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Cindy aus Marzahn soll dauerhaft Lanz' Co-Moderatorin bei «Wetten, dass..?» werden. Ein Kommentar von Julian Miller.

Man scheint beim ZDF der Ansicht zu sein, unbedingt einen Gegenpol zum streberhaften Markus Lanz auf der Wettcouch zu brauchen. Jemanden, der nicht den Finger an den Mund legt, um aufmerksames Zuhören vorzutäuschen. Jemanden, der vielleicht etwas nahbarer ist und nicht im Duktus der gezwungenen guten Laune immer kalauert, immer lächelt und seinem Erstaunen nur durch einige „Wows“ Ausdruck verschaffen kann, die bei ihm so klingen, als hätte er sie sich vor der Sendung auf die Kärtchen geschrieben. Bei Markus Lanz wirkt Unterhaltung immer wie eine Zwangsmaßnahme.

Ab der nächsten Sendung lässt der Biedermann Cindy aus Marzahn nun auch ganz offiziell als Co-Moderatorin in seine Sendung. Eine größere Lanz-Antithese kann man sich kaum vorstellen. Ilka Bessins Kunstfigur ist überkandidelt unterschichtlich, im pinken Overall betont uneitel, auch wenn sie mit Lippenstift und Aldi-Haarschmuck ein bisschen adäquates Styling präsentieren will. Ganz im Gegensatz zu Lanz' gezwungen unterhaltsamem Schwadronieren und den nach Schuluniform aussehenden Anzügen.

Berliner Schanuze und Schwiegermutterliebling auf einer Bühne. Lanz für die zur Staatsaffäre aufgebauschten Moderier- und Ansagaufgaben, Cindy für ein paar Mittelmaßgags – und für manche Zuschauergruppen funktioniert sie vielleicht auch als Identifikationsfigur, bzw. ist eventuell vom ZDF als solche gedacht. Dass sie in einer der drei bisherigen «Wetten, dass..?»-Sendungen der Lanz-Ära von Atze Schröder, dessen Stil und Humor in die selbe Kerbe schlagen, vertreten wurde, spricht dafür.

Lanz und Cindy sind zwei Extreme, die zwei völlig verschiedene Anreize bedienen. Lanz ist der kleinste gemeinsame Nenner des ZDF, auf den sich alle Zuschauer einigen können, weil er niemandem einen Grund liefert, ihn abzulehnen. Und Cindy ist die Bodenständige aus dem Arbeiterbezirk, vielleicht sogar ein bisschen assi, aber zumindest nimmt sie nie ein Blatt vor den Mund. Und ist dabei so überdreht, dass sie ohnehin niemand ernst nimmt.

Doch die Summe Lanz plus Marzahn ergibt nicht den Durchschnitt aus der Mischung von stilvoller Unterhaltung und ein bisschen Nonsens, großer Showmanship und großem Kindergeburtstag, wie Thomas Gottschalk die Sendung noch präsentiert hat. «Wetten, dass..?» wirkt seit Lanz' Antrittssendung wie eine Veranstaltung für das überzeugte Kleinbürgertum, das das Beamtenleben in sich aufgesogen hat und hier wohl dosiert unterhalten werden will. Mit Cindy aus Marzahn, die eine Verbindung zur Arbeiterschicht herstellen soll. Ein Talkmaster, der alles tut, um nicht zu polarisieren, und eine Kunstfigur mit grellpinkem Overall und Prolet-Chic.

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