Sonntagsfragen

‚Die Quote ist nicht mehr der einzige Parameter“

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Mit «Blaumacher» wagt ZDFneo einen weiteren Vorstoß in den Bereich Drama-Serie. Das Format selbst will das Thema Midlife-Crises auf durchaus humoristische Weise beleuchten. Wieso Marc Ben Puch der perfekte Hauptakteur ist, ob es Vorbilder gab und was eigentlich wirklich der Sinn des Lebens ist, versuchen die Regisseure Pia Strietmann und Maurice Hübner zu beantworten.

Die Serie

Es ist Sommer in einem schicken Vorort. Mittvierziger Frank trifft auf seine 19-jährige Nachbarin Sascha. Beide sind mit ihrem Leben höchst unzufrieden und suchen nach Auswegen. Frank Sporbert ist verheiratet, Vater zweier Kinder und führt ein mittelständisches Familienunternehmen. Alles scheint perfekt, doch hinter der makellosen Fassade mit schickem Einfamilienhaus und teurem SUV gibt es Risse. Seine Frau Carmen betrügt ihn schon seit geraumer Zeit mit ihrem Fitnesstrainer und für seine pubertierenden Kinder Becky und Max ist er mehr Geldautomat als väterliche Autorität und Ratgeber. Selbst in seiner eigenen Firma scheint er überflüssig: Seine Mitarbeiter schließen große Geschäfte ohne ihn ab und merken nicht einmal, wenn er fehlt. Frank fühlt sich leer und perspektivlos. Er will ausbrechen, alles hinter sich lassen, selbst wenn die Lösung das Jagdgewehr im Keller sein könnte. In diesem Chaos, das er sein Leben nennt, steht plötzlich die Nachbarstochter Sascha Decker vor der Tür. Kaum halb so alt wie Frank, fühlt sie sich genauso leer und verloren.
(c) ZDFneo-Pressetext
Rascher Einstieg in das Interview zur neuen Serie «Blaumacher»: Was ist der Sinn des Lebens, Frau Strietmann?
Pia Strietmann:
Der Sinn des Lebens? Tja… Also wenn wir uns die beiden Hauptfiguren anschauen, dann sind beide auf der Suche danach. Sascha, ein junges Mädchen, das kurz nach einem heftigen Schicksalsschlag auf der Suche nach sich und dem Sinn des Lebens ist und Frank, ein Mann in der Midlife Crisis, der eigentlich alles hat, aber dem dennoch der Sinn von Allem zu fehlen scheint.

Maurice Hübner: Ich glaube, dass die Frage grundsätzlich nicht zu beantworten ist. Doch sucht jeder auf seine Weise selbst danach, so wie alle Figuren in unserer Serie. Sie glauben den Sinn einmal gekannt zu haben, müssen ihn jedoch jetzt neu hinterfragen.

Marc Ben Puch, ganz früher in der Action-Serie «GSG9» zu sehen, zuletzt auch als Wärter in «Block B» ist der Hauptdarsteller. Wieso fiel die Wahl auf ihn?
Strietmann:
Mir gefällt an ihm, dass er kein so festgelegter Typ ist. Marc Ben Puch ist wandelbar – bei ihm gibt es in seinem Spiel noch so viel zu entdecken. Er ist ein großes schauspielerisches Talent. Mir gefielen die kleine Nuancen, die er ganz fein spielen konnte.

Hübner: Marc Ben Puch hat in seinem Spiel ein wunderbares Timing, was unter anderem für die Komödie in unserem Drama sehr wichtig war. Er ist auch besonders in Bezug auf die Rolle eines Mannes in der Midlife-Crisis eine sehr interessante Besetzung, weil zwei Seiten durch ihn spürbar werden: etwas jung gebliebenes, frisches und dabei trotzdem eine Reife und ein gelebtes Leben.

Er spielt darin einen Ehemann, dessen Frau mit dem Fitness-Trainer fremdgeht, bei dem es im Job eher mittel läuft und der dann auf eine junge Frau trifft und mit der einfach mal auf Tour geht. Das klingt schon ein Stück nach Klischee?
Hübner:
Es ging uns durchaus darum, mit gängigen Klischees auch zu spielen. Wir erzählen aber nicht die ganz klassische Geschichte einer Midlife-Crisis, weil wir durch die Verbindung zur 19-jährigen Sascha die Thematik auf eine universellere Ebene heben. Insgesamt begegnen uns auf der Reise viele Fragen über das Leben – und wir wollen damit spielen, unter anderem auch, in dem wir mal total zuspitzen und überdrehen.

Strietmann: Letztlich ist es aber ein Mix. An manchen Stellen war es wichtig mit sehr viel Feingefühl, authentisch und echt zu inszenieren. Die Bücher von Bernd Lange, Sebastian Heeg und Valentina Brüning boten eine tolle Vorlage. In der Umsetzung konnten wir dann daran arbeiten, an den geeigneten Stellen auch den Witz und das Absurde ihrer Figuren und Konflikte visuell noch hervorzuheben.

Sie erzählen eine Geschichte von Freiheit. Kann man das so sagen?
Strietmann:
Man kann sagen, dass es in der Ehe von Carmen und Frank durchaus um das Fehlen von Freiheiten ging. Zuerst nahm Carmen sich einfach ihre kleinen Freiheiten, dann hat sich Frank die große Frage gestellt, was bei ihm schief gelaufen ist, dass er sich so festgefahren und fremdgesteuert fühlt. Quasi sich völlig frei mal die Frage nach dem Sinn des Ganzen gestellt.

Hübner: Es geht ja in aller erster Linie erst einmal darum, das Leben wieder eigenständig zu gestalten. Anfangs sind die Figuren sehr eingerichtet und einem Konstrukt hingegeben, für das sie sich einst entschieden haben. Was passiert aber, wenn man die Notbremse zieht, alles anhält und sich fragt: Was will ich eigentlich wirklich?

Strietmann: Quasi eine Status-Quo-Abfrage zur Halbzeit. Das Ergebnis dann zu bewältigen ist für Frank eine große Aufgabe.

Wir haben viele visuelle Ideen erst einmal frei und kreativ denkend so hinformuliert. Wir dachten manchmal, dass wir damit dann zu weit weg sind vom Text – und wollten uns das aber trauen. Letztlich haben wir uns beide glaube ich sehr wohl gefühlt, dass wir das umsetzen konnten, was wir wollten.
Pia Strietmann, Regisseurin von «Blaumacher»
Thema Freiheit: Wie viel davon hatten Sie bei der Umsetzung? Weil so mancher Serienmacher ist ja auch an ein Konstrukt gebunden…
Strietmann:
Große Freiheiten. Wir haben viele visuelle Ideen erst einmal frei und kreativ denkend so hinformuliert. Wir dachten manchmal, dass wir damit dann zu weit weg sind vom Text – und wollten uns das aber trauen. Letztlich haben wir uns beide glaube ich sehr wohl gefühlt, dass wir das umsetzen konnten, was wir wollten. Natürlich mussten wir uns bei Allem immer in einem gesetzten finanziellen Rahmen bewegen. Das ist ja aber immer so. Gerade dadurch ist aber so manche schräge und sicher unkonventionelle Idee entstanden.

Hübner: Von ZDFneo ist es ja ohnehin gewünscht, dass die Kreativen aus ihren Serien etwas Eigenes machen. Der Sender hat uns dafür jeden Weg freigeräumt und wir haben ein großes Vertrauen in unsere Arbeit verspürt.

Strietmann: Vertrauen ist da wirklich das richtige Wort und das ist letztlich für uns als Kreative das Bedeutendste.

Wir sprechen momentan von einer neuen deutschen Serien-Ära, begünstigt durch Bestellungen von Streaming-Diensten, von vielen Projekten des ZDF, aber auch von RTL. Was gucken Sie und was konnten Sie auch für Ihre Serie mitnehmen?
Strietmann:
Das ist schwierig. Wir haben «Blaumacher» ja vor einem Jahr schon gedreht, da gab es diese aktuelle Welle noch gar nicht. Ich erinnere mich noch, dass wir damals «Tempel» geschaut haben, was ja die erste, selbstproduzierte Drama-Serie von ZDFneo war. Das war zwar ein ganz anderes Genre, war aber ähnlich wie unser Format sehr innovativ. Ich mag auch «Eichwald, MdB» ziemlich gerne oder «Komm schon». All das zeigt, wie viel Spaß ZDFneo an durchaus ungewöhnlichen Formaten hat. Momentan schaue ich natürlich auch «4 Blocks» - auch nicht das Genre von Blaumacher, und toll.

Aber die ganze Entwicklung macht Ihnen doch sicher Mut.
Strietmann:
Absolut. Die Entwicklung ist auch ermunternd. Ich erinnere mich noch an VOX, «Club der roten Bänder». Auch eine wundervoll innovative Serie, bei der die Macher sich etwas trauten und damit für große Emotionen sorgten.

Vor drei oder fünf Jahren hätte ich jetzt gefragt, ob Sie nervös sind, wenn am Morgen nach der Premiere die Quoten auf Ihren Tisch flattern und Quotenmeter.de darüber berichtet. Heute muss man fragen: Wie wichtig sind die Quoten bei Serien noch, weil sie ja nicht enthalten, wie oft ein Format in Mediatheken geschaut wird und welcher Buzz sich auf Twitter entwickelt.
Hübner:
Die Sender fangen sicherlich an, anders damit umzugehen. Die Quote ist nicht mehr der einzige Parameter. Abrufzahlen in den Mediatheken spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Es wird bald vielmehr um ein Gesamtfeedback gehen. Wie viele Leute interessieren sich für ein Format? Wie stark wird darüber geredet? Es geht um Reaktionen, Kommentare und auch das Echo in den sozialen und konventionellen Medien. Der Erfolg ist also nicht mehr nur mit einer guten Quote gleichzusetzen, sondern auch mit einer Gesamtresonanz.

Danke für das Interview.

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