Debatte

Bohlen und RTL: Eine Lose-Lose-Situation

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Der Kölner Privatsender und der Ausnahme-Künstler wollen für «Deutschland sucht den Superstar» wieder zusammenarbeiten. Das ist keine Nachricht, die für gute Stimmung sorgt. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Krisen-Kommunikation ist im Jahr 2022 in der Medienindustrie ein Feld, an das sich nur die wenigsten Firmen herantrauen. DAZN erhöhte massiv die Preise, die Kunden sind sauer und wollen kündigen. ProSieben bekommt zahlreiche Kritik aufgrund der Machenschaften bei «Germany’s Next Topmodel», der Sender schweigt. Jetzt soll nach Informationen der ‚Bild‘-Zeitung der Fernsehsender RTL und der frühere Juror Dieter Bohlen wieder zusammenarbeiten. Zunächst aber nicht etwa für «Das Supertalent», denn das soll für ein Jahr pausieren.

Stattdessen wird man Dieter Bohlen wieder für «Deutschland sucht den Superstar» engagieren. Der gebürtige Niedersachse machte in den vergangenen Monaten auch ordentlich Werbung für sich. Mal saß er in einem Werbespot von Check24, dann promotete der seinen Instagram-Kanal und sein jüngstes Baby war die Neuinterpretation seiner Single „You’re My Heart, You’re My Soul“, bei denen Katja Krasavice und Pietro Lombardi die neuen Bohlen und Thomas Anders sind. Das im Mai veröffentlichte Lied feierte seinen Höhepunkt – und die jungen Leute tanzten im Frühjahr zu den Klängen. Bohlen kann produzieren und moderieren – das ist hinlänglich bekannt.

Jetzt soll er wieder zu «Deutschland sucht den Superstar» zurückkehren und eine Fernsehshow zu alten Quotenrekorden verhelfen? Das ist doch nicht realistisch! Die Produktion der UFA Show & Factual ist inzwischen über 20 Jahre alt, RTL und alle Beteiligten haben mit dem Format gutes Geld verdient. Aber nach über 400 Ausgaben hat die Sendung ihren Zenit überschritten. Vor allem weil RTL kein glückliches Händchen mehr hatte in Sachen Auswahl der Juroren. Zwei Jahre war Xavier Naidoo am Set, obwohl seine seltsamen Äußerungen zu manchen Themen schon längst bekannt waren. Doch RTL hat ein Auge zugedrückt, immerhin stimmten die Quoten noch ein bisschen.

Den Vogel schoss man im Jahr 2021 ab, bei dem man ernsthaft Michael Wendler teilnehmen ließ. Noch Anfang Oktober 2020 wurde Wendler der Sendung verwiesen, weil er mit Verschwörungstheorien zu Corona das Netz unsicher machte. Schon im Vorfeld sickerten immer Meldungen über den Schlagersänger durch, dass der Sänger aus Dinslaken ein wenig anders ist. Dabei musste RTL gar nicht mal so lange suchen, denn man hat schon mehrfach leicht verrückte Formate mit ihm umgesetzt. Ein bizarres «Goodbye Deutschland!» bei VOX, bei dem Noch-Ehefrau Claudia ins Hotel zog, damit die junge Laura ins Haus in Florida kommen konnte.

Die 19. Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» sollte ein seriöses Musikcasting werden. Doch dieses Feld ist unmöglich zu bespielen, sämtliche Shows in diesem Genre scheiterten. Die Quoten bei «The Voice» fallen nach den Blind Auditions, selbst «Unser Star für Oslo» lief bis auf das Finale schwach. Schon «Die deutsche Stimme» floppte vor 19 Jahren im ZDF und belehrte, dass solche Formate immer auch ein wenig Unterhaltung bieten müssen. Es hatte einen guten Grund – wenn auch keinen schönen –, warum bei RTL die Abteilung „Show & Comedy“ heißt, in der «DSDS» einsortiert wird.

Jetzt also die Rolle rückwärts: Es zeigt sich, dass Bohlen immer noch die Zügel in der Hand hat. Aber ein Erfolg wird die 20. Staffel nicht mehr. Bereits vor Bohlens Rauswurf waren die Einschaltquoten für ein Leuchtturmprojekt stark rückläufig. Daher ist dieser Schritt für den Sender, für Bohlen selbst und für den Zuschauer eine Lose-Lose-Situation. Gewinner mag es bei dieser Meldung nicht geben. Schade! Es gibt auf dem Fernsehmarkt so viele Castingshows, die man ausprobieren könnte. Bohlen kehrt auf ein sinkendes Schiff zurück und RTL möchte seriöser werden. Das geht doch nicht gut! Eigentlich hatte man in Köln einen guten Weg eingeschlagen, doch die Verantwortlichen scheinen kein Durchhaltevermögen zu haben. Was steht noch demnächst vor dem Aus? Wird «RTL Direkt» schon demnächst eingestampft? Machen die vielen Magazine dann noch Sinn, wenn die Quoten nicht passen? Wie soll der Sender sein Gesicht wahren, wenn er von Wasser predigt, aber wieder Wein trinkt. Warum können die Verantwortlichen nicht die Sendung einstampfen und lieber nach neuen Projekten suchen. In den vergangenen Monaten ist so viel Gutes bei RTL passiert und eben jetzt die Rollte rückwärts. Hoffentlich kommt keiner auf die Idee, das krawallige «Schwiegertochter gesucht» zurück zu bringen oder gar solch Formate wie «Tutti Frutti». Fernsehen, steh uns bei!

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