Hingeschaut

«Solitary»: Zerreißprobe für Körper und Geist

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Neun Prominente haben sich der härtesten Gameshow der Welt gestellt und mussten gleich in der ersten Folge an ihre Grenzen gehen. Auf die Folter gespannt wurde zunächst aber auch die Geduld der Zuschauer.

Totale Isolation, enorme psychische und körperliche Belastung. Mit «Solitary» hat ProSieben die wohl härteste Reality-Show der Welt auf den deutschen Markt gebracht und dabei wie so oft in letzter Zeit nach der Devise verfahren: Wieso eine Stunde senden, wenn es doch auch zwei werden können? Das Resultat war eine Auftaktshow, deren Längen wie aber auch Stärken mehr als offensichtlich waren.

«Solitary» ist eine Adaption der gleichnamigen US-amerikanischen Show, von der der FOX Reality Channel vier Staffeln sendete bis nicht etwa die Sendung selbst sondern gleich der ganze Sender eingestellt wurde. Und darum geht es in der deutschen Variante: Neun Kandidaten aus dem Pool der üblichen C-Prominenz werden für zehn Tage in Einzelhaft gesteckt, genauer gesagt in acht Quadratmeter große Kapseln ohne nennenswerte Inneneinrichtung, wo sie der Spielleiterin "Alice" ausgeliefert sind, die nur als Computerstimme in Erscheinung tritt und fortan unter anderem die Kontrolle über Schlaf- und Essensgewohnheiten übernimmt. Unter diesem physischen und psychischen Stress müssen Aufgaben bewältigt werden, um das Spiel nicht vorzeitig verlassen zu müssen.

Bis es zu all dem kam, dauerte es allerdings geschlagene 50 Minuten, in denen die Kandidaten ausführlich vorgestellt wurden, sich zum Sektfrühstück trafen, mit Lincoln Hiatt, dem Erfinder der Show, sprachen, während Moderatorin Sonya Kraus jeden Winkel der neuen Mini-Wohnheime vorstellte und unzählige Ausschnitte aus den kommenden Wochen als Appetitanreger eingespielt wurden. Offenbar orientierte man sich hier mehr an den ausgiebigen Einzugshows von «Big Brother» als am eigentlich adaptierten Format. Besonders spannend war das alles nicht, denn die meisten Kandidaten dürften aufgrund ihrer Prominenz ohnehin schon bekannt gewesen sein und statt ausgiebige Erklärungen über das Showkonzept wurden viel mehr Dinge wie die Toilettenräume in den Fokus gerückt, die in der Show ohnehin keine spielrelevante Rolle spielen. Dass man ausgerechnet in einer Show, in der die Kandidaten räumlich voneinander getrennt und ohne jegliche Möglichkeit zur Kommunikation untereinander, auch noch ein Kennenlernen beim Sektfrühstück zeigte, hatte dann fast schon eine selbstironische Note.

Nach einer ebenfalls ausgiebigen Einzugsprozedur konnte dann das eigentliche Spiel starten und zwar ausgerechnet mit einer Aktion, die auch für Nichtkenner der US-Vorlage entlarvte, dass ProSieben seine eigenen 50 Minuten Vorlauf vor die eigentliche Sendung gepappt hatte. Spielleiterin Alice fragte die Kandidaten, was sie beruflich machen und einer nach dem anderen antwortete nichts, was man nicht in den vorherigen Vorstellungsvideos bereits erfahren hatte. So ist die Information, dass Kandidat Martin Kesici Sänger ist, völlig überflüssig, wenn man ihn zuvor bereits als Gewinner von «Star Search» vorgestellt und seine Debütsingle eingespielt hat.

Was die weiteren Kandidaten angeht, zeigte sich, dass alles in allem eine gute Auswahl getroffen wurde. Insbesondere bei den vier Kandidatinnen wurde offenbar viel Wert auf starke Persönlichkeiten gelegt, die dem anstehenden Stress gewachsen sein sollten: die ehemalige Spitzenturnerin Magdalena Brzeska, «Galileo»-Reporterin Funda Vanroy, Playmate Doreen Seidel und Sängerin Liza Li, deren überbordendes Selbstbewusstsein ihr vor wenigen Jahren eine Karriere als Viva-Moderatorin beschert hatte. Nur einer fiel von vornherein aus der Reihe: Benny Kieckhäben, Paradiesvogel der sechsten «DSDS»-Staffel gab fast schon erwartungsgemäß bereits in der ersten Stunde der Show auf ohne überhaupt durch ein einziges Spiel gefordert worden zu sein. Geplant war das offenbar nicht, denn problemlos hätte noch ein Ersatzkandidat einspringen können - doch den gab es nicht. Diesen Ausfall hätte die Redaktion aber wirklich vorhersehen müssen.

In der zweiten Stunde der Auftaktsendung begann das, was «Solitary» eigentlich ausmacht: Isolation, sportliche Grenzerfahrung und das Ausreizen der psychischen Belastbarkeit. Und quasi auf einen Schlag wandelte sich die zuvor recht gemütliche, aber eben auch furchtbar unspektakuläre Sendung zum aufregenden Psychotrip. Mit dem ersten Entscheidungsspiel zeigte sich schnell das Potential, das in «Solitary» steckt: Die Kandidaten durften schlafen - aber nur bis zum Ertönen eines musikalischen Alarms: ein Ausschnitt der titelgebenden Refrainzeile von David Hasselhoffs "Looking For Freedom" als Dauerschleife, die erst endete nachdem ein vor der Schlafphase ausgegebener Code eingegeben wurde. Der Code wurde von Runde zu Runde länger und die mentale Erschöpfung unter Schlafentzug den Kandidaten immer mehr anzusehen. Die Reaktionen eines Martin Kesici, der als erster seinen Code falsch eingab und fortan bis Ende des mehrere Stunden dauernden Spiels unter der Permanentbeschallung zu leiden hatte, nahmen schon beinahe beängstigende Züge an. Und plötzlich wurde auch klar, wieso die Show als so hart eingestuft wird. Unangenehm an Shows wie «Popstars» erinnerte allerdings, dass das Spiel - immerhin nach einer wirklich bemerkenswerten Leistung von Mr. Germany 2009 Dirk Schlemmer - damit beendet wurde, dass niemand die Sendung verlassen muss. Offenbar musste hier der frühzeitige Verlust von Kieckhäben ausgeglichen werden.

Rückblickend erscheint auch die lange Vorstellungsphase in einem leicht anderen Licht, zeigt sie doch den schnellen Verfall der Vorfreude auf das Experiment, dass die einen "total spannend" (Brzeska) fanden, und "auf die eigenen Reaktionen gespannt" waren (Kesici) zum Grad totaler Erschöpfung, der am Ende der ersten Sendung erreicht war und wertete damit den Eindruck der zweiten Hälfte weiter auf.

Eine Frage bleibt allerdings offen: Wozu braucht die Sendung Sonya Kraus? Hat sie in der ersten Hälfte als Moderatorin noch eine tragende Rolle, so dient sie in der zweiten Hälfte nur noch dazu, zwischen den einzelnen Programmblöcken relativ sinnleere Phrasen zu dreschen oder das gerade Gesehene noch einmal in ein oder zwei Sätzen zu wiederholen und steht dabei ziemlich verloren in einem Studio, dass sonst nie zu sehen ist. Interviews sind unmöglich, Spielkommandos gibt es von Alice, nicht einmal den ausgeschiedenen Kieckhäben begrüßte oder interviewte sie. Sonya Kraus scheint überhaupt keine relevante Funktion mehr zu erfüllen.

Schlussendlich überzeugte «Solitary» in dem, was es grundsätzlich auch sein sollte: ein psychologisches Experiment. Die Kandidaten gehen bis an die Schmerzgrenze, obwohl sie prominent sind, obwohl es für sie außer der Ehre nichts zu gewinnen gibt. Es mag sein, dass durch die Verkürzung auf nur zehn Tage in den Kapseln gegenüber 21 in der US-Version, das Konzept als Ganzes etwas aufgeweicht wurde, die Spiele selbst haben zumindest in der Auftaktepisode die Härte bewahrt, die man erwartet und erhofft hat und sicherlich auch zumindest in kleinen Kreisen zu kontroversen Diskussionen anregen wird. Wie sich die Reihe als Ganzes schlägt wird vor allem davon abhängen, wie ProSieben es schafft trotz weniger Material mehr Sendezeit als in der Vorlage zu füllen. Noch einmal kann man die Kandidaten nämlich nicht 50 Minuten lang vorstellen und die bisherigen Mittel, um mehr Zeit zu füllen - die sinnfreien Moderationen von Sonya Kraus und die teilweise schon sehr viel verratenden Ausschnitte künftiger Szenen - enthalten keinerlei Mehrwert. Woran es dieses Mal nicht scheitern wird, sind die semiprominenten Kandidaten. Zwar beginnt die Selbstdarstellung schon direkt beim Einzug, doch schnell fallen die Fassaden und so mancher Promi wird in den nächsten Folgen wohl noch Grenzen an sich entdecken, die er zuvor nicht einmal geahnt hatte.

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