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«Divorce» und «Insecure»: HBO macht auf Zeitgeist

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Eine alte Bekannte und ein Newcomer: Sarah Jessica Parker und Issa Rae heißen die Stars zweier neuer HBO-Comedyserien. Beide erzählen von der Unsicherheit privater Lebenswelten, von dem Weg zwischen Freiheit und Sicherheit, und von der Suche nach Liebe. Eine der beiden Serien versagt dabei, die andere triumphiert.

«Insecure»

Cast & Crew

  • Idee: Issa Rae
  • Darsteller: Issa Rae, Jay Ellis, Yvonne Orji, Lisa Joyce
  • Regie (Pilot): Melina Matsoukas
  • Produzenten: Issa Rae, Prentice Penny, Michael Rotenberg u.a.
  • Produktion: Penny for Your Thoughts, 3 Arts
Issa Rae hat sich bislang vor allem einen Namen als YouTube-Persönlichkeit gemacht, ihre Webserie «Awkward Black Girl» erreichte über 20 Millionen Menschen im Netz und überzeugte viele Kritiker. Die logische Folge ist der Schritt ins Qualitätsfernsehen: Ihre TV-Serie «Insecure» erzählt die ganz gewöhnliche Geschichte einer ganz gewöhnlichen black women in den USA, ohne Klischees, ohne Überzeichnung, aber immer mit dem latenten Thema: Hautfarbe. Wie schwarze Menschen dies im Alltag zu spüren bekommen, zeigt uns Issa Rae auf berührende, authentische Art und Weise – nicht wertend, ohne moralischen Zeigefinger. Und nicht negativ. Issa, so heißt auch die Hauptfigur in der Serie, ist auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück, beruflich und privat. Sie vergleicht sich mit ihrer besten Freundin Molly, die als Businness-Frau erfolgreich Karriere macht. Aber auch sie merkt irgendwann, dass ihr etwas im Leben fehlt.

«Insecure» steht in der Tradition eines derzeitigen Comedy-Trends im amerikanischen Bezahl- und Kabelfernsehen. «Master of None», «Love», «Broad City», zuletzt «Easy», auch «Girls» könnte man als Vorreiter noch dazuzählen: Alle dieser Serien handeln von Menschen im Alter um die 30, die auf einer Art Sinnsuche sind nach ihrem Platz in der Gesellschaft, meist sind sie Single. Porträtiert wird immer die urbane Elite, die schon ein bisschen was aus ihrem Leben gemacht hat, aber sich zunehmend fragt, ob sie das Richtige tut: Leidenschaft oder Geld? Lernen oder Arbeiten? Beziehung oder Single? Stabilität oder Risiko? Die typischen Grundfragen kommen auf den Tisch: YOLO, FOMO, Verlieben im digitalen Zeitalter, work-life-balance, settling down.

Die Macher dieser Serien sind Beobachter unseres Zeitgeists, vor allem von den älteren Millenials, also den älteren Vertretern der sogenannten Generation Y. Dabei ist zunächst festzustellen: Das Fernsehen, genauer: die Serie, festigt ihre Stellung als das Medium, das Geschichten über die Probleme und Lebensstile einer bestimmten Generation erzählt. Diese Zeitgeist-Comedy gab es schon früher, man denke an «Sex and the City». Doch erstens waren diese Erzählungen oft zu überzeichnet, um wirklich das Lebensgefühl einer Generation authentisch anzusprechen – das gilt auch für das glamouröse Leben der New Yorker Single-Frauen damals. Und zweitens existierten diese TV-Serien nur punktuell, während heute die Zeitgeist-Comedy für die Generation Y schon ein eigenes Subgenre bildet. US-Kritiker haben einen Namen dafür: die „millenial sitcom“.

In der Reihe dieser Werke haben «Insecure» und Issa Rae ihren Platz verdient. Zuallererst, weil die schwarzen US-Millenials mit ihren Lebenswelten noch keine Stimme im Genre gefunden hatten. Aber vor allem deswegen, weil «Insecure» neue Facetten hinzufügt: Dort, wo Aziz Ansari oder Gillian Jacobs in ihren Serien zynisch rüberkommen – ein typisches Merkmal der millenial sitcom –, wirkt «Insecure» trotz seines titelgebenden Themas der Unsicherheit optimistisch und voller Tatendrang. Auch hier wissen die Charaktere nicht wirklich, wohin es gehen soll mit ihrer beruflichen und privaten Zukunft – und aus dieser Luxus-Not wird eine Tugend gemacht: Sie leben einfach drauf los, wie Issa, die sich kaum traut, ihre eigene neue Rap-Komposition im Open-Mic-Club vorzutragen. Doch nach den ersten zittrigen Versen gewinnt sie auf der Bühne Selbstbewusstsein, ihr wird zugejubelt. Sie fühlt sich wohl, probiert neue Wege aus. Und wenn es schiefgeht, who cares?

«Divorce»
Die neue Comedy mit Sarah Jessica Parker spricht dasselbe Thema an wie «Insecure», nur auf andere Weise: Unsicherheit. Die Generation, um die es diesmal geht, ist älter als die bei Issa Rae, älter als 40 also. Sarah Jessica Parker spielt Frances, eine Frau, die unerfüllt ist von ihrem gleichmäßigen Alltag, der zwischen Kindererziehung und unzufriedenem Ehemann pendelt. Es steht der 50. Geburtstag einer guten Freundin an; auch sie plagt Unzufriedenheit. Als sie jedenfalls auf ihrer Geburtstagsparty im volltrunkenen Affekt zur Waffe greift und ihren Mann bedroht, brechen Lebenswelten zusammen: Die Freundin wird in Handschellen abgeführt, und Frances denkt an diesem Abend über ihr Leben nach. Soll sie sich von ihrem Mann trennen und mit ihrer geheimen Affäre durchbrennen? Will ihr Lover das überhaupt? Was wird aus den Kindern?

Cast & Crew

  • Idee: Sharon Horgan
  • Darsteller: Sarah Jessica Parker, Thomas Haden Church, Molly Shannon, Talia Balsam u.a.
  • Regie (Pilot): Jesse Peretz
  • Produzenten: Sharon Horgan, Sarah Jessica Parker, Paul Simms u.a.
  • Produktion: Merman Films, Kapital Entertainment
  • Folgen: 10 in Staffel 1
Ganz im Gegenteil zu «Insecure» schlägt «Divorce» einen depressiven Unterton an, der schwer auszuhalten ist. Selbst das Setting wirkt pathetisch trübe; einige Szenen spielen im schneeverwehten Winter. Die existenziellen Fragen werden hier weniger zum Dialogthema, sie schwimmen eher im Kopf des Zuschauers mit. Leider. Denn wo «Insecure» diese Fragen zum Anlass nimmt, auch von den Charakteren beantwortet und diskutiert zu werden, dort schweigt «Divorce». Inkonsequent erscheint auch die erzwungene Tragikomik, die überzeichnet wirkt und der Serie damit Authentizität nimmt. Die frühe Szene, in der Frances‘ Freundin ausrastet und ihren Mann mit einer Schusswaffe bedroht, welcher daraufhin einen Herzanfall erleidet – und das auch noch auf der Geburtstagsparty zum 50. –, scheint doch arg konstruiert. Ein bisschen «Sex and the City» schwingt in einigen solchen Szenen durchaus noch mit. Nur passt der Tonus der restlichen Serie nicht mehr zu dieser Art von Comedy. Im Gegensatz zu Carrie Bradshaw wird man diese Sarah Jessica Parker aus «Divorce» wohl nicht in Erinnerung behalten.

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