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«Sing meinen Song»: Wo war nur die Begeisterung hin?

von   |  3 Kommentare

Historisch schwache Einschaltquoten, erstmals kein Hit in den deutschen Single-Charts und überwiegend mürrische Zuschauer-Reaktionen: Die fünfte Staffel des «Tauschkonzerts» lief schwach wie nie. Wir bemühen uns um Ursachenforschung - und um Entwarnung für die Zukunft.

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Faktor Cover-Versionen: Zu viel Bügel- und Fahrstuhlmusik


Chart-Peaks der «SmS»-Compilations

  • S1: Platz 1 (3 Wochen), 62 Chart-Wochen
  • S2: Platz 1 (4 Wochen), 37 Chart-Wochen
  • S3: Platz 2 (2 Wochen), 20 Chart-Wochen
  • S4: Platz 1 (2 Wochen), 34 Chart-Wochen
  • S5: Platz 3 (2 Wochen), bisher 5 Chart-Wochen
Vielleicht nicht ganz so entscheidend und allgemeingültig wie die mangelnde Gruppendynamik, aber eben doch alles andere als unwesentlich ist auch der Blick darauf, was die diesjährige Gruppe musikalisch ablieferte - immerhin lebt das Format stark von spannenden und möglichst vom Original abweichenden Neu-Interpretationen der Vorlagen. Auch diesbezüglich dominieren unter den Fans die eher kritischen Stimmen, was in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass zu viele musikalische Beiträge eher nach "Dienst nach Vorschrift" als nach einer großen künstlerischen Vision klangen - womit sich ein Stück weit auch der Kreis zum im vorherigen Kapitel bereits angesprochenen Eindruck des latenten Desinteresses aneinander im Vergleich zu den meisten Vorjahren schließt. Auch die Chart-Platzierungen der diesjährigen Compilation sind zwar nett, kommen aber bei weitem nicht an die meisten Vorjahre heran (siehe Infobox) - und in die Single-Charts schaffte es diesmal gar überhaupt kein Titel.

Wagt man sich an das schwierige Pflaster Künstlerkritik, das sicherlich nicht gänzlich objektiv zu eruieren ist, kann man die Eignung von Johannes Strate für dieses Format zumindest einmal in Frage stellen. Dessen musikalisches Gesamtwerk strotzte bislang nicht gerade von musikalischer Vielfalt und die allermeisten Auftritte in der Show lassen einen nun auch nicht zwingend zu der Erkenntnis gelangen, dass in ihm das ganz große Potenzial schlummert, künftig mit tonal fordernder Musik die Charts zu erklimmen. Ein Sinnbild dessen war seine reichlich lasche "Forever Young"-Version, die einen der größten Welthits aus Deutschland zu einer mittelmäßigen Rock-Ballade machte, die sich eher als Radio-Lückenfüller zwischen Stauschau und Gewinnspiel eignet.

Auch eher auf Fahrstuhl- und Warteschleifen-Niveau performte meist Mary Roos, deren Performances ein wenig altbacken daherkamen - was bei einem Teil der Zuschauer aber sicherlich gut ankam und seine Existenzberechtigung hatte. Doch wer ging in dieser Staffel so richtig in die Vollen, wem merkte man an, wirklich große und nachhaltige Live-Momente kreieren zu wollen? Marian Gold wahrscheinlich, der unter anderem eine tieftraurige Version von "Bring mich nach Hause" performte und dem Song damit die grenzenlose Verzweiflung entlockte, die bei Wir sind Helden noch nicht ganz so klar und unverhüllt zum Ausdruck kam. Gleichwohl ist sein Stil sehr speziell, sehr theatralisch und teilweise auch ein wenig überkandidelt und kam somit nicht bei allen Zuschauern an. Und für diese Zuschauer blieb dann eben weitgehend doch eher verwechselbarer Durchschnitt übrig, aus dem die vergleichsweise unerfahrene und auf der Couch blass gebliebene Clio mit einer klar überdurchschnittlichen Stimme und einem ordentlichen Maß an musikalischer Wandlungsfähigkeit eher noch positiv herausstach - ohne aber den einen magischen Show-Moment zu kreieren, der etwa Daniel Wirtz mit seiner grandiosen "Wenn sie diesen Tango hört"-Interpretation gelungen war.

Faktor Vielfalt: Fehlten die abseitigen Genres?


Vergleicht man die künstlerische Bandbreite der einzelnen Staffeln, kann man in diesem Jahr erstmals auf allen Acts das Siegel "Pop" kleben, ohne sich damit argumentativ völlig ins Abseits zu stellen. Klar, der Begriff Pop kann alles und gar nichts heißen und manch ein Fan von Mary Roos oder Wir sind Helden dürfte empört widersprechen, aber fand in dieser Staffel (härtere) Rockmusik statt? Hip-Hop? Reggae oder Dancehall (vom Überraschungsauftritt in der Forster-Folge einmal abgesehen)? Im Grunde doch eher nicht oder bestenfalls in arg homöpathischen Dosen. Hier war die Show mit Sandra Nasic, Daniel Wirtz, Samy Deluxe, Moses Pelham (Foto) und Gentleman zumindest punktuell in jedem Vorjahr konsequenter unterwegs, was auch dazu beigetragen haben könnte, dass viele Covers dem Original letztlich doch recht ähnlich wirkten.

Faktor Audience Flow: Diesmal nur Musikabend light


Und dann wäre da noch ein Thema anzusprechen, das man dem Sender selbst vorhalten kann, da er diesmal zumindest am späten Abend eher auf Sparflamme agierte. Liefen in den vergangenen Jahren noch sehenswerte frische Musiksendungen wie etwa «Meylensteine» oder «One Night Song», die gewissermaßen auch Gregor Meyle und Daniel Wirtz dafür belohnten, dass sie in ihren Staffeln als Underdogs positiv überraschten, begnügte sich VOX diesmal mit abgegriffener Ware und versendete nochmal alte «Meylensteine»-Episoden - die verdiente Strafe folgte in Form von durchweg mauen bis hin zu unterirdischen Einschaltquoten.

Zwar ist sicherlich nicht anzunehmen, dass das Fehlen dieser kleinen, heimeligen Spätabend-Shows gravierende Auswirkungen auf das Primetime-Angebot hatte, aber es könnte sich motivational durchaus hemmend auf den Teil der Zuschauer ausgewirkt haben, der mit dem jeweiligen Künstler der Woche nicht allzu viel anfangen konnte. Schließlich war das Schöne an den Vorjahren, dass mit den Spätabend-Sendungen ein fast vierstündiger Musikabend auf die Beine gestellt wurde, der hintenraus noch einmal ein kleines Highlight zum Runterkommen anbot. Das ging diesmal nur, falls man die entsprechenden «Meylensteine»-Folgen im ersten Anlauf verpasst hatte oder noch einmal sehen wollte - ein bedauerliches Downgrade des zuletzt so erfreulichen und stimmigen Dienstagabends.

Eure Meinung: Was war der Hauptgrund für die schwächere «Sing meinen Song»-Performance 2018?
Die fehlende Chemie zwischen den Künstlern und das eher fade Couch-Geschehen.
43,4%
Die eher mauen musikalischen Beiträge.
25,0%
Die mangelnde musikalische Vielfalt der Teilnehmer.
24,3%
Das Fehlen einer zweiten Musikshow am späten Abend.
0,7%
Ein anderer Grund (gerne kommentieren).
6,6%


Fazit: Enttäuschendes Jahr macht noch keinen Abstiegsautomatismus


Unterm Strich lässt das Faktorengeflecht die berechtigte Hoffnung zu, dass «Sing meinen Song» in diesem Jahr eher an einer retrospektiv als unglücklich zu bezeichnende Künstlerzusammenstellung litt als an generellen Abnutzungserscheinungen. Klar, die immerzu lobhudelnden Standardreaktionen inmitten und im Anschluss an einen Auftritt langweilen nach fünf Jahren ein wenig, zumal sie arg repetitiv und ritualisiert daherkommen, dürften allerdings bei kaum einem potenziellen Zuschauer über Ein- und Abschalten entscheiden. Eine dröge Stimmung auf der Couch ohne große Überraschungen und viele musikalische Beiträge, die dem gecoverten Song eher weniger als mehr geben als im Original sind die wichtigsten Argumente dafür, dass die 2018er-Crew alles in allem nicht die senderseitig erhoffte Begeisterung auslöste.

Und wenngleich auch für künftige Staffeln kaum schon im Vorfeld mit letzter Gewissheit beurteilt werden kann, wie gut andere Musiker miteinander interagieren, kann man das unterm Strich als gute Nachricht für Fans der Show interpretieren - denn es ist nicht anzunehmen, dass «Das Tauschkonzert» von nun an schrittweise seinem Ende entgegenläuft. Und auch das immer wieder mal durch die Kommentarspalten geisternde Argument, es gäbe mittlerweile kaum mehr interessante Musiker, die man für die Show akquirieren könnte, mutet nach gerade einmal 36 unterschiedlichen Namen eher abenteuerlich an - wenngleich es schwer werden dürfte, die wirklich großen Namen wie Herbert Grönemeyer, Farin Urlaub, Till Lindemann oder Campino zu engagieren. An bekannten Musikern mangelte es aber insbesondere den jüngsten drei Staffeln sicherlich nicht mehr, immerhin hat sich die Sendung einen sehr guten Ruf bei sehr vielen erfolgreichen Musikern und Produzenten erarbeitet.

Insofern sollte das Motto für VOX lauten: Mund abputzen, 2019 weiter machen - und vor allem wieder etwas geiler machen, ohne die Zukunftsträchtigkeit dieser Marke mit Drama auf Knopfdruck ernsthaft zu gefährden.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
elmi2
22.06.2018 14:20 Uhr 1
Vieles davon hatte ich in meinem Kommentar Anfang der Woche ja auch schon erwähnt. Zu dem hier erwähnten fand ich dieses Jahr auch den Mark-Forster-Overkill im deutschen TV als möglichen Grund zum Langweilen nicht ganz unwichtig.

Potentielle Kandidaten gibt es auch außerhalb der "großen Namen" sicherlich noch genug, auch solche, die durch eigenen Stil hervorstechen. Mir fällt hier beispielsweise Pit Baumgartner ein (Kopf hinter "De-Phazz"), der als Produzent, Komponist und Remixer auch schon jahrelang in der deutschen Musikszene mitmischt, wenn auch eher im Jazz-/Lounge-Bereich. Oder Max Mutzke, der zwar kein Underdog mehr ist, aber sicherlich ebenso Unterhaltungswert hat wie einen hohen Wiedererkennungswert. Als "Klassiker" könnte ich mir beispielsweise Stefan Zauner ("Münchener Freiheit") vorstellen und als aktuellen Chart-Stürmer Clueso (der sicherlich ähnlich passt wie Mark Forster). Oder wie wäre es mal mit Stefan Raab, der als Musiker immer noch deutlich unterschätzt wird und in so einer Sendung mal zeigen könnte, dass er viel mehr ist als der TV-Kasper, als den man ihn kennt?
tommy.sträubchen
22.06.2018 15:23 Uhr 2
super Idee mit Stefan Raab das würde mich echt zum einschalten bewegen.... Aber mir persönlich ist Mark Foster auch etwas zu present in den letzten beiden Jahren.Ich freue mich aber trotzdem auf die neue Staffel
Vittel
22.06.2018 15:48 Uhr 3
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Raab noch mal in so einer Form im TV auftaucht. Vielleicht als Gastauftritt, aber nicht als tragendes Element einer ganzen Show, die sogar noch ins Straucheln geraten ist.

Dafür ist er viel zu erfolgsorientiert und hat es nicht nötig, einen Flop zu landen oder nur Mittelmaß zu erreichen.



Die einzige Chance für ein Raab TV Comeback wäre eine ganz neue Idee, was wirklich revolutionäres.

Ich erwarte aber eher, dass er sein momentanes Projekt "Stefan Raab live" ein paar Jahre weiterführt, abseits des TV-Zirkus.
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