlte die Bindung zu und die Absprache mit den Fans. Beide Aspekte sind für Sendungen wie «Newtopia» essenziell, insbesondere wenn die Zuschauer die Sendung täglich verfolgen sollen.

Natürlich unterliegt der Erfolg eines Reality-Formats immer auch maßgeblich der Zusammensetzung seiner Teilnehmer. In Deutschland handelten die Kandidaten nicht im Sinne der Produktion, sodass sich eine Talpa-Mitarbeiterin zum Einschreiten gezwungen sah. In Formaten wie «Big Brother» und «Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» versucht die Produktion stets die Kontrolle über die Kandidaten und die Geschehnisse in der Sendung aufrechtzuerhalten. Deutsche Reality-Produktionen haben es über die Jahre gelernt, Einfluss zu nehmen, wenn es nicht nach den Vorstellungen der Macher läuft. Diese Konvention und der resultierende Fehltritte einer Mitarbeiterin wurden «Newtopia» zum Verhängnis, das ahnte auch der Schöpfer des Formats.

John de Mol gab nämlich bei der Kreation des Formats explizit vor, dass man den Teilnehmern freie Hand lassen solle. Nur wenn man diese Regel nicht bricht ist das Format glaubwürdig und nur wenn die Gruppendynamik stimmt und die Teilnehmer dadurch sehenswerte Erfolge und Misserfolge bei der Gründung und Gestaltung einer neuen Gesellschaft haben, ist die Sendung interessant. Beides schlug im Falle von «Newtopia» fehl.

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