Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof Spezial: Gottschalk singt für Deutschland

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 194: Thomas Gottschalks Beinahe-Auftritt beim «Eurovision Song Contest».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir anlässlich der letzten Ausgabe von «Gottschalk Live» einer schnellen Aktion, die ein unerwartet großes Medien-Echo erzeugte.

Der Song „What Happened To Rock 'n' Roll“ feierte am 17. Februar 2001 seine Premiere und entstand zu einer Zeit, als der deutsche Vorentscheid zum «Eurovision Song Contest» aufgrund des überraschenden Triumphs von Guildo Horn und Stefan Raab in den Jahren 1998 und 2000 immer mehr zu einem albernen Klamauk verkam. So hatten sich für den Wettbewerb im Jahr 2001 im Vorfeld bereits das Trio Love Rocket mit einer Nummer über Telefonsex, der ehemalige Modemacher Rudolph Moshammer, der extravagante Techno-Künstler DJ Balloon sowie der ehemalige «Big Brother»-Kandidat Zlatko angekündigt. Angesichts dieser Bewerber zeigten sich bekennende Schlagerfreunde wie Dieter Thomas Heck oder Mary Roos sehr über die Entwicklung der traditionsreichen Veranstaltung besorgt. Kurz, der «Eurovision Song Contest» sorgte für reichlich Gesprächsstoff.

An diesem dominanten Thema konnten offenbar auch die BILD-Zeitung und Moderator Thomas Gottschalk nicht vorbei und schlugen ebenfalls in die Kerbe. Das Blatt ließ nämlich öffentlich über einen Wetteinsatz von Thomas Gottschalk abstimmen. Unter den vorgegebenen Möglichkeiten stand dann auch die Teilnahme am «ESC Vorentscheid» zur Wahl, die erwartungsgemäß gewann. Als Gottschalk die Wette in der Ausgabe vom 20. Januar 2001 dann tatsächlich verlor, stand eigentlich fest, dass der Moderator zum illustren Kreis der Bewerber zustoßen würde. Der Veranstalter des Ausscheids hatte ihm dafür extra ein Nachrückrecht zugestanden, denn eigentlich war die Anmeldefrist bereits verstrichen.

Gleichzeitig wurden aber auch kritische Stimmen laut, die Gottschalk vorwarfen, den «ESC»-Rummel bewusst ausnutzen zu wollen und mit Absicht die Wette verloren zu haben. Weil nicht zu erwarten war, dass der Showmaster mit einem seriösen Titel antreten werde, wurde sein Auftritt in den Folgewochen immer mehr zu einem Politikum zwischen den Musikliebhabern und Unterhaltungsfans. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen griff Gottschalk dann selbst in die Debatte ein und nahm von einer Teilnahme am Musikwettbewerb Abstand: „Mein Gaudi-Auftritt wurde zum Heiligen Krieg, aus dem Spaß wurde bitterer Ernst. Ich hisse die weiße Flagge“, gab er schließlich zu. Weil er sich jedoch nicht vor dem Wetteinsatz drücken wollte, sollte der entsprechende Song in der kommenden «Wetten, dass..?»-Folge aufgeführt werden.

Die Spannung der 14,79 Millionen Zuschauer vor der Premiere war daher groß, schließlich konnte man auch Grant Michael B. und Pomez di Lorenzo, die immerhin die Produzenten hinter Popstar Sasha (und Dick Brave) waren, für den Jux gewinnen. Doch das Ergebnis fiel wenig überraschend aus, denn es entsprach vollständig seinem Image. In dem Song „What Happened To Rock 'n' Roll“ beschwerte er sich nämlich, wie er es zuvor unzählige Mal bereits öffentlich tat, über aktuelle Musikinterpreten und lobte stattdessen die alten Rocklegenden seiner Vergangenheit.

So hieß es im Refrain: „What Happened To Rock 'n' Roll. Ich hab die Schnauze voll. Bring Back Some Rock 'n' Roll.“ In den Strophen witzelte er über Britney Spears, Robbie Williams, die Backstreet Boys, Christina Aguilera, ´N Sync und Eminem – und damit fast ausschließlich über Künstler, die er bereits bei «Wetten, dass..?» freundlich begrüßte. Im Gegenzug sehnte er sich im Lied nach Deep Purple, The Doors, AC/DC, Queen, The Rolling Stones, Led Zeppelin und einer „Dosis Guns 'n' Roses“. Allein anhand dieser Textzeile kann man das Niveau des Songs erahnen, der mit sterilen Gitarren und einem Kinderreimschema künstlich aufgeblasen wurde.

Passend zu diesem Pseudo-Rocksong trat er konsequent in Lederjacke und mit einer vierköpfigen Band auf, die sich „die besorgten Väter“ nannte. Der Auftritt war am Ende eben doch nicht mehr als eine Unterhaltungsnummer und sollte offenbar auch nie mehr als das sein. Aufgrund der medialen Aufmerksamkeit stieg der Song dennoch in der Folgewoche auf Platz 4 der deutschen Verkaufscharts ein und erreichte selbst in der Schweiz und Österreich die Plätze 39 und 63.

Das Stück und sein Inhalt wurden dann wiederum Teil einer Diskussion über die Qualität der damaligen Musik. Unter anderem griff Christian Ulmen das Thema in seiner damaligen MTV-Show «Unter Ulmen» auf und ließ eine Gottschalk-Puppe durch ausgedruckte E-Mails erschießen. „Er hat sich mit seinem Lied ,What Happened To Rock 'n' Roll´ gegen die Musik ausgesprochen, die auf MTV läuft. Deshalb haben wir ihn verbal erschossen“, erklärte Ulmen die Aktion später.

„What Happened To Rock 'n' Roll“ hielt sich insgesamt acht Wochen in den oberen Rängen der deutschen Single-Charts und schaffte es sogar in eine Ausgabe der «Ultimativen Chartshow» („Die erfolgreichsten Entertainer“). Außerdem erschien eine Compilation unter dem gleichen Titel, auf der die größten Rockklassiker und Gottschalks Song zu hören waren. Seine Liebe zu alten Musiklegenden konnte der Moderator im Jahr 2004 dann erneut ausleben, als er durch die ZDF-Eventreihe «50 Jahre Rock!» führte. Im «ESC Vorentscheid 2001» setzte sich übrigens entgegen aller Voraussagen keiner der Comedy-Acts, sondern Schlagerstar Michelle durch, die letztlich den achten Platz erreichte. Musikproduzent Grant Michael B. arbeitete später auch für den «ESC»-Teilnehmer Max Mutzke, Wilson Gonzalez Ochsenknecht und «Become One», die Gewinnerband der RTL-II-Castingshow «Fame Academy».

Möge der Song in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem endgültigen Durchbruch von Thomas Gottschalk, der sehr an das spätere «Gottschalk Live» erinnerte.

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