Vermischtes

Licht an, Kosten runter: Warum Solardächer zur neuen Bühne der TV-Produktion werden

Streaming-Server laufen rund um die Uhr, Virtual-Production-Sets verschlingen Lichtleistung, und Klimaschleusen sorgen für stabile 22 °C am Set – all das hebt den Strombedarf moderner Produktionen auf Rekordhöhen.

Gleichzeitig drängen Werbekunden auf belastbare Nachhaltigkeitskennzahlen. RTL Deutschland etwa will bis 2030 klimaneutral senden; seit 2021 zeichnet eine hausinterne Task-Force jede Tonne CO₂ akribisch nach und reduziert sie Schritt für Schritt.

Die Energiewende liefert das passende Werkzeug: Photovoltaik (PV) legt in Deutschland weiterhin Rekorde hin. Ende 2024 lag die installierte Leistung bei 99,3 Gigawatt, ein Plus von 16,2 GW binnen zwölf Monaten. Allein im ersten Halbjahr 2025 kamen weitere 7,1 GW hinzu, sodass die Marke von rund 110 GW bereits überschritten sein dürfte. Das politische Ziel von 215 GW bis 2030 ist damit schon zur Hälfte erreicht.

Studiokraftwerke: Dächer und Fassaden im Sonnenlich


Flachdächer von Sendezentren, Parkhäuser und sogar Backlots in Babelsberg bilden ideale Modulflächen. Die Bundesnetzagentur meldet, dass zwei Drittel des jüngsten Zubaus auf Gebäuden erfolgten – also genau dort, wo Kameras, Render-Farmer und Lichtrigs ihre Energie ziehen. Jedes erzeugte Solar-Kilowattstunde vermeidet nach Angaben des Umwelt-bundesamts aktuell rund 0,6 Kilogramm CO₂; bei Hunderttausenden Sendestunden summiert sich das schnell zu vierstelligen Tonnenbeträgen.

Das starke Mittagsprofil der Solarproduktion fordert jedoch Netze und Studios: 389 Stunden negativer Großhandelspreise in der ersten Jahreshälfte 2025 zeigen, wie übervoll die Leitungen zeitweise sind. Wer PV installiert, muss daher die Last auch verschieben oder zwischenspeichern, sonst verschenkt er Potenzial.

Herzstück der Anlage


PV-Module liefern Gleichstrom, Broadcast-Technik erwartet 400 V Drehstrom im Minutentakt. Hier übernimmt der photovoltaische Wechselrichter mehrere Rollen: Er wandelt Spannung, glättet Last-spitzen, schützt Audio- und Videoserver vor Millisekundenschwankungen und steuert Batterien an. In Hybridsystemen priorisiert er Eigenverbrauch, stellt Inselbetrieb für Außen-drehs bereit und speist Überschüsse vergütet ins Netz.

Seine Telemetrie liefert Sekundenprotokolle aus Beleuchtung, Rendering und Postproduktion. Produktionsleitende verlegen rechenintensive Jobs in Sonnenstunden oder in Nachtphasen, wenn Batterien entladen. Datenbasierte Effizienz ersetzt Bauchgefühl – ein Prinzip, das in Redaktionen längst Alltag ist.

Batteriespeicher: Flexibilität für den 24/7-Betrieb


Ohne Speicher keine vollständige Energiewende im Studio: Deutschlands Batteriekapazität wuchs bis Mitte 2025 auf 22,1 GWh, davon gut 3,5 GWh allein im ersten Halbjahr. Mehr als 80 % neuer Dachanlagen werden inzwischen ab Werk mit Heimspeichern kombiniert. Für Broadcast-Häuser eröffnen große Lithium-Systeme neue Betriebsarten: Mittags laden, abends Live-Shows fahren, nachts Render-Farmer betreiben – alles aus eigener Hand. Studien des Thinktanks Ember zeigen, dass schon zusätzliche 2 GW Speicher im Juni deutsche Gasimporte um 2,5 Mio. € gesenkt hätten.

Stromkosten, Steuern und das neue „Solar Peak Act“


Seit 1. Januar 2023 gilt für PV-Anlagen bis 30 kW ein Nullsatz bei der Umsatzsteuer – inklusive Wechselrichtern und Batterien. Gleichzeitig bewegt sich der Gewerbestrompreis für kleinere Studios aktuell bei ≈ 23 ct/kWh, während sauber erzeugter Solarstrom auf großen Gebäuden weniger als 8 ct kostet. Daraus ergeben sich Amortisationszeiten von fünf bis sieben Jahren selbst ohne Subventionen.

Neu ist jedoch das Solar Peak Act (März 2025): Während Stunden mit negativen Spot-Preisen entfällt die Einspeisevergütung komplett. Der wirtschaftliche Hebel verschiebt sich damit stärker auf Eigenverbrauch und Speicher – ein Weckruf, Lastgänge noch intelligenter zu managen.

Nachhaltigkeitssiegel als Türöffner zum Auftrag


Plattformen wie Netflix, Amazon, Sky oder die BBC verlangen bereits heute eine CO₂-Bilanzierung über das britische albert-Programm für jede eingereichte Produktion; Produktionen, die die albert-Zertifizierung erfolgreich abschließen, erhalten ein Ein- bis Drei-Sterne-Siegel und dürfen das „albert Certified“-Logo in ihren Endcredits führen.

In Deutschland wiederum definieren die 2024 verschärften GreenMotion-Standards 21 verbindliche Umweltkriterien für Film- und Fernsehprojekte – Fördergelder fließen nur, wenn mindestens 18 davon erfüllt sind, und das Regelwerk schreibt zusätzlich die Begleitung durch eine zertifizierte Green Consultant sowie eine Vor- und Nachkalkulation der CO₂-Bilanz mit dem MFG-Rechner vor. Wer künftig ohne diesen „grünen Produktionspass“ pitcht, riskiert Absagen und verschenkt wertvolles PR-Potenzial. PV-Strom ist hier ein sichtbarer Beleg: Jeder nachgewiesene Sonnen-Kilowattstunde in der Produktionsakte kann entscheidend sein, wenn Auftraggeber Nachhaltigkeit mit Punkten bewerten.

Ausblick: Vom Trailer zum Kilowatt-Storytelling


Die Technik ist reif, die Gesetzgebung schafft Anreize, und die Kosten sprechen für sich. Nun entscheidet der Mut der Produktionshäuser, ob ein Gala-Abend bald stolz mit „Powered by Sun“ im Abspann läuft. Wechselrichter-gestützte Mikronetze, die Batteriespeicher, E-Ladepunkte für Ü-Wagen und Notstromaggregate orchestrieren, formen das Rückgrat.

Wer heute investiert, sichert sich langfristig niedrige Energiekosten, senkt CO₂-Risiken und gewinnt ein Narrativ, das sich on- und off-screen erzählen lässt. Denn im Wettbewerb um Aufmerksamkeit zählt künftig nicht nur die Quote – sondern auch das Kilowatt.

Kurz-URL: qmde.de/163249
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