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Saison-Bilanz: Inga Leschek verwaltet RTL – aber gestaltet sie es auch?

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Auch im vergangenen Jahr hat die Programmchefin kaum neue Impulse gesetzt. RTL bleibt auf „Back to the Roots“-Kurs – und verliert dabei zunehmend an Relevanz.

Mit dem Comeback von Stefan Raab wollte RTL seinen Streamingdienst RTL+ für ein männliches Publikum ab 40 attraktiver machen. Die Strategie: Nostalgie, Eventshows und ironische Distanz. Nach einem kurzen Hype flaute das Interesse jedoch schnell ab. Die Show «Du gewinnst hier nicht die Million» wurde aus der Mediathek sogar ins lineare RTL-Programm verschoben – mit verheerendem Ergebnis: Die Zuschauerzahlen blieben mau, das Format wurde rasch wieder beerdigt. Auch «Chefsache ESC 2025», ein Raab-Ableger, konnte keine neuen Akzente setzen. Zwar bringen Raabs Pokernächte solide Werbeumsätze – aber auch diese Events laufen quotenmäßig unter dem Radar. Zum Glück funktionieren die Dauershows «Stefan & Bully gegen irgendson Schnulli» und «Eltons 12» am Samstagabend, jedoch gab es nur fünf Stück davon.

Vor dem Hintergrund enttäuschender Streamingzahlen und des ambitionierten Konzernziels, bis Ende 2026 rund neun Millionen RTL+ Abos zu verkaufen, zog die RTL Group die Notbremse – und übernahm kurzerhand Sky Deutschland. Zusammen kommt man rechnerisch auf über 11,5 Millionen zahlende Kunden. Der Haken: Diese Zahl gilt nur, solange Sky mit WOW und RTL+ getrennt operieren. Langfristig dürfte das nicht nachhaltig sein. Finanziell kann sich RTL diesen strategischen Kraftakt trotzdem leisten: 2023 lag der Gewinn bei 321 Millionen Euro, im Jahr darauf bei 327 Millionen. Die oft betonte wirtschaftliche Schieflage ist eher ein PR-Motiv als Realität.

Trotz dieser Spielräume gelingt es Programmchefin Inga Leschek kaum, neue Impulse im linearen Fernsehen zu setzen. Statt Innovation setzt RTL auf Kontinuität: Formate wie «Let’s Dance», «DSDS», «Ninja Warrior Germany», «Take Me Out», «Bauer sucht Frau» (inkl. International), «Drei gegen Einen», «Das Sommerhaus der Stars», «Denn sie wissen nicht, was passiert» oder zuletzt auch «Das Supertalent» laufen weiter – oft solide, aber ohne besondere Strahlkraft. «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» wanderte jüngst sogar auf 20:15 Uhr, um die nachfolgende Aftershow mit noch mehr Reichweite zu versorgen.

In der Fiction versucht RTL am Dienstagabend, mit öffentlich-rechtlich anmutenden Krimis wie «Dünentod», «Alpentod», «Behringer und die Toten» oder «Mord auf Öd» zu punkten. Die Formate holen meist mehr als zwei Millionen Zuschauer, bleiben jedoch bei der jungen Zielgruppe weitgehend unsichtbar. Die Konsequenz: RTL verliert bei den 14- bis 49-Jährigen weiter an Boden – von 10,5 auf 10,1 Prozent Marktanteil. Besonders pikant: Das Erste liegt inzwischen mit 8,3 Prozent in Reichweite. Beim Gesamtpublikum fiel RTL von 8,4 auf 7,9 Prozent zurück – das ist der tiefste Stand seit Jahren.

Auch die Late-Prime zeigt Erosionserscheinungen. «Stern TV» oder «Extra» wirken überdehnt, thematisch wiederholen sich viele Beiträge – teilweise zum hundertsten Mal. Nach dem Aus für «RTL Direkt» wurden die Sendezeiten der Magazine um 20 Minuten verlängert. Doch statt frischer Inhalte droht hier ein weiteres Quotendesaster.

Dabei war RTL in Sachen Innovation nicht immer so zurückhaltend: Noch vor wenigen Jahren testete man neue Formate wie «Ich setz auf dich», versuchte es mit «Ottos Märchenshow», ein Wiedersehen von «RTL Samstag Nacht» oder den «RTL Wasserspielen». Mit Dirk Steffens produzierte man mehrere GEO-Wissensshows. Das war nicht immer erfolgreich – aber mutig. Zuletzt liefen Tests wie «Die perfekte Reihe» oder «Schlauer als alle» – allerdings ohne Nachhaltigkeit, weil auch der Inhalt eher mau war.

Fazit: RTL lebt aktuell von der Verwaltung vergangener Erfolge – aber nicht von frischen Ideen. Inga Leschek gelingt es nicht, der Marke neue Impulse zu geben. Stattdessen stabilisiert man bestehende Marken, verpasst jedoch den Anschluss an den Zeitgeist. Die Konkurrenz schläft nicht: Das Erste legt zu, Streaminganbieter gewinnen Marktanteile – und RTL bleibt im Verwaltungsmodus stecken. Die Marke braucht dringend kreative Erneuerung. Wer heute nicht mutig testet, ist morgen aus dem Spiel.

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