Die Kritiker

'Wo sind eigentlich die Tattoos?'

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Mit «Berlin Models» kommt von filmpool, den «BTN»-Machern, eine ruhigere und erwachsene Soap aus der Modelwelt. Die Annäherung so genannter authentischer Formate an klassische Daily Soaps ist spannend, muss aber nicht zwingend funktionieren.

Grundlegendes mal vorweg – die für die neue RTL-Daily «Berlin Models» gewählte Ausgangssituation lässt sich nämlich recht einfach darlegen. Man nehme Berlins größte Modelagentur, die dem TV-Format zugleich auch seinen Namen gibt und lässt diese ihr zehntes Jubiläum feiern. Deshalb tummeln sich auch alle wichtigen Gesichter, Models, Booker und dergleichen in der Agentur. Und deshalb wird auch ein Casting für neue Gesichter und Mädels veranstaltet, auf das sich eine Freundin der künftigen Hauptfigur Mila bewirbt. Dass die beiden vom Land kommen, wird nicht nur aus den Erzählungen der beiden deutlich, sondern weil die von Alica Büchel gespielte Figur in Latzhose durch die Bundeshauptstadt rennen muss.

Dort trifft sie auf das hübsche und begehrte Model Marc Eggers. Marc war früher ein Kumpel ihres Bruders – bis es ihn nach Berlin verschlagen hat. Mila ist seitdem verknallt in ihn. Aktuell hat Marc eine Freundin, die aufgrund ihres Ehrgeizes, Marc ganz nach oben zu bringen, zunächst als recht klassische Antagonistin auftritt. Somit beinhaltet «Berlin Models», anders als zu andere filmpool-Soaps – zu Beginn gleich etliche der üblichen Telenovela-Rezepturen auf einmal.

Die Unterscheidung zu «Berlin – Tag & Nacht», das im Vergleich zum RTL-Neustart vielleicht hipper, in jedem Fall aber viel lauter und aggressiver daher kommt, ist auch der Produktionsfirma wichtig. Pressesprecher Felix Wesseler unterstrich im Gespräch mit Quotenmeter.de den Charakter der Fashion-Soap. „Wir drehen fiktionaler, haben einen recht glamourösen Look, verlieren dabei aber, wie gewohnt von filmpool, nie das Gefühl der Authentizität. Wir arbeiten mit echten Models und Stylisten, Bookern, Laiendarstellern und Schauspielern“, erklärt er. Und in der Tat ist der Aufwand für die halbstündige Serie enorm und der Output hochwertiger als bei vergleichbaren Formaten.

Man kann Darstellern wie Julian F.M. Stoeckel als geheimnisvoller Agentur-Bösewicht oder Olivia Augustinski (spielt die Chefin) gegenüberstehen, wie man möchte. Sie lassen mit ihren Figuren die Grenzen zwischen Laiendarstellern und professionellem Schauspiel gekonnt verwischen. Auch mit der Besetzung von Model Marc und Landei Mila hat filmpool einen guten Griff gelandet.

Anders als bei «BTN» oder «Köln 50667» wird mit mehreren Kameras gedreht, der Look gleicht sich eher an «Unter Uns» an als an die Krawall-Soaps von RTL II. Das soll wohl auch dazu führen, dass die Zuschauerschaft von «Berlin Models» etwas älter sein soll als bei den schon bestehenden filmpool-Soaps. Exakt dieser Versuch scheiterte Amfang 2013 in Sat.1, als man es mit «Patchwork Family» ebenfalls etwas ruhiger angehen wollte. Damit das Risiko für einen Flop möglichst minimiert wird, ließen sich Sender und RTL für den Neustart viel Zeit. Mehr als eineinhalb Jahre vergingen bei der Planung, aus einer Weekly wurde eine Daily.

„Die Entwicklungszeit war vergleichsweise lang. Hintergrund dessen war, dass wir diese Zeit brauchten, um die Fashionszene, die Modewelt für uns zu „knacken“, wie wir sagen, sprich: sie so zu durchdringen und zu verstehen, dass wir sie authentisch erzählen können, was ja unser USP ist. Die Gefahr, bei diesem Thema in der Darstellung manieriert zu werden, war groß“, bestätigt auch der filmpool-Sprecher. Gemeinsam habe man sich herangetastet und eingefühlt, berichtet er. Mit dem Mode nämlich hatte RTL bis dato recht wenig am Hut. Klassische Modeshows sind bisher Heimat von ProSieben gewesen («Fashion Hero», «Topmodel»), im klassischen Daily-Bereich feierte Sat.1 damit Erfolge, denkt man etwa an den Hit «Verliebt in Berlin». Und so fühlt sich das neue filmpool-Format bei RTL zunächst irgendwie fremd an.

Vielleicht auch deshalb bremst Felix Wesseler schon einmal die Erwartungen für den Start des neuen 17.00-Uhr-Formats: „Wir hoffen, die gesamte RTL-Zielgruppe begeistern zu können. Unter anderem möchte ich da die Geschichten rund um die 49-jährige Agenturchefin Liz (Olivia Augustinski) nennen, die sicherlich das Potential haben, das Publikum über 30 anzusprechen. Grundsätzlich ist es immer ein Wagnis für einen Sender, eine neue Daily-Soap zu starten, denn keine Soap (mit Ausnahme von «Köln 50667», was aber ein Spin-off ist) war je gleich auf Flughöhe, sondern braucht sicherlich mehr Zeit als andere Formate, um dann aber ein umso loyaleres Publikum zu gewinnen.“ In diesem Punkt, sagt er mit einem Augenzwinkern, würden sich seine Soaps nicht von denen der Konkurrenz unterscheiden.

Die Frage nach dem exakten USP stellt sich beim Betrachten des Formats schon. Die Serie ist weniger spitz aufgestellt als «Berlin – Tag & Nacht», das bald dreieinhalb Jahre On Air ist. Sie tut somit auch weniger weh und wird sicherlich nicht in dieser Form polarisieren. Die erste Folge kommt eher wie eine Art Road-Movie daher, begleitet die beiden Mädels auf ihrem Trip durch Berlin und auf eine glamouröse Party. Alle Ereignisse passieren – wie auch bei den RTL II-Formaten – an einem Tag. Erst in den Folgen darauf soll es etwas ruhiger und heimeliger werden. Etwa, wenn Mila sich entscheidet in Berlin zu bleiben und eine WG bezieht. Die privaten Rückzugsräume fehlen in der Auftaktepisode gänzlich; was schon einen Fingerzeig darauf gibt, dass der Fokus der RTL-Soap deutlich mehr in der Geschäftswelt liegen wird, während RTL IIs Chaos-Clique sich hauptsächlich über Fun abseits des Berufs definiert. Ganz ohne Privates kommt aber auch das RTL-Format nicht aus, wie sich schon in Folge zwei zeigt, als Olivia Stress mit ihrer renitenten Tochter bekommt.

„Faszinierend für uns sind die Träume, die unsere Protagonisten mit dieser facettenreichen Welt verbinden, ihre Sehnsüchte, aber genauso auch die Realität, auf die diese Träume manchmal treffen. Die strahlende Welt, aber genauso ihre Schattenseiten – was passiert, wenn die Lichter der Catwalks ausgehen? Man wird bezahlt, um gut auszusehen, aber natürlich gibt es ein Leben dahinter“, erklärt der filmpool-Sprecher die Grundidee hinter «Berlin Models». „Hinzu kommen unsere Darsteller, die wir durchweg spannend finden und die teilweise auch aus dieser Welt kommen, etwa Marc Eggers, der ein erfolgreiches Male Model ist. Nicht zuletzt sind reale Events wie etwa die Fashion Week bereits beim Dreh beeindruckend. Diese Mischung macht «Berlin Models» besonders und natürlich hoffen wir, dass der Zuschauer das auch so sieht.“

Bei den Darstellern, und das ist für eine filmpool-Produktion wahrlich ungewohnt und wohtuend zugleich, haben die Caster auf großflächig tätowierte Darsteller verzichtet – oder verzichten müssen. Man möchte fast sagen, dass es sich – Gott sei Dank – nicht ziemt, sich in der Modeszene derart zu verzieren. Wie immer hätten die Besetzer nach spannenden Typen gesucht, erklärt Wesseler. „Bei den 25-34 Jährigen ist mittlerweile jeder vierte Deutsche tätowiert. Wir sprechen also über ein Massenphänomen, das in allen Gesellschaftsschichten zu finden ist. Wenn die guten Typen tätowiert sind, ist das genauso in Ordnung für uns, wie wenn sie eben keine Tattoos haben. Auch bei «Berlin Models» ist das so, wobei Sie mit Ihrer Beobachtung insofern recht haben, als dass bei den echten Models großflächige Tattoos tatsächlich einfach eher selten sind.“ Von einem Verzicht könne also keine Rede sein, sondern vielmehr davon, dass die gefundenen Darsteller authentisch seien für die Welt, in der die neue Daily spielt.

Am Ende der ersten Folge wird sich der Zuschauer mit einer vergleichsweise typischen Soap-Geschichte konfrontiert sehen, mit bekannter Darstellungsweise. «Berlin Models» ist also kein Experiment, das neues versucht. Es stellt vielmehr die Frage, ob das deutsche Publikum nach dem Ende von «Wege zum Glück», «Anna und die Liebe» und dem nahenden Aus der «Verbotenen Liebe» bereit ist für eine neue tägliche Serie, egal wie die Hersteller die Machart nun nennen.

RTL zeigt «Berlin Models» ab Montag, 17. November 2014, jeweils um 17 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/74423
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