Hingeschaut

Politisches Beben: Wie reagierten die Sender?

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Um 14.00 Uhr trat Bundespräsident Köhler zurück – die ARD wollte dennoch nicht auf «Sturm der Liebe» verzichten, bei Sat.1 gab es eine Panne.

Deutschland hat aktuell keinen Bundespräsidenten. Wegen umstrittener Äußerungen und fehlender Rückdeckung gab Horst Köhler am Montagnachmittag um kurz nach 14.00 Uhr seinen Rücktritt bekannt. Ein Vorgang, den es in dieser Form,nie zuvor in der Bundesrepublik gegeben hat. Binnen weniger Minuten erreichten Eilmeldungen die Nachrichtenredaktionen, N24, n-tv und Phoenix unterbrachen ab kurz vor halb drei Uhr ihr Programm und senden seitdem Sondersendungen. Anfangs war es für die TV-Stationen nicht leicht, gutes Programm zu machen.

Es fehlte an Statements und guten Bildern. Köhlers Rücktrittserklärung selbst war nur wenige Minuten lang. N24 behalf sich mit Journalisten aus den eigenen Reihen: Hans-Peter Hagemes und Michaela May mussten für erste Einschätzungen herhalten, für n-tv kommentierte den Nachmittag über vor wenig schöner virtueller Kulisse der ehemalige RTL-Mann Heiner Bremer. RTL übrigens informierte seine Zuschauer recht schnell in Breaking News und ließ während der Nachmittags-Fake-Dokus regelmäßig Laufbänder durchlaufen, die über den Rücktritt Köhlers informierten.

Die ARD unterbrach ihre Telenovela «Rote Rosen» um 14.35 Uhr für eine Sonderausgabe der «Tagesschau», das ZDF hingegen blieb nur bei kurzen Breaking News und sendete bis 15.01 Uhr seine Kochshow. Im Ersten wurde derweil viel nach Amerika geschaltet – dort ist Feiertag und zudem früher Morgen. Hier wird die Problematik deutlich: Es gibt nichts, worüber man wirklich sprechen kann und so tut sich auch die ARD schwer, wirklich Nützliches in ihrer Sondersendung zu präsentieren. Die Tatsache, dass man seine Nachrichten um 15.10 Uhr für die Telenovela «Sturm der Liebe» beendete, mag zwar manche verärgert haben, inhaltlich gesehen war zu diesem Zeitpunkt aber wirklich alles gesagt.

In Sat.1 meldete sich Peter Limbourg mit Breaking News gegen 15.00 Uhr – rund zwei Minuten lang zeigte man einen Bericht, der zuvor schon bei N24 lief. Dann wollte man eigentlich in die CDU-Zentrale zu Reporterin Michaela May schalten. Weil diese Limbourg aber nicht hörte und lediglich mit ihrem Mikro hantierte, wurde daraus nichts. Limbourg verwies darauf, dass der Sat.1-Zuschauer ja über das Wichtigste informiert sei und verabschiedete sich bis zu den 20.00 Uhr Nachrichten. In der ersten Reihe saßen die Zuschauer von RTL und Sat.1 demnach also nicht. Besser war da schon das Programm von N24, wo man inzwischen mit führenden Journalisten (unter anderem Dr. Prantl von der SZ) sprach.

Bei ARD und ZDF fanden sich mittlerweile die Top-Leute vor der Kamera ein. Bettina Schausten meldete sich aus Berlin, Ulrich Deppendorf war im Ersten Programm zugeschaltet. Zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr zeigten beide Kanäle ununterbrochen Sondersendungen. Während im ZDF eher das Rechtliche im Vordergrund stand (Wer wählt den neuen Präsidenten? Welche Probleme können hier auftreten?), zeigte sich Das Erste analytischer. Massive Kritik musste Köhler von Hajo Funke bei N24 einstecken. „So tritt man nicht zurück“, schätzt der Experte die politische Lage im Berliner Nachrichtenstudio ein. Im Gegensatz zu den anderen Sendern strahlte Phoenix das umstrittene Köhler-Interview komplett aus - ohne Kommentar und hektische Bilder.

Fazit: Während RTL und Sat.1 sich mit dem normalen Nachmittagsalltag beschäftigte, machten vor allem die Nachrichtensender N24 und n-tv einen guten Job. Das Erste unterbrach die Info-Schiene für Geschichten aus dem Fürstenhof, das ZDF stieg zu spät ein. Tritt das Oberhaupt der Bundesrepublik zurück, dann reicht es nicht während einer Kochsendung in Laufbändern zu informieren. Der neue Chefredakteur Peter Frey hat hier falsch entschieden, mit den Sondersendungen danach aber einen guten Job gemacht.

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