Die Kritiker

«Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen»

von
Charlotte Lindholm hat in einem niedersächsischen Kaff einen Unfall und wird Zeugin einer Explosion, bei der ein vermeintlich Unschuldiger getötet wird. Doch er verbirgt eine schreckliche Wahrheit.

Handlung


In ländlicher Idylle von Niedersachsen wird ein Mann, der unauffälliger nicht sein könnte, ermordet. Seine Ehefrau, Martina Käster, ist in tiefer Trauer um ihn und kann sich nicht erklären, wer ein Motiv für den Mord haben könnte. Charlotte Lindholm ermittelt und findet heraus, dass der vermeintlich brave Ehemann anscheinend ein geheimes Doppelleben führte. An einem Waldrand entdeckt Charlotte eine Datsche, in der Fotos einer jungen Frau und Kinderspielsachen liegen – ein Hinweis auf eine Zweitfamilie? Alles deutet darauf hin. 

Im Versuch, die Frau und das Kind ausfindig zu machen, stößt die Kommissarin auf weitere Ungereimtheiten. Für Charlotte Lindholm entwickelt sich dieser Mord zu einem Fall, in dem nichts mehr so ist, wie es zu sein scheint. Als sich die örtliche Kommissarin Sigrid Malchus in in die Ermittlungen einschaltet, weil sie eine Verbindung zwischen einem Entführungsfall und dem Mord zu entdecken glaubt, kommt eine Wahrheit ans Licht, die schockierender und dramatischer nicht sein könnte: Der Tote war ein Pädophiler.

Darsteller


Maria Furtwängler («Die Flucht») ist Charlotte Lindholm
Benjamin Sadler («Dresden») ist Jan Liebermann
Inka Friedrich («Sommer vorm Balkon») ist Sigrid Malchus
Michaela Caspar («Neger, Neger, Schornsteinfeger») ist Martina Kästner
Janina Stopper («Tannöd») ist Lilli Fichte
Christian Beermann («Blutzbrüder») ist Gregor Martens
Hanna Scheibe («Morgen früh ist die Nacht rum») ist Diana Martens

Kritik


Im Osten von Niederachsen, zwischen den wenigen Metropolregionen des Bundeslandes, gibt es sie noch: Kleine Dörfer, umgeben von Mühlen und Feldern, Ackerfurchen und trostloser Weite; Heimat wortkarger Norddeutscher, akkurat gepflegter Vorgärten und trügerischer Heimeligkeit, die so manches dunkles Geheimnis der bürgerlichen Mittelschicht totzuschweigen versucht. Ausgerechnet in dieser perfiden Einsamkeit weicht Charlotte Lindholm einem streunenden Hund aus und setzt auf einem Begrenzungsstein auf. Die eingeschworene Dorfgemeinschaft verweilen argwöhnisch hinter ihren Vorhängen – der einzige, der sich für die verzweifelte LKA-Beamtin interessiert, ist ein vorbeifahrender Sonderling, der kurz darauf in die Einfahrt seines Hauses einbiegt und bei einer Explosion ums Leben kommt. Jemand hat ihn mit einer selbstgebauten Bombe ermordet.

Es ist ein unheilvoller Auftakt in den neuen Niedersachsen-«Tatort», der hält, was er anfangs verspricht. Denn der vermeintlich unbescholtene Eigenheimbesitzer führte jahrelang ein geheimes Doppelleben, bei dem er halbtags einer geregelten Arbeit nachging, den Nachmittag aber in einer angemieteten Hütte am Waldrand verbrachte, in dem eine gut versteckte Klappe nicht nur den Eingang zu einem Verließ, sondern auch in den perversen Abgrund eines Pädophilen öffnet – offenbar versteckte und missbrauchte der Mann über Jahre hinweg Kinder in seinem unter falschen Namen bewohnten Ferienhaus. Beklemmend subtil, dabei aber niemals abwegig oder auch nur anstößig, gräbt sich die Handlung immer tiefer ein in den Sumpf eines Kinderschänders und den Morast von Nachbarn und Bekannten, die sein Treiben jahrelang offenbar nur hinter vorgehaltener Hand abscheulich fanden.

Gut, dass die von Maria Furtwängler wie immer als wenig emphatisch charakterisierte Lindholm in diesem traurigen Szenario nicht alleine gelassen wird: Inka Friedrich verkörpert mit Bravour das menschliche Gegenstück, die örtliche Kommissarin Sigrid Malchus. Sie wittert eine Verbindung zwischen einem aktuellen Entführungsfall und dem Mord im Eigenheim. Das Duo harmoniert zwar weniger gut, als es der Handlung gut tun würde, rauft sich aber zusammen und bildet eine dramaturgisch interessante Kombination aus mitleidigem Gutmensch und rationaler Pragmatikerin. Hervorragend fügt sich auch Janina Stopper als Lilli Fichte in dieses Bild ein, auf die das Drehbuch von Ulrike Molsen und Eoin Moore einen deutlich größeren Fokus hätten setzen können – ihre Rolle mit tragischer Vergangenheit erst ebnet den Weg zu einem wichtigen moralischen Diskurs.

Stattdessen spinnt das Drehbuch die obligatorische private Situation der Protagonisten weiter – der in der vergangenen Folge eingeführte Benjamin Sadler als Lindholws Liebhaber Jan Liebermann lässt den Handlungsfluss an so mancher Stelle stocken und bietet keinen Mehrwert. Schrecklich aktuell, dabei aber nicht bemüht auf reale Vorfälle schielend, gelingt es dem «Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen» aber dennoch, eine mehr als überfällige Thematik behutsam aufzugreifen. Auch die ethische Dimension kommt nicht zu kurz, denn immer wieder stellen sich die beiden Ermittler die Frage, ob sie dem Mord an einem pädophilen Intensivtäter überhaupt nachgehen sollten. Die Zeit der seichten «Tatort»-Unterhaltung jedenfalls ist vorbei, denn auch hartgesottene Krimizuschauer werden an diesem Fall deutlicher länger zu hadern haben, als die anderthalbstündige Fernsehpräsenz andauert.

Das Erste zeigt den «Tatort: Schwarze Tiger, weiße Löwen» am dritten Adventssonntag, den 11. Dezember 2011, um 20:15 Uhr.

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