Sonntagsfragen

Carolin Kebekus: '«Alpha Pussy» ist auf der Bühne entstanden, zusammen mit dem Publikum'

von   |  3 Kommentare

Komikerin Carolin Kebekus über die Entstehungsgeschichte ihres aktuellen Comedyprogramms, peinliche Interviewfragen und die begrenzte Auswahl an guten Frauenrollen in deutschen Komödien.

Der rote Faden entsteht dann so nach und nach und ist mir für meine Programme eher nebensächlich – der feministische Gedanke war ja schon immer da und es mag sein, dass er immer stärker wird, aber das hat sich eigentlich unterbewusst entwickelt, weil es da so viel Gesprächsbedarf gibt.
Carolin Kebekus
Zum Einstieg eine generelle Frage: Wie sieht ihr Schreibprozess für Ihre Comedyprogramme aus? Steht eine thematische Klammer, ein roter Faden, und dies bedingt dann die Gags? Oder entwickeln Sie erst zuerst die Gags?
Es ist nicht so, als würde ich mich zuerst hinsetzen, mich entscheiden, ein Programm über IKEA zu schreiben, und vor diesem Hintergrund dann die Gags zu entwickeln . Es ist eher so, dass sich über die Zeit Themen ansammeln, von denen ich denke, dass ich dazu was machen sollte. Und es ist auch so, dass ich auf vergangene Programme zurückblicke, und denke: "Den Punkt hättest du noch weiter ausführen sollen." Das staut sich dann alles an, und irgendwann kommt der Moment, wo ich denke, dass ich genug Material habe, und versuche, das in Form zu bringen.

Dann gehe ich auf kleinen Bühnen auf Tour und teste meine Ideen, was manchmal dazu führen kann, dass ich in völlig entgeisterte, verwirrte Gesichert blicke. (lacht) Die Auftritte filme ich auch immer, um sie mir anzuschauen und zu beobachten, was funktioniert, was optimiert werden könnte und was so gar nicht ankommt. Das mache ich dann so lange, bis ich zufrieden bin. Der rote Faden entsteht dann so nach und nach und ist mir für meine Programme eher nebensächlich – der feministische Gedanke war ja schon immer da und es mag sein, dass er immer stärker wird, aber das hat sich eigentlich unterbewusst entwickelt, weil es da so viel Gesprächsbedarf gibt. Aber es wäre wohl nicht dazu gekommen, wenn es nicht so viel Anklang finden würde: «Alpha Pussy» ist auf der Bühne entstanden, zusammen mit dem Publikum.

Um bei dem Stichwort zu bleiben: «Alpha Pussy» wirkt auf mich so, als sei es in der Form, wie es auf DVD und ins Fernsehen kommt, brandaktuell, da Sie auch auf #MeToo und Harvey Weinstein zu sprechen kommen. Gab es eine Vorversion, die dann quasi tagesaktuell um diese Passagen ergänzt wurde?
Der Abschnitt über sexuelle Belästigung war von Anfang an drin, Anstoß war damals die Silvesternacht in Köln und die Debatte über "Nein heißt Nein". Da musste ich im Programm gar keinen Platz mehr schaffen, sondern konnte die Passagen noch nahtlos anfügen, als diese Schlagzeilen aufkamen. Ich würde nie für eine TV- oder DVD-Aufzeichnung eine all zu neue Version eines Programms aufführen. Wenn ich das Material in eine Form gebracht habe, die mir gefällt und von der ich das Gefühl habe, dass sie gut ankommt, trete ich damit erstmal noch zahlreiche Male auf, damit es dann für die Fernseh-/DVD-Aufzeichnung perfekt sitzt. Anders könnte ich mir das niemals vorstellen – man soll sich das Teil ja zuhause guten Gewissens mehrmals angucken können! (lacht)

Generell sind alle Fragen, die in die Richtung gehen, sehr anstrengend. Das wirkt dann immer so, als sei die Menschheit nicht fähig, kognitiv mehr als eine Komikerin zu verarbeiten. "Wenn man sich zwei lustige Frauen bewusst macht, wird das geistig und körperlich zu anstrengend …"
Carolin Kebekus
In «Alpha Pussy» gibt es ja eine sehr lustige Passage über die Interviewfrage "Wie ist das so, als Frau auf die Bühne zu gehen?". Kleiner Service für Sie: Welche weiteren Fragen, die Sie häufiger gestellt bekommen, sind ähnlich hirnrissig? Wenn Sie nun schön vom Leder ziehen, besteht ja eine gewisse Chance, dass Kollegen das lesen und sich solche Fragen künftig verbieten …
Schön ist auch "Warum gibt es so wenige lustige Frauen?" Was ich auch schon ein paar Mal hören musste: "Sie hatten ja auch Glück mit Ihrem Erfolg, weil Sie bei Ihrem Durchbruch die einzige Frau waren." Das ist immer als Kompliment gemeint, und das macht es noch peinlicher. Denn erstens bin ich bei weitem nicht die Einzige und zweitens ist das sehr unverschämt – deutet es doch an, ich könnte gar nichts und würde nur davon profitieren, dass alle anderen Frauen ebenso wenig drauf haben und es zu meinem Glück auch gar nicht erst versuchen. Generell sind alle Fragen, die in die Richtung gehen, sehr anstrengend. Das wirkt dann immer so, als sei die Menschheit nicht fähig, kognitiv mehr als eine Komikerin zu verarbeiten. "Wenn man sich zwei lustige Frauen bewusst macht, wird das geistig und körperlich zu anstrengend …"

Ein weiteres Presseurteil, auf das Sie neckend im Programm eingehen: "Sie gehen ja mittlerweile weniger unter die Gürtellinie". Um da anzuschließen: Ich will wirklich nicht zwanghaft die Labels "Kabarett" und "Stand-up" rausholen, aber da der deutsche Blätterwald das schon sehr gerne macht, ist mir durchaus ausgefallen, dass Sie, weil Ihre Programme ja auch sehr derb sind, durchweg als Komikerin bezeichnet werden, selbst wenn Sie eine klare Haltung verkörpern. Während ein Dieter Nuhr ähnlich derb sein kann, und wegen seiner Haltung als Mischung aus Kabarettist und Comedian tituliert wird …
Ach, mir ist das egal, welches Etikett man meiner Arbeit aufdrückt. Entscheidend ist ja, dass es dem Publikum gefällt. Ein schlechtes Programm bleibt schlecht, egal ob es nun "Kabarett" heißt, "Stand-up" oder irgendwas dazwischen. Generell würde ich mich aber nicht anmaßen, und behaupten, ich würde "politisches Kabarett" machen, da liegt mein Fokus definitiv nicht, selbst wenn ich durchaus in kabarettistischen Sendungen auftrete und das auch sehr genieße, wenn ich mal bei «Die Anstalt» dabei sein kann. Wie das nun in der Außenwirkung meine Arbeitsbezeichnung verändert, ist mir aber völlig egal …

Wie unterscheidet sich der Schreibprozess für die Bühne und für einen TV-Auftritt?
Der Unterschied liegt darin, dass für ein anderes Tempo geschrieben werden muss: Wenn ich im Fernsehen auftrete und da etwas aus «Alpha Pussy» aufführe, kann ich mir nicht einfach einen drei- bis fünfminütigen Ausschnitt aussuchen, sondern muss ihn umtexten. Da müssen in dem kurzen Zeitfenster mehrere große Gags kommen, und dann kommt die Herausforderung hinzu, dass dieser Programmausschnitt für sich stehen können muss. Wenn ich einen ganzen Abend mit einem Saalpublikum habe, kann ich ja einen viel größeren Kontext schaffen und viel ausführlicher auf Gags hinleiten beziehungsweise auf Sachen zurückkommen, die ich vielleicht vor einer Stunde gesagt habe. Das ist aber eine Herausforderung, die ich sehr gerne entgegennehme. Ich freue mich immer, wenn ich die Gelegenheit habe, unter dem Gesichtspunkt zurückgehen zu können und Passagen aus meinen Programmen fürs Fernsehen überarbeiten kann – mir macht sowas Spaß.

Es ist einfach so, dass es im deutschen Film, erst recht im deutschen Unterhaltungsfilm, kaum stark geschriebene Frauenrollen gibt. Entweder sind lustige Frauen in Komödienfilmen das naive Dummchen oder sie sind völlig aufgekratzt, weil sie unbedingt an einen Typen ran wollen. Oder sie sind lustig, klug und frech und müssen lernen, sich zurückzunehmen.
Carolin Kebekus
Kleiner Sprung zurück zu einem ein paar Monate zurückliegenden Projekt: Im «Schatz, nimm du sie!»-Presseheft erklärten Sie, dass es deshalb so lange bis zu Ihrer ersten Filmhauptrolle gedauert hat, weil die Rollenauswahl so schlecht ist. Hat sich das seither geändert?
Nein, leider nicht so wirklich. Ein interessantes Angebot ist mir zwar tatsächlich auf den Tisch gekommen, aber daraus wurde dann aus anderen Gründen doch nichts. Es ist einfach so, dass es im deutschen Film, erst recht im deutschen Unterhaltungsfilm, kaum stark geschriebene Frauenrollen gibt. Entweder sind lustige Frauen in Komödienfilmen das naive Dummchen oder sie sind völlig aufgekratzt, weil sie unbedingt an einen Typen ran wollen. Oder sie sind lustig, klug und frech und müssen lernen, sich zurückzunehmen.

Ich fürchte, das liegt leider daran, dass die meisten, die Filme machen, Männer sind und sich daher bei den guten Hauptfiguren erstmal von sich selbst inspirieren lassen. Das ist ja nicht schlimm, ärgerlich wird es dann, wenn sie davon nicht abweichen wollen. Ich habe einige Drehbücher mit einer tollen Hauptrolle gelesen, wo ich sagte: "Das ist doch eine gute Figur, und die könnte 1:1 auch eine Frau spielen", woraufhin man mir gesagt hat: "Was? Bist du verrückt? Das will doch keiner sehen. Wenn wir das für eine Frau umschreiben, müssen wir auch eine Romanze reinschreiben, das muss so."

Wie erklären Sie es sich, dass ausgerechnet die USA, die ich jetzt einfach Mal in vielen gesellschaftspolitischen Dingen als weniger fortschrittlich als uns einschätzen würde, uns da ein paar Schritte voraus sind? Da ist die Rollenwahl für Frauen in Comedyserien und -filmen zwar auch schwächer als für Männer, aber doch bereits deutlich besser als hier?
Ich könnte mir vorstellen, dass es daran liegt, dass in den USA die Stand-up-Kultur einen besseren Stellenwert hat und viel weiter zurückreicht. Dadurch, dass Stand-up dort eine andere Position hat, und Frauen mehr Zeit hatten, sich da einen Namen zu machen, ist es vielleicht auch leichter für sie geworden, gute, lustige Comedyrollen zu ergattern. Generell hoffe ich, dass es für Frauen leichter wird, gute Rollen zu bekommen, wenn auch mehr weitere Stellen in der Branche von Frauen besetzt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

«Alpha Pussy» ist ab sofort auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie am Samstag, den 13. Januar 2018, ab 22.30 Uhr bei RTL zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/98308
Finde ich...
super
schade
90 %
10 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelCBS-Line-Up: «Code Black» und «Elementary» vor dem Aus?nächster ArtikelErmittler in der Primetime – nicht kreativ, aber populär
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
12.01.2018 12:29 Uhr 1
Sorry, die Frau ist einfach nicht lustig und nur mir Schreien macht es das auch nicht besser. Das kann man keine Stunde aushalten, da platzt einem der Schädel.
Gnutzhasi
12.01.2018 16:41 Uhr 2
Polarisiert, ist aber Kult. Klar allerdings auch, jeder hat einen anderen Geschmack.
Burpie
12.01.2018 17:44 Uhr 3
Wir haben sie live in Essen erlebt. Ja, es war amüsant, aber... im Nachgang waren die Themen eigentlich überschaubar: Saufen, Furzen, Kotzen, Ficken, Pornos, Frauenprobleme und etwas Feminismus. Kaum ein Gag ist wirklich hängengeblieben...

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung