Die Kritiker

«Once Upon a Time»

von

Hält die bald auf Super RTL startende Fantasy-Dramaserie «Once Upon a Time», was der US-Hype verspricht?

Inhalt


„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...“ – so enden zahlreiche Märchen in einschlägigen Sammelwerken. Englische Märchentexte sind in ihrer Einschätzung, wie das weitere Schicksal der Protagonisten verläuft, noch deutlicher: „And they all lived happily ever after ...“ – in «Once Upon a Time» dagegen beginnt der wahre Trubel erst nach dem klassischen Märchenende. Nachdem Schneewittchen von ihrem Märchenprinzen wach geküsst wurde, versammelt sich das gesamte Königreich für die Hochzeit des glücklichen Paares. Die harmonische Zeremonie wird jedoch jäh von der Bösen Königin gestört, die voller Theatralik ein bitteres Ende für das ganze Land androht. Obwohl die Magierin in die Flucht geschlagen werden kann, lebt Schneewittchen in steter Furcht, dass die Böse Königin ihre Drohung wahr macht. Der Prinz winkt diese Vorahnung ab, doch am Tage der Geburt ihres ersten Kindes werden er und Schneewittchen erfolgreich von der Furie heimgesucht. Und auch ihre Drohung macht sie wahr – in ungeahntem Maße: Sie verbannt das gesamte Königreich mit all seinen märchenhaften Bewohnern in eine nahe des realen New York gelegene Kleinstadt.

Eine unbestimmte Zeit später begeht die Kautions-Kopfjägerin Emma einen sehr einsamen Geburtstag: Aufgedonnert begibt sie sich zu einem Blind Date, dessen einziger Zweck jedoch die Festnahme eines Betrügers ist. Nach getaner Tat kehrt sie in ihr Appartement zurück, wo sie vom zehnjährigen Henry überrascht wird, der behauptet, ihr Sohn zu sein und ihre Hilfe zu benötigen. Die verblüffte Emma folgt Henry, der sie in die rätselhafte Stadt Storybrooke führt und absurde Theorien über Märchenerzählungen von sich gibt. Emma möchte diese als verrückt abstempeln, aber Henry scheint die Wahrheit zu sagen ...

Darsteller


Ginnifer Goodwin («Walk the Line») ist Schneewittchen / Mary Margaret Blanchard
Jennifer Morrison («Dr. House») ist Emma Swan
Lana Parrilla («Miami Medical») ist die Böse Königin / Regina Mills
Josh Dallas («Thor») ist Prince Charming / David Nolan
Jared Gilmore («Mad Men») ist Henry Mills
Raphael Sbarge («Prison Break») ist Jiminy Grille / Archie Hopper
Jamie Dornan («The Fall») ist Sheriff Graham
Robert Carlyle («SGU Stargate Universe») ist Rumpelstilzchen / Mr. Gold

Kritik


Film und Fernsehen haben bereits mehrfach mit dem Übergang zwischen der gewöhnlichen Realität und der Märchenwelt gespielt. Der Event-Mehrteiler «Das zehnte Königreich» etwa hat aus dieser Idee ein Fantasyepos gesponnen, während die Walt Disney Studios das Konzept einer Märchenfigur, die ins heutige New York transportiert wird, als Grundlage für die passionierte Eigenparodie «Verwünscht» nahmen. «Once Upon a Time» geht wiederum einen anderen Weg und erzählt eine charakterstarke Dramaserie, deren grundlegender Mythos mit Motiven aus diversen Märchen spielt.

Die Autoren Edward Kitsis & Adam Horowitz, die gemeinsam einige der beliebtesten «Lost»-Episoden sowie «Tron: Legacy» verfassten, trugen die Grundidee zu dieser Serie bereits 2002 den US-Networks vor, wurden damals jedoch mit ihrer ursprünglichen Fassung noch der Tür verwiesen. Während ihrer Arbeit an «Lost» lernten sie, dass sich eine Dramaserie in erster Priorität um ihre Figuren sorgen sollte, und dass die Mythologie zwar ein großer Reizpunkt ist, in den einzelnen Episoden aber nicht die Bedeutung der charakterbetonten Entwicklungen ersetzen kann. Eine Lektion, die sie in die Neukonzipierung ihres Wunschprojekts glücklicherweise haben einfließen lassen.

Die Idee, dass die gesamte Märchenwelt in eine auf den ersten Blick stinklangweilige Kleinstadt bei New York City transportiert wurde, ist eine packende, erlaubt sie doch ebenso amüsante wie aufregende Umbesetzungen bekannter Märchenfiguren. Von Jiminy Grille als Psychologe hin zur Bösen Königin als Bürgermeisterin, das Rätselraten und Wiedererkennen rund um die gewandelten Märchenfiguren macht einen großen Teil des Sehspaßes aus. Allerdings wäre es schell abgenutzt, beließen es die Showrunner auf diesen bloßen Umdeutungseffekt. Im Vordergrund steht deshalb die Figurendynamik, die sich aus den altbekannten Märchen und Kinderbüchern speist, sie aber bei Bedarf auch zu verdrehen weiß – wodurch sowohl eine tief greifende und dennoch verständliche Serienmythologie entsteht, als auch ein die Handlung vorantreibendes Konfliktpotential.

Im Zentrum der Handlung steht Emma Swan, eine realistisch geschriebene, toughe junge Frau, die über Nacht eine Verbindung zu ihrem zur Adoption freigegebenen Sohn entwickelt und gegen ihren einstigen Willen Muttergefühle für ihn entdeckt. Im Laufe der ersten zwei Episoden macht die von Darstellerin Jennifer Morrison mit einer stillen Stärke ausgestattete Kopfgeldjägerin eine beständige, weit reichende Wandlung zu einer Verantwortungsbewusstsein für ihren Sohn Henry zeigenden Frau durch, die sich stur gegen seine herrische Adoptivmutter stellt und somit in den geheimnisvollen Geschicken der verfluchten Kleinstadt verheddert. Dadurch haben Horowitz und Kitsis ihren Zuschauer sowohl auf mythologischer Handlungsebene („Wie lässt sich der Fluch lösen, was wird die Königin dagegen unternehmen?“) am Haken, als auch auf der emotionalen, da die Entwicklung der Mutter-Sohn-Beziehung ohne Rührseligkeiten zum Herz der Serie wird.

Die Serienschöpfer bedienen sich zudem einem Kniff der alten «Lost»-Schule und beleuchten in jeder Episode in einem Strang von Rückblenden, wie die Märchenwelt einst aussah und welche Wege die Königin ging, um ihren bösen Fluch umsetzen zu können. Diese visuell liebevoll gestalteten Flashbacks vertiefen die von der Serie getätigte Interpretation der Märchenmythologie, welche etwas düsterer als in vielen Familienfilmen ist, aber sich einer erzwungenen Schaurigkeit verwehrt. Gleichzeitig stellen sie aber, wie bei «Lost», Informationsstützen dar oder erlauben emotionale Bezugspunkte zu den Haupt- und Nebenfiguren. Die Liebesgeschichte zwischen Schneewittchen und ihrem Prinzen etwa ist selbst in modernen Adaptionen zumeist überaus flach, doch durch die Rückblenden erlaubt «Once Upon a Time» ihr zumindest genügend Tiefe, dass ihr Verlauf für den Zuschauer an Bedeutung gewinnt.

Mit den hervorragenden Darstellern, neben Morrison und ihrer diabolischen Widersacherin Lana Parrilla fallen besonders Robert Carlyle als einschüchterndes Rumpelstilzchen und der völlig unaffektierte Kinderdarsteller Jared Gilmore auf, und einer sich schnell entfaltenden, nicht aber hetzenden Story ist «Once Upon a Time» auch für Fernsehzuschauer interessant, die modernen Märchenumdeutungen sonst nicht viel abgewinnen können. Zwar ist eine Neigung zum grundlegenden Stoff der Serie ein willkommener Bonus, da sich nur so viele kleine Randgags erschließen, für die faszinierende Kernhandlung ist sie dagegen nicht nötig.

Super RTL strahlt «Once Upon a Time» ab dem 12. September immer mittwochs um 20.15 Uhr aus.

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