Schwerpunkt

Faszination Horrorfilm – Von Psychologie, anonymen Anrufern und gefundenen Aufnahmen

von

Teil III: Nachdem im ersten Teil der Quotenmeter.de-Horrorreihe die Ursprünge des Horrorfilms beleuchtet wurden, zeigte der zweite seine Entwicklungen bis Ende der 1980er Jahre auf. Der dritte und vorletzte Teil der Horrorreihe widmet sich dem Horror der 90er Jahre und der Zeit rund um den Jahrtausendwechsel.

Wenn die 1980er Jahre den Horrorfilm in einer Hinsicht bereichert haben, dann war es in dem Aspekt des Body Horrors, der Darstellung der physischen Gewalt im Bezug auf Make-Up, Attrappen, Maskenbildnis, etc. Filme wie «Hellraiser» (1987) oder «American Werewolf» (1981) haben den Body Horror bereichert und gelten als wahre Meilensteine in ihrem Genre. Gleiches gilt für die Filme der 1990er Jahre, wenn auch in anderer Hinsicht.

Das neue Jahrzehnt kann mit starken Horrorfilmen auftrumpfen, von denen nicht wenige im Bereich des psychologischen Horrors angesiedelt sind. Am Anfang des Jahrzehnt erregte beispielsweise der Film «Jacob’s Ladder – In der Gewalt des Jenseits» (1990) Aufsehen. Auch wenn der zusätzliche deutsche Untertitel wie so oft unnötig erscheint, ist der Film selbst ein vertracktes Spiel mit der Psyche eines Kriegsveteranen, das nicht mit Blut oder Gewalt schockt, sondern mit tiefsinnigen Dialogen und existentiellen Fragen überzeugt. Eine Thematik, die sich in den 90ern auffallend oft in Horrorfilmen wiederfindet. So auch in dem einzigen Horrorfilm, der den heiß begehrten Oscar für sich beanspruchen konnte.

Die Rede ist von Jonathan Demmes legendären Film «Das Schweigen der Lämmer» (1991), der bei der Oscar-Verleihung 1992 die „Big Five“ (Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin, bester Hauptdarsteller, bestes adaptiertes Drehbuch) für sich gewann. Wie so oft verschwimmen auch hier die Grenzen zwischen Thriller- und Horrorgenre, doch da sowohl die Oscar Academy, als auch der Filmkritiker und Pulitzer-Preis Gewinner Roger Ebert «Das Schweigen der Lämmer» als vollwertigen Horrorfilm anerkennen, kann man dieser Genrezuweisung wohl vertrauen. Der Film besticht insbesondere durch Sir Anthony Hopkins Rolle als Kannibale Hannibal Lecter, der durch seinen Intellekt sein Umfeld auf perfide Weise manipuliert. Und wieder blitzen hier die psychologische Komponente und ein ikonischer Bösewicht hervor, wie man ihn nur in einem Horrorfilm finden kann.

Ein Horrorfilm, der in den 90ern ebenfalls eine bedeutende Erscheinung war, ist «Bram Stoker’s Dracula» (1992), der von niemand geringerem als Regie-Legende Francis Ford Coppola stammt («Der Pate»-Trilogie). Obwohl die Handlung rund um den namensgebenden Vampir teils etwas orientierungslos wirkt, ist der Film ein optisch berauschendes Werk, in dem die meisten Bilder wie Gemälde auf den Zuschauer wirken. Die Rückkehr der klassischen blutsaugenden Gestalt zeigt auch in den 90er Jahren, dass sich der Horrorfilm immer wieder auf seine literarischen Wurzeln besinnt, die man schon aus den Verfilmungen der 1920er Jahre kennt.

Der mitunter größte Einschlag in der Horrorfilmlandschaft der 1990er stellt der Film «Scream- Schrei!» (1996) dar. Regisseur Wes Craven, der 1984 mit «Nightmare – Mörderische Träume» die Horrorkultfigur Freddy Krueger ins Leben rief, bereicherte mit «Scream – Schrei!» das Horrorfilmgenre um etwas, das man damals nur selten antraf, nämlich Selbstreferenzen und Ironie. So weiß der Mörder in «Scream-Schrei!» beispielsweise über andere Horrorfilme Bescheid, die Protagonisten kennen die „Regeln“ dieser Filme und machen sich über eben jene lustig und zitieren sogar Klassiker wie «Tanz der Teufel» (1981). Cravens Film war ein massiver Erfolg, zog mehrere Sequels, sowie eine Serie nach sich, getragen von einer treuen Fangemeinde. Doch der Regisseur versuchte ein ähnliches Kunststück schon Jahre zuvor mit «Freddy’s New Nightmare», in dem sein Charakter Freddy Krueger ähnliche Referenzen fallen ließ.

Abseits von «Scream-Schrei!» machte der Film «Ringu» (1998), auch bekannt unter dem Titel «Ring – Das Original», von sich reden. Bevor das US-amerikanische Remake «Ring» 2002 erschien, konnte sich das japanische Original rund um das schwarzhaarige Mädchen Sadako einen Namen unter Horrorfilmfans machen. Zusammen mit dem Body Horror Klassiker «Audition», der ein Jahr später erschien, markieren diese beiden Filme einen der ersten und größten Einschnitte des fernöstlichen Horrors in die westliche Filmlandschaft. Viele der asiatischen Horrorfilme sind bis heute anders strukturiert und erzählt, wodurch besonders die Vereinigten Staaten den asiatischen Horror oftmals in Remakes neu inszenieren, um ihn ihren Sehgewohnheiten anzupassen.

Beendet wurden das Jahrzehnt mit zwei Horrorfilmen, deren Einfluss bis heute deutlich zu spüren ist. Die Rede ist von M. Night Shyamalans «Sixth Sense» und dem wegweisenden «Blair Witch Project», die zwar beide nicht unterschiedlicher sein könnten und doch ihre Spuren im Genre hinterlassen haben.



«Sixth Sense» ist unter anderem dafür bekannt, dem Regisseur Shyamalan eine große Zukunft vorher gesagt zu haben, die letztendlich nicht eingetroffen ist. Bemerkenswerter ist jedoch, dass der Horrorfilm mit dem endet, was das Jahrzehnt eingeleitet hat: dem psychologischen Horror. Die Handlung rund um Psychologen Malcolm Crowe und den von emotionalen Problemen geplagten Jungen Cole ist gefühlvoll und zugleich aufregend inszeniert und sorgte damals mit einem genial konstruierten Finale für offene Münder. Auch wenn das Ende heutzutage nicht mehr den Stellenwert von damals einnimmt, lohnt sich ein erneuter Blick auf Shyamalans besten Film zweifelsohne.

Der große Knall, mit dem sich die Horrorfilme der 90er Jahre verabschiedeten, war «Blair Witch Project». Das Projekt der beiden Regisseure Daniel Myrick und Eduardo Sánchez griff dabei auf eine innovative Marketingstrategie zurück. In den ersten Versionen der heutigen Internetforen wurden die Gerüchte verbreitet, dass das Filmmaterial von mehreren Personen gefunden worden sei, die angeblich die berühmt-berüchtigte Blair Hexe in den Wäldern finden wollten. Auch außerhalb des damals noch jungfräulichen Internets wurde der Film nicht als solcher vermarktet, sondern als „Found-Footage-Film“. Gefundenes oder verschollenes Material, das nun also gefunden wurde und gezeigt wird. Eine Marketingmaßnahme, die zwar bis heute angewandt wird, sich jedoch nach «Blair Witch Project» schon schnell ermüdet hatte. Schaut man genauer in die Filmhistorie hinein, könnte man auch den 1980 erschienenen Skandalfilm «Nackt und zerfleischt» (besprochen in Teil II) bereits als Found-Footage-Film bezeichnen. Die große Popularität dieser Bezeichnung kam jedoch zweifelsohne mit «Blair Witch Project». Gerade dieser Film am Ende des Jahrzehnts war der Grund für Kontroversen und schockte neben den Vermarktung zusätzlich mit einem pointierten Finale, das vermutlich jedem Horrorfilmkenner im Gedächtnis geblieben ist.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Jahrzehnt der 90er von Genrevielfalt und nachhaltigen Einflüssen geprägt war, über die man als Horrorfilmkonsument oder selbst als konventioneller Kinobesucher heute noch stolpert. Nicht nur der Siegeszug des psychologischen Horrors, der bis heute anhält, wurde in den 90ern begründet, auch die revolutionäre und bis heute populäre Found-Footage-Materie hatte in dieser Zeit ihre Entstehung.

Im vierten und finalen Teil der Quotenmeter Horrorreihe wird der moderne Horror beleuchtet, gezeigt was ihn ausmacht und welche großen Vertreter es in der Moderne gibt. Warum ist der moderne Horror eine Renaissance für so viele Subkategorien des Genres und welche neue Kreaturen hat der Horrorfilm nach 2000 erschaffen? Diese Fragen klärt der finale Teil der Horrorreihe.

Hier geht es zu den beiden schon veröffentlichten Teilen.
Teil 1
Teil 2

Kurz-URL: qmde.de/111530
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelDas letzte TV-Lagerfeuer Deutschlands, der «Tatort»nächster Artikel«Stuber - 5 Sterne Undercover»: Kleiner Fahrer, großer Cop
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung