360 Grad

If you prick us, do we not bleed?

von

Die afrodeutsche Filmemacherin Mo Asumang begegnet in ihrer Dokumentation «Die Arier» Rassisten mit Freundlichkeit und offenem Herzen. Es entstand ein sehr intensiver, sehenswerter Film.

Wenn man Neonazi-Aufmärsche sieht, muss man sich auch als halbwegs gesitteter Demokrat zusammennehmen. Der Hass, die Dummheit, die Verblendung, die so ein glatzköpfiger springerbestiefelter Pulk ausströmt, der Modergeruch des Faschismus, der ihre hirnverbrannten Parolen durchweht, die Bitterboshaftigkeit ihrer Menschenverachtung – das kann auch vergleichsweise pazifistisch gesinnte Zeitgenossen etwas aggressiv stimmen.

Umso erstaunlicher, dass es Leute gibt, die dem rechtsextremen Rand mit Offenheit und gar ehrlichem Interesse begegnen können, obwohl sie selbst in deren Schussfeld stehen. Leute wie die afrodeutsche Filmemacherin Mo Asumang zum Beispiel, die in der Vergangenheit schon Morddrohungen von White-Power-Gruppen erhalten hat.

Für ihre Dokumentation «Die Arier», die arte am vergangenen Dienstagabend zeigte und die das ZDF am späten Montagabend wiederholen wird, hat sie sich etwa zum Burschenschafter Tag auf die Wartburg aufgemacht, wo sie allerhand dubiose Leute mit xenophobem Gedankengut ausmachen und feststellen musste, dass sich Rassismus allenfalls bedingt mit Bildung überwinden lässt. Sie ging zu Neonazi-Aufmärschen, wollte dort mit den Demonstranten sprechen – und es schien sie nicht einmal eine sonderlich große Überwindung gekostet zu haben, auch dort freundlich, höflich und offen zu bleiben. Ihr Weg führte sie in „national befreite Zonen“, jene abgewirtschafteten, vom Mainstream politisch quasi aufgegebenen Regionen im Osten Deutschlands, in denen der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund nahe bei Null liegt und rechtsextreme Gruppierungen die Einwohner schon so eingeschüchtert haben, dass die sich vor der Kamera bestenfalls kurz angebunden äußern.

Und obwohl Asumang selbst bei den widerwärtigsten Anfeindungen nicht die Contenance verliert, tut sie gleichsam etwas hoch Konfrontatives: Sie wird sichtbar als schwarze Deutsche in einem Umfeld, das dem bloßen Konzept einer „schwarzen Deutschen“ feindlich gegenübersteht, in Gegenden, in denen demokratische Werte nahe am Kollaps oder schon passé sind. Asumangs Provokation für all die neonazistischen Rechten liegt nicht in ihrer Persönlichkeit, sondern in ihrer bloßen Existenz – und Asumang macht diesen verachtenswerten Zustand gerade durch ihr freundliches, herzliches Verhalten erschütternd transparent.

Der rechtsradikale Mob, ob bei der Straßendemo des Fußvolks der NPD oder adrett zurechtgemacht beim Wartburger Traditionsporno der vermeintlich elitären Burschenschafter, führt sich währenddessen schön selber vor. Und bereitet dabei der anti-xenophoben demokratischen Mehrheit einen wichtigen Einblick in das, was es abzulehnen gilt.

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