Trotz Lobeshymnen: «The Dark Knight Rises» wird wegen Logiklöchern auch stark kritisiert. Zu Unrecht?
«The Dark Knight Rises» genießt zwar sehr positives Feedback, jedoch bemängeln Kritiker und Fans zahlreiche Logiklöcher in diesem komplexen und spektakulären Trilogie-Finale. Über manche inhaltlichen Probleme lässt es sich in geselliger Runde tatsächlich hitzig diskutieren, allerdings ist nicht jeder im Internet angeprangerte Filmfehler tatsächlich einer. Unabhängig davon, ob man nun die Haare spaltenden «The Dark Knight Rises»-Kritiker nun kritisieren will, weil sie nicht genau hingeschaut haben, oder ob man Christopher Nolan beschuldigt, Dinge nicht ausreichend erklärt zu haben: Wer das Kino nach «The Dark Knight Rises» mit einigen Fragen verlassen hat, soll an dieser Stelle auch eine Auswahl an Antworten finden.
Banes Plan ist doch vollkommen sinnlos, oder? Wenn er Gotham zerstören will, wieso fünf Monate warten und nicht sofort die Bombe hochjagen?
Banes Plan ist kein löchriger Plotmotor, der schlichtweg deshalb eine Zeitspanne von rund fünf Monaten überdauert, damit der Film nicht plötzlich nach dem zweiten Akt ein abruptes, düsteres Ende nehmen muss. Viel mehr steckt dahinter eine größere Ideologie, auch wenn man gewiss darüber streiten kann, wie sinnig diese ist: Als Gothams selbsternannte Bestrafung und von der Liga der Schatten ausgebildeter Vollstrecker sieht sich Bane nicht auf einer Linie mit dem sich am Chaos erfreuenden Joker, sondern als Botschafter des weltlichen Gleichgewichts. In «Batman Begins» erklärt Ra's al Ghul, dass die Schattenliga seit Anbeginn der Geschichtsschreibung maßlose, dekadente und amoralische Gesellschaften heimlich von innen niedergestreckt hat. Dies erfolgte jedoch nie als Terroranschlag, viel eher setzte stets einen von langer Hand geplanten Selbstzerstörungsprozess in Gang. Dies soll nun auch auf Gotham zukommen: Bane kappt Gotham von der Außenwelt ab und predigt den Bürgern, sie könnten sich von den Fesseln erlogener Rechtsprechung und ungleich verteilter Ordnung befreien.
Die Bombe dient, nach außen hin, als zusätzliches Druckmittel, um diesen Schuss vermeintlich fairer Anarchie zu verkaufen. Dass es eine Zeitbombe ist, wissen die Normalbürger nicht. Bane möchte, dass in den Geschichtsbüchern so etwas steht wie „Nach einem Terroranschlag hat sich die Stadt Gotham innerhalb von fünf Monaten von innen heraus selbst zerfressen“ – würde er Gotham schlicht sprengen, stünde in ihnen „Ein Irrer hat Gotham gesprengt“, was keine nachhaltige Botschaft an die Welt darstellen würde. Außerdem genießt Bane es, der Stadt die falsche Hoffnung zu schenken, die er in der Hölle auf Erden erdulden musste. Dass Talia al Ghul Rache an Batman nehmen möchte, eine langsame, ihn moralisch demotivierende Rache, spielt diesem Plan nur weiter zu: Zu sehen, wie er den langsamen Zerfall seiner Stadt beobachten muss, erachtet sie als große Befriedigung, während ein schneller Tod für sie zu gnädig wäre.
Da kann doch was nicht stimmen: Wenige Minuten, nachdem Bruce Wayne aus dem Gefängnis kletterte, taucht er im schwer überwachten Gotham auf ...
Stichwort „Unterschied zwischen 'Erzählzeit' und 'erzählter Zeit'“: Es vergehen zwar bloß wenige Filmminuten zwischen Bruce Waynes Selbstbefreiung aus dem höllenhaften Gefängnis und seiner unerwarteten Ankunft in Gotham, jedoch verstreicht zwischen diesen Szenen innerhalb der Filmhandlung deutlich mehr Zeit. Wer auf den Fernseher im Gefängnis achtet, wird erkennen, dass die Krise von Gotham kurz vor Waynes zweitem Befreiungsversuch rund drei Monate andauert. Anhaltspunkte, wie viel Zeit zwischen dem zweiten und finalen Befreiungsversuch vergangen sind, gibt einem der Regisseur nicht, aber Bruce Wayne hatte nach seiner zweiten Klettertour im Gefängnis knapp zwei Monate Zeit, sich moralisch aufzurappeln, körperlich zu stärken, zu befreien und irgendwie nach Gotham zurückzukehren, wo er Selina Kyle trifft und ihr erklärt, dass sie kaum mehr einen Tag haben, um die Bombenexplosion abzuwenden. Wie gut Bruce Wayne darin ist, ohne Geld durch die Welt zu reisen, erfuhr der geneigte Zuschauer bereits in «Batman Begins». Um die Dramatik des finalen Aktes von «The Dark Knight Rises» zu stärken und das Gefühl der sich zuspitzenden Situation nicht zu untergraben, verzichtete Christopher Nolan auf eine „Bruce Waynes Reise um die Welt“-Sequenz, welche eh kaum etwas neues über ihn erzählen würde.
Batman schafft die Bombe also aus der Stadt – dennoch müsste Gotham im Strahlungsumkreis liegen, was letztlich für jeden Bürger der Stadt enden müsste.
Wäre es eine konventionelle Atombombe, so hätte dieser Kritikpunkt Hand und Fuß. Allerdings wird zu Beginn von «The Dark Knight Rises» mehrfach erläutert, dass Wayne Enterprises neue Formen sauberer Energie erforschte, wie wir sie bislang nicht kennen. Vielleicht wird manchen Zuschauern diese Ausflucht zu dünn sein, aber es ist kein Atomreaktor, der in eine Atombombe umgewandelt wird, sondern der Prototyp einer neuen Energieform, der als Neutronenbombe missbraucht werden kann. Kleine, doch feine Unterschiede!
Die Strahlung des Reaktors ist so niedrig, dass sich Figuren ohne jegliche Schutzbekleidung in seine Nähe bewegen – gut möglich, dass die Strahlung nach Explosion der Bombe nicht über die Bucht Gothams hinausreicht. Wir Filmkonsumenten erhalten jedenfalls keine gegenteiligen Informationen.
Moment, saß Bruce Wayne nicht wenige Sekunden vor der Explosion noch im Cockpit von „ The Bat“?
Im Gegensatz zu «The Dark Knight», in dem Nolan ausschließlich die Realität seines Filmuniversums abbildet, werden in «The Dark Knight Rises» auch die Vorstellungen von Figuren visualisiert. Recht früh im Laufe des Films erzählt Alfred von seinen Florenz-Ausflügen, welche dem Kinopublikum gezeigt werden, einige Zeit später bekommt es auch Bruce Waynes Halluzination von Ra's al Ghul zu Gesicht. Vor allem etabliert der Film, dass diese Einschübe nicht faktisch sein müssen: Bruce Wayne stellt sich die einzige gelungene Flucht aus dem Gefängnis, in welches er von Bane verfrachtet wurde, zweimal vor: Einmal mit einem jungen Bane und einmal mit einer jungen Talia al Ghul. Nur letztere Vorstellung entspricht der Realität.
Batmans Flug gen Horizont, um die Bombe aus der Nähe Gothams zu schaffen, wird von Gegenschnitten auf einen dieses tragische Ereignis verfolgenden John Blake unterbrochen. Die Kamera zoomt auf seine verwunderten Augen, woraufhin der Schnitt zum im Cockpit befindlichen, todgeweihten Batman/Bruce Wayne anschließt. Sofern man nicht die später folgenden Sequenzen, in denen Lucius Fox und Alfred ein Lebenszeichen von Bruce Wayne erhalten, als Einbildung abstempeln möchte, so ist es im Rahmen der inszenatorischen Gesetzte von «The Dark Knight Rises» gut und schlüssig, dass das Filmpublikum an dieser Stelle kurz an der dramatischen Vorstellung John Blakes teilhaben durfte.