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Phänomen «Bares für Rares»: Schatzsuche im eigenen Keller

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Die Trödelshow «Bares für Rares» streicht im ZDF-Nachmittagsprogramm beachtliche Erfolge ein. Liegt der Sendung etwa eine Erfolgsformel zugrunde?

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Routine und Wiederholungen mit seltenen Überraschungen


Generell zeichnet sich das Konzept von «Bares für Rares» durch Wiederholungen aus: Immer wieder stellen die Kandidaten eine vermeintlich wertvolle Rarität vor, welche sie auf irgendeinem Flohmarkt aufgegabelt, bei einer Auktion ersteigert oder von einem Familienmitglied geerbt haben. Das kann eine kleine Schneckenpost-Figur aus Porzellan sein, die mehrere Generationen durchlaufen hat, das kann der Familienschmuck sein, oder auch mal ein Gemälde, das von den Vorfahren etwas wertvoller geschätzt wurde, als es tatsächlich ist. Diese werden von den drei Experten Dr. Heide Rezepa-Zabel, Albert Maier und Oliver Kircher im Wechselspiel eingeschätzt. Etwas holprig versuchen die dramatische Musikuntermalung und der Sprecher, Spannung zu erzeugen, bevor die Experten ihr abschließendes Urteil und ihre Wertschätzung abgeben können.

Danach geht es für die Kandidaten in den Händlerraum. Dort sind die Figuren wesentlich bunter: Hier finden sich die elegante Antiquitätenhändlerin Susanne Steiger, der großväterliche Friedrich Häusser, der adrett in Hemd und Krawatte gekleidete Wolfgang Pauritsch, der langhaarige, gepiercte, hagere und große Paradiesvogel Fabian Kahl und der mit starken bayrischen Dialekt verhandelnde Ludwig Hofmaier, der wie ein sympathischer Gartenzwerg in bunten Hemden gekleidet schon mal leidenschaftlich für die Schönheit eines Bildmotives einsteht. Hier werden die potentiellen Schätze noch einmal von den Händlern eingeordnet, gelegentlich überbietet man sich gegenseitig, bis der Kandidat mit dem Preis zufrieden ist. Manchmal gehen die Kandidaten auch wieder unzufrieden mit ihrer Ware nach Hause. Ab und an präsentiert sich die ein oder andere Überraschung: Etwa eine süße, alte Dame, die zuvor angibt, keinerlei Verhandlungsgeschick zu besitzen, aber den Preis für ihr Verkaufsstück nur mit einem schweigendem Lächeln und der ein oder anderen Stichelei gegen einen der Händler in die Höhe treibt. Oder ein schüchterner Teenager, der den geerbten Ring seiner Großmutter versetzen möchte, weil er noch keinen Gedanken an zukünftige, potentiell-romantische Gesten gegenüber einer eventuellen Freundin verschwendet, sondern lieber für seinen Führerschein spart. Schüchtern mag er zwar sein, einschüchtern lässt er sich von den abgebrühten Verkäufern jedoch nicht. Auch wenn sie ihm noch so sehr versichern, dass er für den Ring keinen besseren Preis erhalten wird, bleibt der pickelige Teenager ein harter Verhandlungspartner und nimmt das gute Stück wieder mit nach Hause.

Schatzsuchende Kinder in erwachsenen Körpern


Das sind natürlich nur kleine, nette Anomalien, die aus der zeitweise einschläfernden Routine ausscheren. Denn insgesamt durchlaufen pro Sendung sechs Kandidaten dieses Prozedere bestehend aus Einschätzung und anschließender Verhandlung. Da ist man als Zuschauer zum Ende hin für Momente dankbar, die sich zu Augenblicke ehrlicher und absurder Komik hochschaukeln: Wenn ein Produkt einer längst vergangenen Staubfänger-Ära namens „Teppich-Dackel“ angeschleppt und vom Experten auf 0 bis 10 Euro geschätzt wird, müssen sowohl Moderator, Kunstexperte als auch der Kandidat, der das Gerät her kutschiert hat, ausgelassen und herzhaft darüber lachen.

Erklären lässt sich der Erfolg des Formats dadurch nicht. «Bares für Rares» hält höchstens als Fernsehritual her, das man im Hintergrund laufen lassen kann, und welches gelegentlich mit ein bisschen Kunst- und Industriegeschichte verziert wird. Wahrscheinlich macht die Kombination all dieser Faktoren den Reiz der Sendung aus: Das routinemäßige, selten oder nur verhalten Abwechslung bietende Gesamtkonzept, der gelegentlich übertrieben-charmante bis aufdringliche Moderator, die leichten Zankereien im Händlerraum und die Kandidaten, in denen hin und wieder mehr Verhandlungsgeschick zu stecken scheint, als sie sich selbst zugetraut haben. Vielleicht lässt «Bares für Rares» auch einfach nur in einer sehr moderaten und gelegentlich einschläfernden Art und Weise den Kindheitstraum einer abenteuerlichen Schatzsuche wieder auferstehen. Denn wer hat als Kind beim unerlaubten Umgraben des Vorgartens nicht davon geträumt, eine alte Speerspitze oder einen verborgenen Goldschatz zu finden oder beim Versteckspielen im Keller auf eine verschollene Schatzkarte zu stoßen?

Rein am Gewinn kann es nicht liegen. Zu selten springen mehr als nur ein paar hundert Euro bei den Verhandlungen für die Kandidaten heraus. Auch deren Wünsche sind recht bescheiden: Eine kleine Reise hier und ein bisschen Geld, das man anlegen kann, dort. Erwachsene Kinder findet man in in der Sendung dagegen auf jeden Fall: Wenn der 70jährige IT-Manager Klaus, der ein altes Roulette-Spiel verkaufen möchte, von seinen mit Verbrennungsmotor betriebenen Modell-Rennautos erzählt, leuchten nicht nur seine Augen auf, sondern auch die von Moderator Horst Lichter und Kunstexperte Oliver Kircher. Letztendlich bleiben wir wahrscheinlich alle, egal wir alt wir sind, im Herzen eben doch nur kleine Schatzsucher und Spielkinder.

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