Die Kritiker

«Tatort: Falsch verpackt»

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Story:


Das Versagen des Kühlaggregates eines Containers im Wiener Donauhafen führt Moritz Eisner und seine Partnerin Bibi Fellner auf eine heiße Spur. Neben einer Menge Hühnerfüße werden beim Öffnen des Behälters mit den Wassermassen auch drei noch halbgefrorene und in Plastikfolie gehüllte männliche Leichen herausgespült. Ganz offensichtlich sind es Asiaten.

Nachdem am nächsten Morgen der Hund eines Spaziergängers in einem Park eine abgeschnittene Hand gefunden hatte, werden bald darauf weitere Körperteile in Mülltonnen entdeckt. Der Tote ist der Chinese Tsao Kang, der in der Nacht zuvor betrunken in einem Chinarestaurant randaliert hatte. Auf Fürsprache von Dr. Oskar Welt, dem Chef der Fremdenpolizei, war er jedoch schon kurz nach seiner Festnahme wieder freigelassen worden.

Auf den ersten Blick scheint kein Zusammenhang zwischen den Leichenfunden zu bestehen. Doch in beiden Fällen führen die Ermittlungen zu dem Fleischgroßhändler Klaus Müller. Plötzlich gerät Bibi Fellners Spezi ins Fadenkreuz, der Klein-Ganove und Freudenhaus-Besitzer Inkasso-Heinzi. Denn im Mordfall Tsao Kang werden seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe, einem Samurai-Schwert, gefunden. Moritz Eisner ist entsetzt und schreit seine Partnerin an: „Du bist mit einem Mörder befreundet …" Noch wütender macht ihn, dass sich der Gesuchte bei der Festnahme mit einem blitzschnellen Kopfstoß befreien kann und Eisner dabei die Nase anbricht.

Zusätzlichen, massiven Ärger gibt es für Moritz Eisner mit seinem Kollegen und Vorgesetzen Dr. Oskar Welt, dem er unter anderem vorwirft, die Aussage von Tsao Kang vor der Polizei verhindert zu haben. Als der so Beschuldigte ihm daraufhin massiv droht, lässt Moritz Eisner ihn verhaften.

Sorgen macht sich der Chefinspektor um Bibi, die einen Alkohol-Rückfall erlitten hat und ihn voller Verzweiflung anruft. Als er sie nach Hause bringt, findet er in ihrer Wohnung den flüchtigen Inkasso-Heinzi vor, der sich hier ohne ihr Wissen versteckt hatte. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schlägt Eisner zu - seine Revanche für den schmerzhaften Kopfstoß. Doch wenig später gibt Bibis Freund der Polizei einen wichtigen Tipp. Dabei geht es um einen Betrieb, in dem von überwiegend chinesischen illegal Beschäftigten u. a. minderwertige Lebensmittel umgepackt sowie umbenannt und als hochwertige Biokost deklariert werden. Die ist vor allem für Restaurants bestimmt und wirft einen hohen Profit ab. Vieles deutet bei diesen schmutzigen und äußerst rücksichtlosen Geschäften auf eine geheimnisvolle Verbindung zur chinesischen Mafia hin.

Als der Fleischgroßhändler Müller steif gefroren in einer Kühlkammer seiner Firma gefunden und kurz darauf Dr. Oskar Welt ermordet wird, droht dieser Fall aus dem Ruder zu laufen. Rätselhaft ist zudem die Rolle der Restaurantbesitzerin Gú Bao, die früher mit dem Polizeichef verheiratet war und Chefin des Lokals ist, in dem Tsao Kang mit einer Eisenstange eine große Fensterscheibe zertrümmert hatte und auf Gäste losgegangen war. Bei Gú Bao scheinen viele Fäden zusammen zu laufen. Doch wovor hat sie eine so alles überschattende Angst?

Darsteller:
Harald Krassnitzer («Der Winzerkönig») als Moritz Eisner
Adele Neuhauser («Wo ist Fred?») als Bibi Fellner
Tanja Raunig («Aufschneider») als Claudia Eisner
Martin Brambach («Unter anderen Umständen») als Klaus Müller
Erwin Steinhauser («Single Bells») als Oskar Welt
Simon Schwarz («Weihnachtsengel küsst man nicht») als Inkasso-Heinzi
Nahoko Fort-Nishigami («Der rote Punkt») als Gú Bao

Kritik:
Während beim Münsteraner «Tatort» nahezu alles passt, kommen die Wiener Kollegen an dieses Niveau zwar hin, bleiben aber doch noch eine, wenn auch verhältnismäßig kleine, Abstufung darunter. Zwar sind die beiden österreichischen Hauptcharaktere genauso schlagfertig wie das Thiel-Boerne-Duo aus Nordrhein-Westfalen, in weiten Teilen geht es hier aber noch um eine ordentliche Ecke derber zu. Das muss man mögen, es lockert aber das an sich wenig innovative Genre ordentlich auf und schafft ein Alleinstellungsmerkmal im krimiüberdrüssigen deutschen Fernsehen. Wenn Eisner und Fellner am Sonntagabend auf fröhliche Leichenteilsuche gehen und Eisner den dabei gefundenen Kopf zum Entsetzen seiner Tochter im heimischen Kühlschrank zwischenlagert (Die Spurensicherung hatte schon Feierabend), mag das zwar maßlos überdreht sein – in sich stimmig ist es aber zweifellos. Hier sind Ermittler unterwegs, die nichts mehr schocken kann und die schon so ziemlich alles gesehen haben. Abgebrühter kann man kaum sein. Das trägt einiges zu dem sehr markanten Stil bei.

In der zweiten Hälfte des Films ändert sich der Ton aber, geht weg vom Derben und Leichtfüßigen, wird düsterer, schwerer. Drehbuchautor Martin Ambrosch schafft hier insgesamt einen recht glatten Übergang, dennoch versinkt das Buch im zweiten Akt einmal kurz beim allzu Melodramatischen, was zu dem sehr komödiantischen Duktus zuvor wenig passt. Doch Ambrosch schafft es schnell wieder in die Spur und erzählt von da an zwar dunkler, dafür aber mit weniger Überzeichnung. Das ist auch notwendig, schließlich wird auch das Thema zu dieser Zeit schwerer. Doch letztlich bleiben die entsetzlichen Zustände, unter denen Tausende chinesische Immigranten in mitteleuropäischen Städten hausen müssen, wenig mehr als eine Kulisse, um von Polizeikorruption zu erzählen. In ein, zwei Szenen darf Oskar Welt seinen rassistischen Abfall loswerden, der, anders als es vielleicht wünschenswert gewesen wäre, zwar nicht explizit auseinandergenommen, implizit jedoch glasklar zurückgewiesen wird.

Letztlich verweigert Ambrosch uns eine endgültige Auflösung des Falles. Schon in der ersten halben Stunde hatte der korrupte Polizeichef, der durch all seine dubiosen Geschäfte auffällt, Eisner versichert, dass der Fall nie zu einer endgültigen Aufklärung kommen würde. Damit behält er recht. Am Schluss, so muss man diesen Film wohl lesen, ist der Staat unfähig, an die Drahtzieher dieser organisierten kriminellen Machenschaften zu kommen. Am Schluss kann der Staat niemanden mehr schützen, der schon zu tief drin steckt. Er kann allenfalls die Marionetten aus dem Weg schaffen. Überall herrscht Angst. Und wo Angst herrscht, herrscht bald auch Verzweiflung.

Im großen Ganzen betrachtet muss der Wiener «Tatort» wohl noch zu einem angenehmen Rhythmus finden. Denn die zugegeben sehr schwierige Gradwanderung zwischen derbem, zynischem Humor und starker Charakterzeichnung auf der einen Seite und der nuancierten Betrachtung gesellschaftlich relevanter Problemfelder auf der anderen hat man in der neuen Folge „Falsch verpackt“ nämlich noch nicht zur vollen Zufriedenheit geschafft. Dennoch: Der neue «Tatort» am Sonntag erzählt flüssig, tiefgreifend und unterhaltend, während die szenische Umsetzung von Regisseurin Sabine Derflinger packend und ästhetisch ansprechend ausfällt. Besonders sehenswert ist auch der exzellente Cast.

Das Erste zeigt «Tatort: Frisch verpackt» am Sonntag, 25. März 2012, ab 20.15 Uhr.

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