Popcorn & Rollenwechsel

Baytastisch!

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Obwohl unser Kinokolumnist nichts mit der «Transformers»-Kinoreihe anfangen kann, schenkt er Fans von Michael Bay Streitargumente.

Die Spielzeugroboter von Hasbro zerdeppern wieder die Welt. «Transformers 3» ist gestartet, und während sich die meisten Kritiker mit Migräne aus den Kinosälen schleppten, scheint die Mundpropaganda normaler Kinogänger euphorischer.

Nicht zuletzt dank der guten Bewertungen des 3D-Effekts spekulieren Box-Office-Spezialisten, ob Michael Bay mit seinem jüngsten Action-Kracher die Milliarden-Dollar-Grenze sprengen könnte. Das wäre ein Novum für den einstigen Zögling von Blockbuster-Überproduzent Jerry Bruckheimer – und es wäre das erste Mal für Produzent Steven Spielberg. Wer hätte je gedacht, dass Steven Spielberg, der Erfinder des modernen Kassenschlagers, die Hilfe von Michael Bay braucht, um an den Kinokassen einen Milliardenhit abzuliefern?

Filmfans aller Güteklassen werden deshalb die nächsten Wochen garantiert wieder hitzige Diskussionen rund um Bays Person und Schaffen abhalten. Ich möchte zusätzliches Benzin ins Feuer gießen. Und deswegen schenke ich Bays Verteidigern drei leicht vergessene Gründe, weshalb man ihn lieben sollte. Sozusagen als Karma-Ausgleich dafür, dass ich so ein leidenschaftlicher Feind seiner «Transformers»-Filme bin.

Man muss einfach respektieren, welch effizienter Sparfuchs Bay ist.


Bei all dem Effektgewitter und den riesigen Materialschlachten, die Michael Bays Filme ausmachen, tendieren viele schnell dazu, ihn als einen verschwenderischen Blockbuster-Regisseur hinzustellen. Aber sobald man Bays Filme sowie die ihnen zu Grunde liegenden Budgets mit anderen megalomanischen Hollywood-Produktionen vergleicht, sieht die Realität ganz anders aus. Laut Bays Aussagen kostete «Transformers 2» nur 196 Millionen Dollar. Das sind zunächst sechs Millionen Dollar weniger, als von ihm in der Vorproduktion veranschlagt, vor allem aber deutlich weniger, als andere Regisseure wohl verpulvert hätten.
Der noch bombastischere dritte Teil soll sogar laut Industrieangaben bloß ein Budget von 195 Millionen Dollar verbraucht haben, und das trotz der Anschaffung kostspieligen 3D-Equipments.
Um das in Relation zu setzen: Der letzte James-Bond-Film «Ein Quantum Trost» kostete ebenfalls rund 200 Millionen Dollar. Der längst nicht so kostspielig aussehende vierte «Fluch der Karibik»-Film soll 225 Millionen Dollar gekostet haben und für «Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt» gingen sogar 300 Millionen Dollar drauf. Michael Bays Erfolgsgeheimnis ist, dass er all seinem hitzigen Temperament zum Trotz überaus gewissenhaft operiert. In enger Zusammenarbeit mit seiner Technikcrew werden Sets und die vielen Effektszenen genau durchgeplant. Dass Bay etwas vorbereiten lässt und plötzlich seine Meinung ändert, oder das Effektaufnahmen aufgrund inszenatorischer Mängel wiederholt werden müssen, kommt bei ihm nicht vor.

Michael Bay ist ein Ästhet der Destruktion


Nur weil sich ein Regisseur der kommerzielleren Seite der Kinowelt verschrieben fühlt, heißt es nicht, dass er jeglicher Kunstfertigkeit abschwört. Wenn man für einen Moment die Drehbücher von Bays Filmen ignoriert, ist er womöglich sogar eins der besten aktuellen Beispiele dafür, welch ausgefeilte Inszenierung hinter einer filmischen Gelddruckmaschine stecken kann. Jeder, der jemals mehr als einen Bay-Film gesehen hat, oder auch bloß ein paar Trailer, sollte vor seinem geistigen Augen ein Bild von Bays markantem Stil zeichnen können: Martialische Hubschrauber vor einem Sonnenaufgang oder -untergang. 360°-Kamerafahrten rund um einen verwirrt dreinblickenden Helden in Mitten des Chaos. Meterhohe, feurige Explosionen. Das Liebesspiel eines jungen Paares in feinster Werbefilm-Optik an irgendeinem ausgefallenen Ort. Dynamische Actionsequenzen in einer farblich ästhetisierten Umgebung, begleitet von einem treibenden Soundtrack. Frauen wie aus dem Unterwäschekatalog, die in Zeitlupe entlang schreiten und denen der Wind um die Nase weht… Man kann diese Liste noch sehr lange weiterführen. Viele Actionregisseure haben versucht, sich ein Stück von Bays Kuchen abzuschneiden, aber niemandem gelang es. Es gibt Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Actionregisseuren, die selbst Filmfreaks stilistisch nicht auseinander halten können. Bay entwickelte eine markante, eigene Handschrift. Genauso, wie auch deutlich respektierte Regisseure. Etwa Quentin Tarantino, David Lynch, Woody Allen oder David Fincher. Es ist erlaubt, Bay zu laut zu finden, seine Schnittarbeit zu hektisch oder seiner obligatorischen Rundum-Kamerafahrt überdrüssig zu sein. So wie man den Stil anderer Regisseure ablehnen kann. Trotzdem muss man Bay Respekt zollen, da er in einem überfüllten Genre stilistisch hervorsticht.

Er kann auch anders.


Michael Bay mag sich am Filmset vielleicht manchmal wie ein General aufführen, aber sobald er von der Last des Regieführens befreit ist, soll er laut vielen Hollywood-Größen ein überaus umgänglicher Kerl sein. Daher auch seine Freundschaften zu Leuten wie Steven Spielberg, James Cameron oder Jerry Bruckheimer. Und während andere Unterhaltungsregisseure Stein und Bein schwören, ihre Filme hätten sehr wohl künstlerische Relevanz, gibt Bay in Interviews offen und ehrlich zu, er mache schlicht Unterhaltungsprogramm für Teenager. Sein Image hat Bay auch öfters selbst auf die Schippe genommen, wie unter anderem in diesem mittlerweile nahezu legendären Werbespot. Auch als Regisseur ist Bay nicht völlig auf seinen Stil zugeschrieben. Zwar sind seine nunmehr jährlichen Werbespots für Victoria‘s Secret ebenfalls nichts anderes, als konzentrierte Dosen seiner Kinoarbeiten, aber er führte auch bei Meat Loafs berühmten Musikvideo zu «I‘d Do Anything for Love (But I Won‘t Do That)» Regie. Sein nächster Film, so verspricht er wenigstens, soll wiederum sein ganz eigenes «Pulp Fiction» werden. «Pain & Gain», so der Titel, basiert auf einer wahren Geschichte und soll mit schwarzem Humor die Geschichte ein paar Bodybuilder aus Florida nacherzählen, die in die Beschaffungskriminalität abrutschen und letztlich zu ganz miesen Kidnappern werden.

Das wär‘s erstmal. Dies waren meine drei Topgründe, die Bay-Liebhaber ihren Widersachern entgegenschleudern kann. Diese Argumente werden die Diskussion wohl kaum beenden können. Eigentlich sollen sie es auch nicht. Ich spiele einfach den Waffenlieferant für eine von einigen Cineasten missachtete Gruppe. Stellt euch nun pathetische Musik und US-Flaggen vor. Awesome! *BOOM*

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