Die Kritiker

Keinerlei Suchtgefahr

von

In "Borowski und der Himmel über Kiel" verschlägt es den «Tatort»-Kommissar am Sonntag ins Crystal-Meth-Milieu. Eine seiner misslungensten Folgen. Julian Miller erklärt, warum:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Axel Milberg als Klaus Borowski
Sibel Kekilli als Sarah Brandt
Elisa Schlott als Rita Holbeck
Joel Basman als Mike Nickel
Alexander Finkenwirth als Harald Wagner
Matthias Weidenhöfer als Furkan
Thomas Kügel als Roland Schladitz

Hinter der Kamera:
Produktion: Nordfilm Kiel GmbH
Drehbuch: Rolf Basedow
Regie: Christian Schwochow
Kamera: Frank Lamm
Produzentin: Kerstin Ramcke
Erinnern Sie sich noch an «Breaking Bad»? Richtig, da ging’s um Crystal Meth. Und was hat der «Tatort» vom Sonntag mit «Breaking Bad» zu tun? Genau, da geht’s auch um Crystal Meth. An dieser Stelle sollten wir aber mit den Vergleichen mit ausländischen Qualitätsserien aufhören. Das könnte einen depressiv stimmen und dazu führen, dass man nach „Borowski und der Himmel über Kiel“ gleich zum härtesten Zeug greift, das man kriegen kann.

So schlimm? Ja, es geht ziemlich schlimm zu in „Borowski und der Himmel über Kiel“. Nicht nur, dass Borowski und Sarah Brandt diesmal in einem ziemlich trostlosen Milieu ermitteln; die ideenlose wie klischeehafte Erzählweise zieht einen mindestens genauso tief runter.

Irgendwo in der finstersten Pampa von Schleswig-Holstein, mehrere Dutzend Kilometer von Kiel entfernt, wird der Kopf eines jungen Mannes gefunden. Trotz fehlenden Torsos geht die Identifizierung schnell vonstatten: Der Tote heißt Mike, und ebenso schnell stoßen die Ermittler auch auf seine Verstrickungen in die örtliche Chrystal-Meth-Szene, die sich bis in die Landeshauptstadt zieht.

Mike hatte das Zeug nicht nur in großen Mengen genommen, sondern auch vertickt. Darauf kommt die Polizei durch seine Freundin Rita, die in Folge ihrer Kooperation mit den Behörden von zwei finsteren Gestalten bedroht wird. Dabei ist ihre Ausgangsposition nicht die Schlechteste: Sie selbst hat den Absprung geschafft, ist clean, hat einen Job.

Zu ihren Meth-Zeiten war das natürlich anders: Da bestand der Tagesablauf aus Sex, Drogen und Raven. Ihr Weg in die Szene hatte über Junkie Mike geführt, der sie eines Abends an einem Stehtisch vor einem Laden aufgegabelt hat. Ausgangspunkt für „Der Himmel über Kiel“, um weitschweifig von der Anbandelung der beiden, ihrem exzessiven Drogenmissbrauch und dem anschließenden Kollaps zu erzählen. Blöderweise ist diese Geschichte aber nur aus Kitschversatzstücken zusammengestöpselt, die so klischeehaft und überzeichnet sind, dass sie ein Bravo-Heftchen als einzige Recherchequelle vermuten lassen. An der tiefenpsychologischen Ebene besteht kein Interesse: Mädchen trifft Typen, Typ nimmt Crystal Meth, ergo nimmt auch Mädchen bald Crystal Meth, soll als vollumfassendes Erklärungsmodell ausreichen. Und schon sitzt das arme nette Mädchen in der Drogenfalle. Das hätte sich näher an den Figuren erzählen lassen, vielschichtiger, plastischer, dramatischer. So ist es eher ein penetrantes Lehrstück geworden, das gerade durch diesen aufdringlich-suggestiven didaktischen Stil nicht nur jedwede Relevanz verliert, sondern die Welt von Teenagern und jungen Erwachsenen unangenehm stark auf Klischees reduziert. „Borowski und der Himmel über Kiel“ erzählt nicht, sondern führt abschreckende Beispiele vor, um an ihnen illustrieren zu können, wie abschreckend sie sind. Gleichzeitig fehlt jedes tiefergehende Interesse an den eigenen Figuren, denen jedwede Eigendynamik, die ihren überbetonten klischeehaften Zeichnungen zuwiderlaufen würde, verweigert wird.

Man nimmt nicht allzu viel vorweg, wenn man schon hier preisgibt, dass ein zentraler Handlungsstrang darin besteht, wie Rita nach dem Verlust ihres Freundes, der dauernden Bedrohung und Misshandlung der beiden Crystal-Meth-Schergen ausgesetzt, langsam wieder mit den Drogen liebäugelt. Denn das ist so vorhersehbar wie ideenlos – und fügt sich somit perfekt ins Raster von „Borowski und der Himmel über Kiel“ ein.

Der Rest ist leider ähnlich misslungen: Für verstockte norddeutsche Verhältnisse wird erstaunlich viel geredet in diesem «Tatort». Vor allem viel Unsinniges. „Wer macht denn sowas?“, fragt Sarah Brandt mäßig entsetzt, als die Kollegen den abgetrennten Kopf aus dem Fluss ziehen. „Diese Frage sollten wir beantworten“, erwidert Borowski. Na, dann mal los. „Wissen Sie eigentlich, zu was Frauen unter Drogen fähig sind?“, fragt sie ihn später erwartbar wie suggestiv und kommentiert seine Entscheidungen, mit denen sie nicht einverstanden ist, mit einem „Herr Borowski, ich find’ das nicht gut.“ Wenn Sibel Kekilli, ihrem schauspielerischen Talent unwürdig, ständig schulmeisterliche Fragen stellen muss, wird das auf Dauer schwer erträglich. Dieser «Tatort» baut daraus ganze Wendepunkte.

Das Erste zeigt «Tatort – Borowski und der Himmel über Kiel» am Sonntag, den 25. Januar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/75838
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