Hingeschaut

Not macht erfinderisch – täglich am Sat.1-Vorabend: «Luke, allein zuhaus»

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Mit der heißen Nadel gestricktes Live-Fernsehen: Weshalb «Luke, allein zuhaus» ein wenig an «Gottschalk live» erinnert, und das gar nicht mal als Beleidigung gemeint ist ...

Der aufgrund der Corona-Pandemie zwischenzeitlich befürchtete Totalstopp neuer Unterhaltungsproduktionen wird von Deutschlands Fernsehsendern derzeit findig vermieden: Sendungen wie «Let's Dance» und «The Masked Singer» finden schlicht ohne Publikum statt, Comedyformate wie «Late Night Berlin» lassen obendrein ihre übliche Form hinter sich und improvisieren stärker. Und damit noch nicht genug: Die Privatsender stampfen derzeit in hohem Tempo neue Sendungen aus dem Boden, die zugleich mehrere Aspekte erfüllen: Menschen dazu anregen, zuhause zu bleiben. Das Bedürfnis nach Ablenkung von den Corona-Sorgen stillen. Und die Sendungen sollen auf möglichst kleine Crews setzen, um möglichst wenig Menschen aus dem Team unnötigerweise aus ihrem eigenen Wohnzimmer zu zerren.

Eine dieser frisch improvisierten Corona-Unterhaltungssendungen zeigt Sat.1-Allzweckwaffe Luke Mockridge „in seinem Wohnzimmer“ (Originalzitat Luke Mockridge: „Wir wollen ehrlich sein: Das ist nicht wirklich mein Wohnzimmer, das ist ein kleines, voll gestelltes Studio“), wie er mit rudimentärer Crew live in die Kamera quatscht, um beim TV-Publikum die Stimmung zu heben. Wie Mockridge während der ersten Ausgabe von «Luke, allein zuhaus» spontan selber beschlossen hat, lautet das Motto der Sendung nämlich „Schaltet ein, um abzuschalten“.

Mockridge ist durchaus eine kluge Wahl für solch ein neues, zwangloses sowie gewollt-planloses Format: Der Moderator und Stand-up-Comedian hat ein ausgeprägtes Alleinunterhalter-Gen und versteht es, in seinen Moderationsparts vor sich hin zu quasseln, ohne peinlich berührte Pausen zuzulassen. Und wie er bereits in seinen früheren Formaten bewiesen hat, beherrscht er es zudem, zügig und spaßig zu moderieren, aber auch immer wieder behände in einen kumpelhaft-sanfteren Tonfall zu wechseln.

In solchen Momenten macht sich bemerkbar, dass Luke zur YouTube-Generation gehört – er gleitet in einen ähnlichen Duktus wie viele populäre YouTuber, wenn sie direkt ihre Fanbase ansprechen. Bloß, dass Luke dabei etwas Fernseh-Grandeur beibehält und ihm der werbende Beiklang abgeht, der vielen (selbstredend aber nicht allen) YouTubern einer gewissen Reichweite innewohnt. Zudem hat Luke Mockridge ein gesundes Selbstironie-Verständnis – bevor ihm Musiker Max Giesinger zugeschaltet wird, verkauft die Sat.1-Allzweckwaffe den Mangel eines seriöseren Gesprächspartners glatt (sowie augenzwinkernd) als riesiges Plus seiner Sendung.

Online schauen gerade 2.500 Leute zu – bei Sat.1 sicher doppelt so viele!
Luke Mockridge in der ersten Folge «Luke, allein zuhaus»
Die Sendestunde «Luke, allein zuhaus» wird aber nicht mit der heißen Nadel völlig neu gestrickt: Die Auftaktfolge setzt direkt den Präzedenzfall, auch auf Archivmaterial zu setzen. Ein alter «Luke – Die Woche und ich»-Einspieler zeigt Mockridge als Ein-Tages-Babysitter bei einer Familie mit vier Kindern. Im Anschluss an den Einspieler spricht der Moderator via Video-Telefonschalte mit der Familie aus dem Einspieler und fragt Eltern der vier Kinder, auf die das Sat.1-Gesicht einst aufgepasst hat, wie sie mit Klopapier-Engpässen und Kontaktverbot klarkommen. Abseits dessen blödelt Luke aber auch herum und spricht etwas langsamer, um RTL-Zuschauer anzusprechen, die in der Werbung rüber geschaltet haben.



Der Gemischtwarenladen namens «Luke, allein zuhaus» wird zudem mit Promi-Clips aus den sozialen Netzwerken ergänzt und mit Telefongesprächen – in Folge eins mit einem 21-jährigen Krankenpfleger aus Bayern, der berichtet, wie es ihm in dieser Zeit ergeht, und mit Lukes Mutter. Manche Fernsehfreaks werden bei diesem Kuddelmuddel aus „Die Persönlichkeit des Moderators trägt das schon alleine“, Internet-Clips, Tagesaktualität und Call-in an eine der zahlreichen Inkarnationen des ARD-Flops «Gottschalk live» erinnert fühlen.

Das ist ein Vergleich, der gewiss Programmchefs Todesängste einjagen dürfte – doch bedenkt man, was Sat.1 planmäßig montags bis freitags auf dem 18-Uhr-Sendeplatz gezeigt hätte, ist «Luke, allein zuhaus» zweifelsohne ein Gewinn: Wer sehen will, wie Fernsehen aussieht, wenn eine Show kaum Vorlaufzeit zwecks Vorbereitung hat, es nur eine stark reduzierte Crew gibt und die Einmischung der Senderredaktion nicht im üblichen Ausmaße ausfällt, wird bei «Luke, allein zuhaus» punktgenau bedient.

Die Sendung ist ehrlich-ungeschliffenes Livefernsehen voller Technikpannen und mit einem holpernden Ablauf – wahrlich kein großer Entertainment-Wurf, aber warmes Durchschnauffernsehen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Quasi Luke Mockridges Gegenentwurf zu seiner aufwändigen, durchchoreografierten «Great-Night-Show».

Fazit: Holprig, semi-improvisiert und sich durch und durch auf Luke Mockridges Ausstrahlung stützend: «Luke, allein zuhaus» ist Feierabend-Fernsehen für Pandemie-bedingte Home-Office-Tage. Und das meinen wir durchaus positiv.

«Luke, allein zuhaus» läuft montags bis freitags live um 18 Uhr in Sat.1 und auf joyn.

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