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'Auf dem richtigen Weg?' Wie erklärt Kosack den miesen Sat.1-Juli?

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Sat.1 hat nur noch 9,3 Prozent Marktanteil: Die vielen Flops der vergangenen Wochen drücken die Stimmung enorm. Hinzu kommt ein Chef, der getätigte Interviewaussagen schon mehrfach nach kurzer Zeit wieder einkassieren musste. Ein Kommentar von Manuel Weis.

Am Mittwochmorgen ist es wieder Zeit für die Zwischenabrechnung: Die Monatsmarktanteile für Juli stehen fest – dann werden die Sender wieder fleißig Pressemitteilungen verschicken und die rosigsten Werte der vergangenen 31 Tage feiern. Was aber wird Sat.1 machen? Mit bis dato nur 9,2 Prozent Marktanteil wird der Münchner Sender den schlechtesten Montagsmarktanteil seit seiner Entstehungszeit einfahren. Ein einstelliger Monatswert - das gab es im Januar schon einmal: Damals kam man aber noch auf 9,9 Prozent und schon damals war man in Unterföhring nicht glücklich darüber. Die miesen Werte kamen nicht von ungefähr: Programmhighlights waren im Monat zwischen Fußball-EM und Olympia so gut wie nicht zu finden. Hinzu kommt, dass die Neustarts «Ab durch die Mitte» (sowie der gesamte Vorabend) schwächelten und der Talkshow-Testlauf am Mittag auch die Quoten der frühen Nachmittagssendungen nach unten drückte. Am Montag nun erreichte Sat.1 nur noch einen Tagesmarktanteil von fast schon peinlichen 6,4 Prozent.

Und so ist die Stimmung in Unterföhring bei Sat.1 mies – besonders bei den (wenigen), die sich im Konzern hauptsächlich mit Sat.1 beschäftigen. Und das ist schon eines der Grundprobleme. Alle anderen flüchten sich lieber in Projekte von ProSieben und/oder kabel eins. Es ist letztlich also so gekommen, wie es zahlreiche Berliner Sat.1-Leute in schlimmsten Befürchtungen gesehen haben. Auch wenn es in Unterföhring vehement abgestritten wird; Sat.1 ist weiterhin das ungeliebte Kind. Ein Sender, die jahrelang eine (Berliner) Identität hatte, nun aber von ProSieben-Leuten geführt wird, die gar nicht wissen können, was den Sender noch vor sechs oder sieben Jahren ausmachte.

Sat.1-Geschäftsführer Joachim Kosack sieht das ganz anders: „Weil wir wissen, was Sat.1 ausmacht: Lebensfreude, intensive Momente voll Herzklopfen, selbstbewusste, facettenreiche Charaktere mit Ecken und Kanten.“ Er zieht deshalb den Schluss: „Wir sind mit Sat.1 auf dem richtigen Weg.“ Dass diese Aussagen von Kosack in der offiziellen Pressebroschüre zur Saison 12/13 wenige Wochen vor dem nun mit Abstand schlechtesten Senderergebnissen aller Zeiten veröffentlicht werden, ist erneut sehr unglücklich. Kosack glänzte in 2012 bereits mehrmals mit Aussagen, die bereits nach wenigen Tagen oder Wochen wieder überholt waren.

Beispiel Januar 2012: Er erklärte in einem Interview, das Sat.1-Programm künftig komplementärer zu RTL aufstellen zu wollen. Er machte dies am Beispiel des neuen Donnerstags fest, der ab Januar aus «Die perfekte Minute» und einem neuen Format mit Julia Leischik bestand. Weil aber gerade Neuzugang Leischik nicht beschädigt werden durfte, was mit den eingefahrenen einstelligen Quoten in den ersten beiden Wochen mit Sicherheit passiert wäre, musste Kosack seine Ankündigungen wieder einkassieren und doch wieder auf Krimiserien am Donnerstag setzen.

Beispiel Harald Schmidt: In einem Interview betonte Kosack die Wichtigkeit des Late Night-Moderators für seinen Sender – er erklärte, bei Schmidt nicht auf die Quoten zu achten. Nach dem Weggang des ProSiebenSat.1 TV Deutschland-Vorstands Andreas Bartl sah die Welt aber anders aus. Kosack musste das Aus der «Harald Schmidt Show» nach der ersten Staffel bekanntgeben.

Und noch ein Beispiel gibt es: Zum Start der Vorabend-Testphase mit «Ab durch die Mitte» wollte Kosack eine kleine Revolution starten. „Wir durchbrechen das starre 30-Minuten-Korsett am Vorabend und bieten den Zuschauern mit einem Gameshow-Format eine neue Farbe“, kündigte er an. Beide 45-minütige Formate («Ab durch die Mitte» und «push») liefern aber schlecht – und so musste der Quizshow-Test nach drei von vier Wochen eingemottet werden. Und mit ihm auch die smarte Vorabend-Revolution des Senderchefs.

Intern ist Kosack deshalb längst nicht mehr unumstritten. Das liegt nicht nur an den Interviews, sondern auch daran, dass Sat.1 unter seiner Führung nochmal an Boden verloren hat. Und dass die Hoffnungen auf Besserung auch senderintern eher zurückhaltend sind; verständlich, wenn man sich die Ankündigungen für die anstehende Saison anschaut. Abgesehen von vier neuen Serien, die sich ab September beweisen müssen und einigen Fiktion-Events kann Kosack nicht viel vorweisen – und das, obwohl man eigentlich etliche Millionen durch die zum ZDF abgewanderte Champions League frei wurden.

Fakt ist: Seitdem Sat.1 in München – zwischen kabel eins und ProSieben – verankert ist, fehlen die großen Sat.1-Hits: Leischik und «The Biggest Loser» sind von anderen Sendern eingekauft, «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» stammen noch aus Berliner Zeiten und «The Voice of Germany» ist ein Sat.1/ProSieben-Mix. Rund drei Jahre nach dem Umzug des Bällchensenders von der bundesdeutschen Hauptstadt ins bayerische Unterföhring lässt sich also sagen: Sat.1 ist der große Verlierer – und bis aus diesem wieder ein Sieger wird, dürfte noch viel Wasser die Donau hinunterfließen.

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