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Einmal süß, einmal sauer: Die Hoeneß-Wochen beginnen

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Sowohl Sat.1 als auch das ZDF erzählen im TV die Geschichte eines Fußballmanagers, der wegen Steuervergehen vor Gericht steht. Uwe Ochsenknecht und Thomas Thieme spielen jeweils Hoeneß/Honig. Dennoch haben beide Filme eine vollkommen unterschiedliche Herangehensweise.

Es gibt den berühmten Auftritt im Gerichtssaal mit den Anwälten, ein Bonbon lutschend, sein Blick zwischen selbstbewusst und unsicher, aber viel anderes Material, das ich dazu hätte sichten können, gibt es tatsächlich nicht. Da musste ich mich auf die Berichte der Prozessbeobachter verlassen. Und das ist ja auch das besondere an unserer Produktion: Das Brisante an unserer filmischen Arbeit ist die Tatsache, dass wir mit dem Dokudrama als Erste versucht haben, zu zeigen, was im Gericht tatsächlich passiert ist. Der Film haucht der Szenerie, die wir alle wegen des Kameraverbots im Gerichtssaal nur aus den Berichten der Journalisten kennen, Leben ein.
Schauspieler Thomas Thieme, der "ZDF-Hoeness"
Zwei Sender, eine Idee und dennoch zwei sehr unterschiedliche Stoffe. Es sind Uli-Hoeneß-Festwochen im deutschen Fernsehen. Der Fall des ehemaligen Präsidenten des größten Fußballclubs des Landes, des FC Bayern München, wird in den kommenden Tagen gleich zwei Mal erzählt. Einmal im Zweiten Deutschen Fernsehen, als Dokudrama mit Thomas Thieme als Uli Hoeneß. In dem Film, der am Donnerstag im TV zu sehen sein wird, kommen auch zahlreiche Weggefährten und Bekannte des Fußballmanagers zu Wort – darunter Kommentator Manni Breuckmann, Sportreporter Philipp Köster, Ex-Manager Reiner Calmund oder Ex-St.Pauli-Präsident Conny Littmann. Einen anderen Weg geht dabei Sat.1: Der Privatsender hat die Geschichte als Satire verfilmt und Uwe Ochsenknecht als «Udo Honig» besetzt. Der Film läuft am 8. September um 20:15 Uhr.

Thieme und Ochsenknecht schlüpfen also in die Figur, die im Fußballjahr 2013/2014 wohl am meisten Schlagzeilen außerhalb des grünen Rasens gemacht hat. Und beide haben sich akribisch auf die Rolle vorbereitet, wie sie erzählen. Thieme habe sich beispielsweise mit Hoeneß-Freund Günter Netzer getroffen. „Dann habe ich viel gelesen und mir so manchen Hoeneß-Auftritt noch einmal angeschaut. Zum Beispiel der berühmte Auftritt in der Hauptversammlung des FC Bayern München, als er puterrot im Gesicht im Kampfmodus agierte oder sein Besuch im «Aktuellen Sportstudio» im Rahmen der Auseinandersetzung mit Daum. Besonders interessant und anrührend fand ich Hoeneß Äußerungen zur Verurteilung des 22-jährigen Ex-Bayern-Stars Breno. Er empfand offensichtlich reine Empathie für den jungen Spieler, der als Brandstifter verurteilt wurde, und hat die soziale Härte des Gerichtsurteils öffentlich heftig kritisiert“, berichtet der Schauspieler, dem auch die Auftritte des Ex-Fußball-Managers im Gerichtssaal in Erinnerung geblieben sind.

Bei einer Satire, siehe «Schtonk», kann man auch fiktive Situationen annehmen. Man
kann spekulativer an die Geschichte rangehen und sich dadurch auch ein bisschen mehr aus dem Fenster lehnen.
Uwe Ochsenknecht über die Vorteile einer TV-Satire
Auch Ochsenknecht hat vor den Dreharbeiten zahlreiche Aufnahmen studiert und etliche Biografien gelesen. „Den Dialekt, der übrigens nicht einfach ist, habe ich mir von einer CD angeeignet, wo jemand meinen Text mit dem entsprechenden Slang eingesprochen hatte“, erzählt er. Während im ZDF eine „seriöse Darstellung, jenseits vom Stammtisch“ gewünscht ist, geht Sat.1 mit seiner Produktion einen bunteren Weg, den Sat.1-Fictionchef Jochen Ketschau aber für sehr gangbar hält. „Uli Hoeneß, an dessen Fall unsere Satire «Die Udo Honig Story» angelehnt ist, ist zweifelsohne eine bewundernswerte Person, die in vielen Bereichen enorme Erfolge feiern konnte und dennoch eine Seite hatte, von der viele nichts ahnten.“ Es sei gerade die Fallhöhe, die so viel satirischen Spielraum lasse, erklärte der Fernsehmacher.

„Wir setzen an dem Zeitpunkt an, an dem Honig ins Gefängnis geht und bewegen und erzählen ab da eine fiktionale Geschichte. Keiner weiß, was hinter den Gefängnismauern ablief, aber wir haben uns ein plausibles Szenario überlegt und dieses dann für die Satire stark überzeichnet“, erzählt Ketschau. Der Sat.1-Film beleuchtet nämlich eher das Wirken der Honig heißenden Figur in seiner neuen Bleibe, der JVA in Bergland. Der Name ist angelehnt an die JVA in Landsberg, wo Hoeneß eigentlich einsaß. Honig stößt auf Freunde und Widersacher unter den Mithäftlingen, konzentriert sich im Alltag hinter Gittern aber auf das, was er kann: Er bringt die JVA wirtschaftlich auf Vordermann. Eine Psychologin aber zwingt ihn auch, sich mit seiner Spielsucht auseinander zu setzen. Dieser Teil des Films sei laut Hauptdarsteller Ochsenknecht sehr wichtig. „Einerseits rügt er andere, die sich aus Honigs Sicht falsch verhalten, aber selbst kommt er auch mit dem Gesetz in Konflikt.“

Nur wenige Prozessbeobachter wissen, wie sich der Angeklagte im Saal verhalten hat, als die Türen für Kameras verschlossen wurden. Was genau ist in diesen vier Tagen im Saal 134 passiert? Das Dokudrama gibt Antworten. Anhand wörtlicher Gerichtsprotokolle, die der Produktion exklusiv zur Verfügung stehen, zeichnet Regisseur Christian Twente die vier aufreibenden Gerichtstage szenisch nach. Zum ersten Mal haben TV-Zuschauer Gelegenheit zu sehen und mitzuerleben, wie dramatisch diese Tage verliefen und was zwischen dem Angeklagten – in den Inszenierungen brillant dargestellt durch den Schauspieler Thomas Thieme –, seiner Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und dem Vorsitzenden Richter passierte und wie am Ende das Urteil von drei Jahren und sechs Monaten Haft zustande kam.
Walid Nakschbandi, Produzent der AVE
Das ZDF hingegen besinnt sich auf die eigentlichen Fakten; zeigt aber auch Dinge, die bisher nicht in Bild festgehalten werden konnten – beispielsweise eine Hausdurchsuchung im März 2013 bei Hoeneß oder Geschehnisse während des Prozesses, als Kameras im Verhandlungssaal nicht zugelassen waren. „Wir meinen, dass dieser Ansatz dem Thema am ehesten gerecht wird, weil er den Casus und den Menschen Uli Hoeneß mit belegbaren Fakten und den rekonstruierten Schlüsselmomenten aus seinem Leben zu fassen vermag. Unser Wunsch nach Analyse und Autorität spiegelt sich schon in der Wahl der Autoren. Das Buch schrieben renommierte Journalisten, Biografen und andere kundige Beobachter. Wir freuen uns, dass wir die erfahrene Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger und den Hoeneß-Biografen Juan Moreno für unser Projekt gewinnen konnten“, berichten die beim ZDF zuständigen Redakteure Peter Arens und Stefan Brauburger.

„Das Brisante an unserer filmischen Arbeit ist die Tatsache, dass wir mit dem Dokudrama als Erste versucht haben, zu zeigen, was im Gericht tatsächlich passiert ist. Der Film haucht der Szenerie, die wir alle wegen des Kameraverbots im Gerichtssaal nur aus den Berichten der Journalisten kennen, Leben ein. Das Tollste ist jedoch, dass in dem Film jetzt etwas zutage kommt, das bisher niemand gezeigt hat. Darzustellen, was in Hoeneß vorging während des Prozesses, das war die Herausforderung, die mich gereizt hat“, erzählt Thomas Thieme, der den ZDF-Uli spielt. Hinter den Kulissen ist «Der Patriarch» gegen «Udo Honig» eine Art David gegen Goliath. Das ZDF hat die AVE in Unterföhring mit der Herstellung beauftragt; jenes Unternehmen also, das bisher mit Vorliebe mit Guido Knopp zusammenarbeitete und die Talkformate wie «2 + Leif» oder «Grüner Salon» auf den Briefkopf drucken kann. Hinter dem Sat.1-Film steht die große UFA Fiction mit dem namhaften Produzenten Joachim Kosack, einst selbst Fiction-Chef des Bällchensenders.

Auch in Sachen Besetzung geht der Punktsieg wohl an den Sat.1-Film, spielen doch neben Uwe Ochsenknecht auch Hochkaräter wie Max von Thun, Gisela Schneeberger, Hannes Jaenicke, Wolfgang Fierek oder Götz Otto mit. Ochsenkneckt-Sprössling Wilson Gonzalez taucht zudem als junger Uli Hoeneß auf. Das ZDF hat mit Robert Stadlober und Lisa Kreuzer gearbeitet, als Richter ist Uwe Preuss zu sehen. „Große Vorbilder verlangen große Schauspieler und es war unser Ziel, jede Rolle optimal zu besetzen. Natürlich sollen unsere Hauptfiguren in Maske, in der Mimik und Gestik und im Sprechen einen Wiedererkennungswert haben. Wir sind überzeugt, dass uns dies mit diesem hochkarätigen Cast ausgesprochen gut gelungen ist“, erklärte Sat.1-Fictionchef Ketschau.

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