Interview

MDR-Fictionchefin Jana Brandt: 'Bei «In aller Freundschaft» stehen immer die Menschen im Mittelpunkt'

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Die Krankenhausserie verabschiedet sich mit Jubiläumsfolge 900 in die Sommerpause. Mit der MDR-Fictionchefin sprechen wir über die Episode "Tiefe Wunden", über Neuerungen im Herbst, aber auch darüber, wie sich die Sachsenklinik seit Ende der 90er verändert und weiterentwickelt hat. Wie gelingt zudem der Spagat, sowohl die älteren als auch die jüngeren Fans gleichermaßen anzusprechen?

Nochmal drei Jahre

Nachdem die ARD die Krankenhausserie «In aller Freundschaft» 2017 um drei Jahre verlängert hatte, erfolgte die gute Nachricht nun vor wenigen Monaten. Erneut wurden drei weitere Staffeln bestellt, sodass die Sachsenklinik dienstags im Ersten bis mindestens 2023 geöffnet bleibt.
Frau Brandt, während der Interviewvorbereitung saß ich einige Zeit im Wartezimmer meines Hausarztes. Dabei wurde mir klar: Es gibt wohl wenige Berufsgruppen, die von Menschen so sehr mit Hoffnung, aber auch mit einem gewissen Unwohlsein, mit Ängsten verbunden sind. Kurzum – mit vielen Emotionen. Perfekt für Serienfiguren…
Ja, da haben Sie vollkommen recht. Im Arztberuf geht es oft um Leben oder Tod. Solche Geschichten erzählen wir alltagsgetreu und authentisch. Vielleicht mit einer Brise Eskapismus.

900 Folgen von «In aller Freundschaft» gibt es nun. Die Serie startete vor 22 Jahren. Damals gab es vor allem im Privatfernsehen viele Krankenhaus-Serien. Angefangen von «Für alle Fälle Stefanie» bis hin zum «Alphateam». RTL war mit «Dr. Stefan Frank» im Geschäft. All diese Serien sind lange schon Geschichte… Später dann, Mitte der 2000er, holte RTL dienstags mit «Dr. House» Rekordquoten, doch auch Hauptdarsteller Hugh Laurie hat den Kittel längst abgelegt.
Das macht uns natürlich stolz, wenn Sie das so aufzählen. Einen «Dr. House» haben wir in gewisser Form übrigens auch – unseren Dr. Kaminski, der seit 2007 Teil der Serie ist. Übrigens: «In aller Freundschaft» hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Seit Folge 20 setzen wir auf starke Episodenfälle, die unsere Zuschauer so gerne sehen. Dabei ist es uns wichtig, dass es nicht nur um den medizinischen Fall geht, es stehen bei uns immer die Menschen im Mittelpunkt. In all den Jahren hat sich das nicht verändert.

RTL zeigt derzeit dienstags auch eine Krankenhausserie. «Nachtschwestern». Sie haben ja eben schon angesprochen, wie Sie die Serie entwickelt haben. Worauf achten Sie momentan? Wie genau schauen Sie auch bei Mitbewerbern hin?
Das ist ein interessanter Vergleich. Mit unserer «In aller Freundschaft – Die Krankenschwestern»-Serie stellen auch wir das Pflegepersonal in den Fokus der Erzählung. Wir haben also die Sachsenklinik am Dienstag und am Donnerstagvorabend seit einigen Jahren «Die jungen Ärzte». Und bald auch in der zweiten Staffel die dritte Serie aus dem IaF-Kosmos. Die Arbeiten zu dieser dürften wir in etwa zeitgleich mit der RTL-Serie begonnen haben. Das zeigt letztlich aber auch, wie wichtig es ist, dass Thema Pflege fiktional aufzuarbeiten. Im Übrigen war das auch immer ein Fokus in der Sachsenklinik.

Sie sprechen ja sowohl Zuschauer über 60 an als auch junge Leute. Im linearen Fernsehen kommt die Sachsenklinik auf meist 600.000 bis 700.000 14- bis 49-Jährige. Ist die Erwartungshaltung je nach Alter nicht sehr unterschiedlich?
Es geht ja immer um eine gute Balance. Letztlich ist es ja so, dass unsere Zuschauerinnen und Zuschauer, die irgendwann einmal zur Serie gefunden haben, mit der Serie zusammen älter werden. Wir haben aber auch viele neue Figuren eingeführt, die die Sachsenklinik für jüngere Zuschauer attraktiv machen. So gab es große Liebesdramen und nicht zuletzt viele Cross-Over mit den jungen Ärzten. Sofern die Balance stimmt, kommen sich die Erwartungshaltungen nicht in die Quere.

Wie sind eigentlich die On-Demand-Abrufzahlen der Serie?
Wir sind sehr zufrieden. Pro Episode holen wir On Demand um die 240.000 Zuschauer zusätzlich.

Nun steht die Folge 900, „Tiefe Wunden“, an. Es soll spektakulär werden. Erzählen Sie mal…
Ich kann sagen, dass es eine besonders spannende und emotionale Folge geworden ist. Natürlich versucht man, für Jubiläen etwas Besonderes zu machen. Man versucht, Erzählstränge möglichst so auf den Punkt zu bringen, dass diese sich in Jubiläumsfolgen auflösen und neue, spannende Fragen entstehen. So ist es auch bei der 900. Folge. Und gleichzeitig wird es einige Überraschungen geben, deren Auflösung erst später erfolgt. Aber wir haben ja noch mindestens drei Jahre vor uns …

Im Sommer werden wir Episoden mit den schönsten Sommer-Storys aus der Sachsenklinik zeigen. Manchmal muss man als Fan eben auch warten und es wird sich auch lohnen!
Jana Brandt, MDR-Fictionchefin
Ab nächster Woche laufen dann Wiederholungen.
Ich hoffe, dass die Fans sagen: Mensch, da bin ich aber auf die Zeit nach der Pause gespannt. Im Sommer werden wir Episoden mit den schönsten Sommer-Storys aus der Sachsenklinik zeigen. Manchmal muss man als Fan eben auch warten und es wird sich auch lohnen! Ich kann jetzt schon sagen, dass es ab dem 25. August mit neuen Folgen weitergeht. Ab Folge 901 können die Zuschauer die nächste Folge schon sieben Tage vorab in der ARD-Mediathek sehen.

Sie wollen in näherer Zukunft einen Arzt mit körperlicher Behinderung in die Story aufnehmen. Wie kam es zur Idee?
Das Thema Diversität beschäftigt uns schon sehr lange. Wir möchten zukünftig eine Ärztin oder einen Arzt mit körperlicher Behinderung in den Hauptcast integrieren. Viele Initiativbewerbungen auf diese Figur haben uns erreicht. Der Castingprozess läuft jetzt an.

Sie haben es angesprochen: Die Serie ist um drei Jahre verlängert. Das ist vor allem für die Macher ein echter Luxus, weil sie Geschichten nun sehr langfristig anlegen können…
Ja, es ist Luxus, aber es ist auch ein großes Vertrauen seitens der ARD in die geleistete Arbeit. Für alle Macherinnen und Macher der Serie vor und hinter der Kamera ist diese Entscheidung natürlich mit großer Freude verbunden.

Wir kommen nicht ganz drum herum über Corona zu sprechen. Denken Sie, dass sich durch die Krise die Wahrnehmung des Themas Arzt und Krankenhaus geändert hat?
Wir hatten ja eingangs darüber gesprochen. Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal stehen für Heilung und somit für Hoffnung. Ich denke, dass «In aller Freundschaft» seinen Teil dazu beiträgt, dass die Arbeit dieser Berufsgruppen die dringend notwendige gesellschaftliche Wertschätzung erfährt. Inhaltlich haben wir uns übrigens dagegen entschieden, Corona allzu schnell zum Thema zu machen. Auch andere Krankheiten wie etwa Ebola oder die Schweinegrippe haben wir erst mit zeitlichem Abstand fiktionalisiert.

Wie hat sich die Arbeit am Set verändert?
Natürlich war es zunächst ungewohnt. Wir haben ja den Vorteil, dass unsere Figuren ihrer Rolle wegen öfter mal Mundschutz tragen. Der wird künftig vielleicht noch häufiger zu sehen sein als bisher. Ich weiß, es gibt Schauspielerinnen und Schauspieler, die Bedenken hatten, dass somit ein Teil ihrer Mimik verloren geht. Aber ich glaube, die Befürchtungen wurden sehr schnell relativiert. Es hat sich im Großen und Ganzen nicht viel verändert - unter der Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsregelungen.

Letzte Frage, Frau Brandt. Sollten Sie mal in die Sachsenklinik eingeliefert werden – welcher Arzt sollte Sie bevorzugt behandeln?
Das werde ich Ihnen nicht verraten. (lacht) Sehen Sie, alle Ärztinnen und Ärzte dort sind hervorragend – und das gilt nicht nur für die Sachsenklinik, sondern auch für die weiteren Häuser unserer Serienwelt, also das Johannes-Thal-Klinikum und das Volkmann-Klinikum.

Danke und viel Spaß heute Abend mit Folge 900.

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