Die Kritiker

«Willkommen bei den Honeckers»

von

Ein Kellner auf der Jagd nach einem Interview mit Erich Honecker. Die Komödie nach einer wahren Begebenheit dreht sich um Idealismus, persönliche Ziele und einen kranken Ex-SED-Generalsekretär.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Max Bretschneider als Johann Rummel
Max Mauff als Maik
Cornelia Gröschel als Jenny
Martin Brambach als Erich Honecker
Johanna Gastdorf als Margot Honecker
u.v.m.

Hinter der Kamera:
Regie: Philipp Leinemann
Buch: Matthias Pacht
Kamera: Christian Stangassinger
Produzent: Christian Rohde
Oftmals liefert das wahre Leben den besten Filmstoff. Und erneut ließ sich das Erste von einer „wahren Geschichte“ inspirieren, was dem Zuschauer direkt zu Beginn von «Willkommen bei den Honeckers» mitgeteilt wird. Eigentlich erstaunlich, dass es ein scheinbar unerschöpfliches Füllhorn an historischen Geschichten gibt, die noch auf ihre Verfilmung warten. Mit der erstaunlichen Story, wie es einem Kellner aus Frankfurt/Oder gelang, eines der zu dieser Zeit begehrtesten Interviews weltweit zu bekommen, ist nun eine weitere Geschichte erzählt - passend pünktlich zum Tag der deutschen Einheit. Unterstützt wird die Reise in die Zeit kurz nach der Wiedervereinigung durch Originalaufnahmen aus der «Tagesschau» sowie dem «Schwarzen Kanal»:

Frankfurt/Oder, 1991: Der junge Kellner Johann Rummel (Max Bretschneider) träumt von einer Karriere als Boulevardjournalist. Ohne Abitur und Berufserfahrung stehen seine Chancen allerdings schlecht. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Fotografen Maik (Max Mauff), versucht er, sich mit Klatschstorys über Promis zu empfehlen. Seine fehlende Erfahrung gepaart mit Zielstrebigkeit macht dennoch Eindruck bei Starjournalistin Elke Marbach (Suzanne von Borsody), die ihn bei ihrer Zeitung empfiehlt. Johann hat eine einzige Chance: Wenn er eine Geschichte liefert, die sonst niemand hat, bekommt er einen Job. Als er der Zeitung ein Interview mit Erich Honecker (Martin Brambach) anbietet, wird er nicht ganz ernst genommen. Die gesamte Weltpresse will dieses letzte Interview und niemand hat es bisher bekommen. Aber Johann hat einen verrückten Plan…

Um Honeckers Vertrauen zu gewinnen, freundet Johann sich mit alten SED-Genossen an und gründet zum Schein den Bund der Jungkommunisten im wiedervereinigten Deutschland. Gestellte Fotos und unzählige Fan-Briefe an den letzten Genossen sind nur der Anfang. Johanns bestem Freund Maik geht das zu weit und Freundin Jenny (Cornelia Gröschel), deren Bruder bei der "Republikflucht" ums Leben kam, wendet sich von ihrem Zukünftigen ab.
Auch wenn der Film von Regisseur Philipp Leinemann unter dem Strich zu Recht als Komödie gekennzeichnet wurde, weißt er auch deutliche Merkmale eines Dramas auf. Besonders die Entfremdung von Johann gegenüber seiner Freundin und seines besten Kumpels nimmt viel Platz im Plot ein. Der Nachwuchsjournalist ist zunehmend besessen von der Idee, das begehrte Interview mit Honecker zu führen. Und zwar um jeden Preis. So dreht sich die Komödie auch um die alte Frage, ob man seinen Idealismus, oder persönlichen Interessen den Vorrang lässt. Trotz Honeckers Vita, unter der vor allem die Familie seiner Freundin leidet, ist er für Johann der Schlüssel zu einer besseren Zukunft.

Der Plot braucht zunächst ein wenig, um in Schwung zu kommen. Auch die ersten Gags wollen nicht wirklich zünden. Mit zunehmender Laufzeit gewinnt «Willkommen bei den Honeckers» jedoch an Profil und regt hier und da zum Schmunzeln an. Laute Lacher sind eher unwahrscheinlich und zudem, da zur Stimmung des Films unpassend, vermutlich auch nicht beabsichtigt. Die Komik ergibt sich eher durch immer wieder erfrischende Dialoge. Besonders das schauspielerische Zusammenspiel zwischen den beiden Kumpels, verkörpert von Max Bretschneider und Max Mauff, weiß hier durch Timing zu überzeugen.

Auffällig ist die musikalische Untermalung der Szenen, die den Zuschauer den gesamten Film über begleitet. Die Komödie geht mit dem Einsatz von Musik nicht gerade sparsam um, bedient sich dabei aber eines breiten Repertoires an Songs und Stücken. Die Auswahl reicht von Radiohits über bedächtige Hintergrundmusik bis hin zu den Hymnen der ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten Sowjetunion und DDR. So entfalten die Worte, die Johann in seinen anbiedernden Briefen an Honecker verwendet, besonders durch die Hymnen ihre Wirkung. Der Politjargon der ehemaligien DDR wird mitsamt dessen idealistischen Pathos vorgetragen. Angesichts der Geschichte des Unrechtsstaats stoßen diese Worte vermutlich besonders den ehemaligen Bewohnern des Arbeiter- und Bauernstaats sauer auf und sind so ein cleveres Stilmittel.

Also kein Wunder, dass die Briefe beim ehemaligen Generalsekretär der SED großen Anklang fanden. Martin Brambach spielt einen Erich Honecker, der in seinen letzten Jahren in Santiago de Chile ein bescheidenes Dasein fristet. Honecker wird als kranker und gebrochener, jedoch keineswegs reumütiger Mann dargestellt, der dem vermeintlichen Jungkommunisten manch brisantes Detail aus seinem Privatleben verrät. Der ehemals mächtigste Mann der DDR gibt sich höflich und ist vom angeblichen kommunistischen Engagement Johanns so angetan, dass ihm die Tränen in die Augen schießen. Obwohl die Honeckers als Figuren erst nach gut der Hälfte des Films auftauchen, drücken Brambach und Johanna Gastdorf als dessen Frau Margot der Komödie ihren Stempel auf. Die misstrauische Gattin wacht eisern über ihren Mann, Journalisten sind ihr ein Dorn im Auge und sie verfolgt Johanns Aufenthalt argwöhnisch – in diesem Fall zu Recht.

«Willkommen bei den Honeckers» ist heute, am 3. Oktober um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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