Köpfe

Charlie Sheen: Eine Chronik

von
Der langsame Fall des Charlie Sheen: Vom bestbezahlten Seriendarsteller der Welt zum Hollywood-Clown.

Mit Chuck Lorre und Charlie Sheen trafen im Jahr 2003 zwei begnadete Menschen aufeinander, die im Filmgeschäft ihre emotionale Heimat gefunden und bereits für einigen Wirbel Produzent bzw. als Darsteller gesorgt hatten. Ein kleiner Unterschied soll dennoch nicht unerwähnt bleiben: Während Lorre seine Karriere mit der Sitcom «Two and A Half Men» sowie anderen Comedyformaten konsequent vorantrieb und seine Finger, so scheint’s, in nahezu jeder erfolgreichen Serie der letzten Jahre im Spiel hatte, rettete er Sheen durch seine Besetzung als Charlie Harper vor einem Fall in die Bedeutungslosigkeit, nachdem dieser schon jahrelang keine bedeutenden Rollen mehr besetzen konnte. Das Resultat ist bekannt: Sheen war jahrelang der am besten bezahlte Seriendarsteller der Welt.

Doch der Ruhm stieg Sheen zu Kopf. In seiner Rolle als finanziell und sexuell potenter Lebemann mit Beziehungsängsten und wechselnden Frauenbekanntschaften ging er vermehrt auch privat auf; zuletzt schien er die Grenzen zwischen Fiktion und Realität aufzuheben. Neben mehreren Verhaftungen, Anzeigen und Aufenthalten in Drogenkliniken zeigte ihn Ende 2009 zeigte seine jetzige Ex-Frau Brooke Mueller an, weil er sie mit einem Messer bedroht habe. Anfang 2010 musste die Produktion von «Two and A Half Men» wegen Drogeneskapaden des Protagonisten kurzfristig ausgesetzt werden; gegen Ende desselben Jahres machte Sheen Schlagzeilen, weil er nach einer feuchtfröhlichen Nacht in einem Hotel randaliert und ein Escort Girl bedroht haben soll. Auch die Feiertage und Neujahr verbrachte er nach Meldungen der Boulevardpresse im Rauschzustand und in Begleitung mehrerer Pornostars.

Ende Januar 2011 wurde Sheen wegen Magenbeschwerden in der Notaufnahme behandelt und begab sich daraufhin freiwillig in eine Entzugsklinik – im Schlepptau seine Ex-Frau sowie zwei weitere Starletts. «Wir sind ernsthaft um seine Gesundheit und sein Wohlergehen besorgt und unterstützen seine Entscheidung», hieß es damals noch von offizieller Seite. Allerdings ließ man auch verlauten, dass Sheen auf beruflicher Ebene stets Professionalität an den Tag gelegt und nie unter Drogeneinfluss auf dem Set erschienen war. Darum nehme man Rücksicht auf Sheen und setze die Produktion zeitweilig aus – von vier Wochen bis hin zu drei Monaten Auszeit zeigten sich die vielen Spekulationen von Fans und der Presse flexibel. Von Senderseite war eine neunte Staffel der überaus erfolgreichen Gelddruckmaschine «Two and A Half Men» längst bestätigt worden; Sheen selbst kündigte an, die Verdienstausfälle der vielen Produktionshelfer zum Teil zu übernehmen.

In den darauffolgenden Wochen überschlugen sich dann aber die Ereignisse. Mit Humor betrachtete Lorre in seinen am Ende einer jeden Folge eingeblendeten Produktionsnotizen die Gesamtsituation: «Ich esse anständige Mengen gesunden Essens. Ich sehe meinen Arzt einmal im Jahr, meinen Zahnarzt sogar zwei Mal. Ich lasse meine Brust röntgen, hatte Herz-Stress-Tests und EKGs. Ich besuche einen Psychologen und habe eine Reihe von Hobbys, um Stress abzubauen. Ich trinke nicht. Ich rauche nicht. Ich nehme keine Drogen. Ich habe keinen verrückten, leichtsinnigen Sex mit Fremden. Wenn Charlie Sheen mich überlebt, bin ich wirklich angepisst.» Sheen zeigte sich wenig selbstkritisch und beleidigte seinen Produzenten öffentlich in Videos und Talkshows – Warner Bros. stellte daraufhin die Produktion erst temporär ein, bevor sie Sheen ganz kündigten. Seine Rolle soll neu vergeben werden. Der Enthauptete zettelte eine Fehde gegen sein Studio an, kündigte eine 300-Millionen-Dollar-Klage gegen den Sender CBS sowie eine 100-Millionen-Dollar-Klage gegen den Produzenten an und ließ nebenbei verlauten, dass er unterbezahlt sei.

Während Sheen noch mit dem Bezahlsender HBO über ein 30-minütiges Format namens «Sheen's Korner» verhandelte, änderte er seine Meinung und stellte die Serie gleich selbst ins Internet - mit wahnsinnigem Blick und wirrem Haar lässt er alle Welt beinah täglich an seinen philosophischen Betrachtungen teilhaben. Auch auf twitter profiliert sich der einstige Star als Märtyrer und «arbeitsloser Gewinner», hatte binnen eines Tages über eine Million Fans und macht vor allem mit der kruden These von sich reden, dass er ein Außerirdischer sei. Den tragischen Fall des ehemals bestbezahlten Seriendarstellers der Welt will kaum einer verpassen: Tickets für Sheens Bühnenshow «My Violent Torpedo of Truth» («Mein brutaler Torpedo der Wahrheit») waren nach wenigen Stunden ausverkauft. Als besonders dramatisch erweist sich der Umstand, dass niemand aus Sheens engerem Freundes- oder Bekanntenkreis ihn an seinen Eskapaden hindert, mit denen er sich Stück für Stück immer weiter demontiert – ohne es zu merken.

Kurz-URL: qmde.de/48358
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelLena Meyer-Landrut startet als Sechzehnte nächster ArtikelFernsehsender bringen Korrespondenten in Sicherheit

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung