First Look

«Homeland» in Berlin: Warum ein Schritt zurück und zwei nach vorne ein homogenes Bild ergeben können

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Am Sonntag läuft in den USA das Finale der in Deutschland gedrehten fünften Staffel der Showtime-Serie, die auf dem Weg zurück in die Zukunft ist.

Quotenschwäche & Kritikerlob

Die US-Quoten konnten bei den bisher ausgestrahlten Episoden das Niveau der vergangenen drei Jahre nicht halten und setzen somit den Abwärtstrend weiter fort. Sie bewegen sich aktuell eher wieder auf dem Level der zweiten Hälfte der ersten Season. Aus Kritikersicht wurde die fünfte Staffel bisher aber durchaus positiv aufgenommen. Showtime hat die Serie kürzlich um eine sechste Staffel verlängert.
Die Serie «Homeland» ist nach einer qualitativen Odyssee in ihrer fünften Staffel in Deutschland angekommen – genauer in Berlin. Kurz vor Ende der Ausstrahlung in den USA wage ich einen Blick auf das aktuelle Geschehen und die Zukunft der Serie.

Um die Mechanismen vor und hinter der Kamera verstehen zu können, drehen wir die Zeit jedoch zunächst einige Jahre zurück. 2011 sorgte die israelische Produktion «Hatufim» für internationales Aufsehen. Die ehemaligen 24-Produzenten Howard Gordon und Alex Gansa wurden von Showtime beauftragt, die Serie für den amerikanischen Markt zu adaptieren. Was folgte, war eines der feinsten Stücke TV der vergangenen Jahre. Dank herausragender Schauspieler wie Claire Danes, Damian Lewis oder Mandy Patinkin, einer komplexen, dicht inszenierten Dramaturgie und dem Mut, Sehgewohnheiten zu sprengen und das Figurenkarussell auf kammerspielartige Weise Achterbahn fahren zu lassen, begeisterte die Serie Zuschauer wie Kritiker.

Sweet enemy mine


Ein derart erfolgreiches erstes Jahr verheißt jedoch in den meisten Fällen eine Fortsetzung. Und wäre Damian Lewis kein so charismatischer Darsteller und hätte er seiner Figur des Nicholas Brody nicht in ihrem inneren Konflikt, dem komplexen Verhältnis zu seiner Familie und in seiner Beziehung zu Carrie eine derart fesselnde Intensität gegeben, man hätte aus dramaturgischen Gründen die Bombe samt Brody am Ende der ersten Season hochgehen lassen müssen.

So entschied man sich jedoch, eine Storyline zu verlängern, die emotional im Gros auserzählt war und ihren Zenit bereits erreicht hatte. Die folgenden Staffeln ersetzten Kammerspiel durch mehr Action, dramatischere Wendungen sowie exotischere Schauplätze und versuchten zudem, noch das letzte Tröpfchen aus der Figurenkonstellation Brody/Carrie zu destillieren. Manchmal kompetent, manchmal jedoch auch bemüht. Als Brody am Ende der dritten Season schließlich sterben musste, gelang zwar noch einmal ein emotionaler Höhepunkt – das Gefühl, einen Kaugummi zu lange im Mund behalten zu haben, schmeckte dennoch mehr als schal.

Die vierte Season versuchte konsequenterweise einen Neustart. Carrie erhielt eine neue Aufgabe, einen neuen Wirkungskreis (Kabul und Islamabad) und neue Mit- und Gegenspieler. Rupert Friend alias Peter Quinn stieg zudem neben Saul Berenson endgültig zum fehlenden Teil des neuen Figurenpuzzles auf. Doch trat noch etwas anderes zu Tage, was im zweiten und dritten Jahr bereits für Kontroversen gesorgt hatte: Immer mehr entwickelte sich «Homeland» zu einer cleveren «24»-Variante, die versuchte, den Adrenalinpegel mal organisch, mal künstlich hochzuhalten und gelegentliche Storyschwächen oder Redundanzen durch Schweißausbrüche zu überdecken.

Man mag das nicht falsch verstehen: «Homeland» war bis dato nie so gut darin wie im vierten Jahr. Konnte man dieser Abkehr von Entschleunigung und Mäßigung jedoch nichts abgewinnen, man wird nur noch traurig den Kopf geschüttelt haben.

So erklären sich retrospektiv auch die durchaus gegenläufigen Besprechungen der Staffel unter Fans und Kritikern.

In Sachen Unterhaltungsfaktor, Figurenzeichnung und Brisanz hat sich «Homeland» nach Brodys Tod jedoch eindeutig freigeschwommen und einen Weg gefunden, die Stärken der Serie neu zu kanalisieren – verlorener Stil hin oder her.

Man muss sich vor Augen führen, dass sogar im Vorbild «Hatufim» die hochgelobten leisen Zwischentöne, der nagende Realismus und die sparsame Inszenierung ab der zweiten Season hinter teils unglaubwürdigen Wendungen zurücktraten.

Shake me up before you go-go

An dieser Stelle war es eigentlich nicht zwingend zu erwarten, dass man für die fünfte Season erneut an den Grundfesten der Serie rütteln würde.

In gewisser Weise gehen die Produzenten jedoch nun in Deutschland in Deckung. Ihr Storybogen rund um Pakistan wurde nicht nur in der dortigen politischen Landschaft mehr als kritisch besprochen, der immer wiederkehrende Vorwurf, islamophobe Klischees zu bedienen und ungerechtfertigt Angst und Paranoia zu schüren, führte das Denken der Produzenten offenbar jedoch an einen Ort, der zwar Drama versprach, es ihnen aber auch erlaubte, etwas mehr unter dem Radar zu fliegen.

Eine US-Serie, die eine Staffel komplett in Deutschland drehte, hatte es außerdem noch nie gegeben. Bühne frei also für die deutsche Bundeshauptstadt im Fadenkreuz des Terrors (nein, dies war keine offizielle Werbezeile).

Berlin calling


Als gebürtigem Berliner fällt es dem Autor dieses Artikels naturgemäß leicht, sich für das Setting zu erwärmen. Das ständige Gefühl, liebgewonnene Orte auf dem Schirm zu erkennen, ist neben den anderen Qualitäten der Serie ein gelungener Bonus.

Auch die Entscheidung, deutsche Schauspieler in zentralen Rollen zu besetzen, kann man den Produzenten positiv anrechnen.

So liefern besonders Sebastian Koch (bekannt aus dem Mehrteiler «Die Manns – Ein Jahrhundertroman» oder internationalen Produktionen wie «Das Leben der Anderen», «Unknown Identity» oder «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben») als Otto Düring, Alexander Fehling (für seine Rolle als junger Goethe in «Goethe!» einst für den Deutschen Filmpreis nominiert und außerdem bekannt aus Bully Herbigs «Buddy» oder Tarantinos «Inglorious Basterds») als Carries Freund Jonas Hollander sowie Nina Hoss («Nackt», «Die weiße Massai») als Astrid überzeugende Leistungen und merzen zudem einen Schwachpunkt aus, der viele US-Serien durchzieht: Schauspieler zu sehen, die vorgeben eine Sprache zu beherrschen, die ihnen offensichtlich mehr als fremd ist.

«Homeland» gönnt sich den Luxus, Deutsche untereinander auch korrektes Deutsch sprechen zu lassen.

My town

Doch auch das Lokalkolorit trägt selbstverständlich zur Atmosphäre bei. Ob ikonische Orte wie der Pariser Platz mit Blick auf das Brandenburger Tor, der Hauptbahnhof (der auch im Vorspann zu sehen ist) und die Zionskirche, Explosionen in einem Wohnhaus am Kottbusser Tor oder Entführungen am Gendarmenmarkt – die Scouts der Serie haben stimmige Locations gefunden, die Berlin als die pulsierende Metropole zeichnen, die wir lieben.

Weniger vertraut erscheint die Stadt jedoch, wenn man das Geschehen näher auf sich wirken lässt und einen Realitätsabgleich versucht. Da marschiert Quinn einfach in eine verdächtige Wohnung, entdeckt prompt eine Bombenwerkstatt und sprengt sie am Ende mit samt dem bösen Bombenbastler in die Luft – nun gut, Quinn war in Sachen Geduld schon immer ein kleiner Jack Bauer, doch ob die deutsche Justiz hier so begeistert wäre?

Man präsentiert uns genaugenommen wie schon in Islamabad einen Sündenpfuhl – ein Tummelbecken des Bösen. Bärtige stehen unter Generalverdacht, Entführungen und Übergriffe sind an der Tagesordnung und mittendrin agiert die CIA wie es ihr beliebt. Sensible Berliner, die «Homeland» als realistisches Abbild unserer Zeit ansehen, werden vermutlich zügig einen Wohnortwechsel anstreben.

Für das US-Publikum ist diese Überzeichnung sicher unproblematisch, der deutsche TV-Konsument fühlt sich aber vielleicht eher an «Alarm für Cobra 11» erinnert.

Auch mit Details nimmt man es oft nicht so genau: Da wird Kreuzberg mal schnell in Steglitz nachgebaut oder ein Supermarkt zu einer Moschee umdekoriert. Geschenkt.

Auch, dass Saul vom Restaurant Grosz (das der Autor vor allem zur Mittagszeit nie so leer erlebt hat, wie hier gezeigt) am Kurfürstendamm zum Gendarmenmarkt zu Fuß geht (in der Realität ein Weg von rund fünf Kilometern), das CIA-Hauptquartier zwar in Charlottenburg liegt, man sich aber dennoch direkt am Prenzlauer Berg befindet oder, dass der rote Teppich am Konzerthaus eigentlich nur zu ganz besonderen Anlässen ausgerollt wird, kann man durchaus verschmerzen.

Viel fragwürdiger ist da schon der Vorfall rund um einige Graffitti-Künstler zu bewerten, die explizit zum Erstellen fremdartiger Schriftzüge an Wänden engagiert wurden. Leider erachtete es dann jedoch auf Seiten der Produktion niemand für nötig, das Geschriebene vor den Dreharbeiten auch zu überprüfen. So erschienen Botschaften wie „Homeland ist rassistisch“ oder „Homeland ist ein Witz“ auf dem Schirm – besser hätten die Künstler ihre Message nicht transportieren und untermauern können. Ein durchaus peinlicher Vorgang, der ohne Frage ein zu lässiges Verhältnis zu den komplexen Themen der Serie offenbart.

Fokus

Dabei positioniert sich «Homeland» inhaltlich definitiv wieder mehr als Studie aktueller politischer und gesellschaftlicher Ereignisse. Ob ISIS oder Vladimir Putin, Flüchtlingspolitik, Charlie Hebdo oder Edward Snowden – die Produzenten kennen die Welt in der sie leben und behandeln ihre Mechanismen auf serieneigene Art.

In gewisser Weise hat die Verschiebung weg von der Brody/Carrie-Dynamik die Augen der Autoren geöffnet und sie wieder das suchen und finden lassen, was die Serie antreibt: Die Instabilität der politischen Landschaft und die alles auffangende Frage: Wie geht es mit uns weiter? Ob die Serie damit letztlich wirklich nur Klischees bedient und fehlgeleitete Ängste schürt, muss jeder im Einzelfall für sich selber entscheiden: Unterhaltsam ist dieser Ansatz in jedem Fall – ob nun in Berlin oder Anderswo. Und besonders nach den Ereignissen in Paris und Hannover muss man leider ein weiteres Prädikat ergänzen: brandaktuell.

Somit ist es wie im richtigen Leben: Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um einen erneuten Anlauf vorwärts unternehmen zu können. Mit der fünften Staffel befindet sich «Homeland» wieder auf Kurs zu dem Format, das es bereits einmal war – mehr kann man nicht verlangen.

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