Serientäter

«Amazing Stories»: Steven Spielberg fasst sich kurz

von

In der Kürze liegt die Würze: Das stellt das amerikanische Fernsehen seit Jahrzehnten mit seinen Anthologie-Serien unter Beweis. Eine neue ist gerade bei AppleTV+ auf Sendung gegangen.

Crew

Produktion: Universal Television, Amblin Television, Kitsis/Horowitz und ABC Studios
basierend auf der gleichnamigen Serie von Steven Spielberg aus den 80er Jahren
Executive Producer: Edward Kitsis, Adam Horowitz, Steven Spielberg, Darryl Frank und Justin Falvey
Anthologie-Serien sind ein zweischneidiges Wert. Einerseits haben sie den Vorteil, keine „stabile Welt“ etablieren zu müssen, die über viele Episoden und Staffeln ohne allzu große Variationen tragen muss. Die Regeln, nach denen die erdachte Ein-Folgen-Welt funktioniert, dürfen flexibler sein, was auch Plots und Figuren weit größere Handlungsspielräume eröffnet. Die Macher können frei von Genrekonventionen denken, sich gerne auch an paranormalen und übernatürlichen Elementen bedienen und weitgehend ungeachtet von irgendwelchen zwingenden Seherwartungen erzählen. Ideale Bedingungen für kreative Köpfe, denen das Gesetz der Serie (auch in Zeiten ambitionierter Serials) zuwider geworden ist.

Die Kehrseite dieser Beobachtung: Anthologie-Serien dringen selten zu dem besonderen inhaltlichen Niveau vor, auf dem sich die ambitioniertesten seriellen Formate bewegen: Eine Stunde Netto-Laufzeit ist genug für eine kurze, prägnante Beobachtung, lässt aber keinen Raum für eine umfangreiche Charakterstudie wie bei Walter White, einen dichten überkomplexen Thriller wie «Homeland» oder ein postmodernes Experiment wie «Mr. Robot».

Das maßgeblich von Steven Spielberg erdachte NBC-Format «Amazing Stories» aus den 80er Jahren ist trotz seiner kurzen Laufzeit (und damals schlechten Quoten) eines der bekannteren Beispiele der Genre-Geschichte. Jede Woche durfte sich ein neues Regie-, Autoren- und Darsteller-Team an einer neuen Idee ausprobieren; und wie beim Gros der Anthologie-Erzählform waren die meisten Einträge vergessenswerte Fingerübungen, die mehr wollten als sie konnten und uns nur einen kruden Gedankenabriss zu erzählen hatten. Doch die wirklich gelungenen Ausgaben bestachen durch kluge Impulse und die narrative Ausgereiftheit einer gut durchdachten Short Story.

Die Auftaktfolge der nun bei AppleTV+ angelaufenen Revival-Inkarnation macht sich mit einem völligen Aufbrechen von Raum und Zeit gleich den vollen Umfang des Anthologie-Instrumentariums zu Nutze: Sie erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, die im ländlichen Iowa gerade ein altes Landhaus renovieren. Als ein Sturm aufzieht und einer von ihnen die ausgefallene Sicherung im Keller wieder aktivieren will, wird er hundert Jahre zurück in die Vergangenheit katapultiert, wo er im selben Haus auf eine musikalisch ambitionierte junge Frau trifft, der bald das Korsett einer lieblosen Ehe angeschnürt werden soll. Bei einem Gin- und Jazz-seligen Speak-Easy-Abend kommen sie sich näher, und es beginnt ein Wettlauf durch die Epochen, an dessen Ende ein endgültiges Zusammentreffen oder die ewige Trennung wartet.

So angenehm fokussiert wie diese Geschichte erzählt wird, weckt sie gleich mehrere Gedankengänge: Ein geradezu klischeehafter Millennial fühlt sich in der Welt der Prohibition mehr zuhause als im durchtechnologisierten Heute, während eine Künstlerin in der Peripherie vor hundert Jahren nach den Möglichkeiten lechzt, die in diesem Jahrtausend (etwas optimistisch gesehen) jedem mit Leichtigkeit offen stehen. Abgerundet in eine knappe Stunde Erzählzeit hat dieses Gedankenspiel genau die richtige Länge, um uns seine Idee kurz und prägnant vorzustellen – mit einem zielsicheren, aber einfachen emotionalen Hook und durchaus angenehm reduzierter Komplexität. Wenn die nächsten neun Folgen genauso kurz ausfallen sollten, könnte dieser Neustart ziemlich amazing werden.

«Amazing Stories» ist bei AppleTV+ abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/116516
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