Die Kino-Kritiker

Die Entstehung der Comicheldin: «Professor Marston & The Wonder Women»

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Der DC-Actionfilm «Wonder Woman» gehörte in diesem Jahr zu den Must-See-Ereignissen des Kinos. Nun erscheint mit «Professor Marston & The Wonder Women» die verfilmte Entstehungsgeschichte der ikonischen Comicfigur.

Filmfacts: «Professor Marston & The Wonder Women»

  • Kinostart: 2. November 2017
  • Genre: Drama/Biopic
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 109 Min.
  • Kamera: Tom Howe
  • Musik: Bryce Fortner
  • Buch & Regie: Angela Robinson
  • Darsteller: Luke Evans, Rebecca Hall, Bella Heathcote, Connie Britton, Oliver Platt, JJ Feild
  • OT: Professor Marston & The Wonder Women (USA 2017)
Den angeschlagenen Ruf des DC Extended Universe hat er zumindest vorerst wiederhergestellt: «Wonder Women», der erste Solofilm einer weiblichen Superheldin innerhalb des seit einigen Jahren anhaltenden Superheldenfilmhypes. Die Regisseurin Patty Jenkins lieferte damit nicht nur den stärksten Kinostart eines von einer Regisseurin inszenierten Films. Der knapp 150 Millionen US-Dollar teure Blockbuster spielte mehr als das Fünffache seiner Produktionskosten wieder ein, überholte studiointerne Beiträge wie «Batman v Superman: Dawn of Justice» und ebnete den Weg für ein mittlerweile bestätigtes Sequel, das 2019 erscheinen und bei dem erneut Jenkins Regie führen wird. Nun gibt es die laute Mehrheit, die in «Wonder Woman» einen feministischen Film über eine selbstbestimmte, starke Frau sieht, die sich vor ihren männlichen Superhelden-Kollegen nicht zu verstecken braucht. Und es gibt die leise Minderheit (zu der wir uns auch zählen), die sich doch an vielen Dingen des generischen Fantasyactionspektakels störte – etwa daran, dass es zwar außer Frage steht, dass Wonder Woman als kraftvolle Kämpferinnenfigur sehr gut funktioniert, die Regisseurin es allerdings versäumt hat, ihr gleichermaßen Grips zuzugestehen; zwar muss ihre Figur aus keiner misslichen Lage gerettet werden, da sie sich selbst ganz gut verteidigen kann. Die Welt und die Zusammenhänge muss ein Mann ihr allerdings auch dann noch erklären, wenn sie längst selbst hinter die Pläne des Bösen gestiegen sein sollte.

Doch ob diese grenzenlose Naivität nun menschlich und daher niedlich ist, oder als ganz eklatante Schwäche von all den «Wonder Woman»-Euphorikern schlicht nicht gesehen werden will: Fakt ist, ihr erstes Leinwandabenteuer war erfolgreich und da auch die Entstehungsgeschichte hinter ihrer Figur die Handlung eines eigenen Films tragen kann, springt Regisseurin und Drehbuchautorin Angela Robinson («The L Word») auf den Hypetrain auf und inszeniert ein leider allzu seichtes Biopic über den Schöpfer der ersten Superheldin der Welt.

Im Auftrag der Emanzipation


Wir schreiben das Jahr 1941. Dr. William Marston (Luke Evans) ist Psychologe an der renommierten Harvard-Universität. Hier entwickelt er den ersten modernen Lügendetektortest und erschafft im Jahr 1941 die spätere Comicfigur der Wonder Woman. Marston lebt in einer polyamorösen Beziehung mit seiner selbstbestimmten Ehefrau Elizabeth (Rebecca Hall), die ebenfalls Psychologin und Erfinderin ist, und Olive Byrne (Bella Heathcote), einer ehemaligen Studentin. Wonder Woman wird zu einem kraftvollen Vorbild, das die feministischen Ideale repräsentieren soll, nach denen auch Elizabeth und Olive leben. Doch der Comic führt zu einer Kontroverse, deren Auswirkungen die Leben der drei Liebenden für immer verändern.

Während der Lebens- und Leidensweg von Professor Marston und seinen beiden Lebensgefährtinnen Elizabeth und Olive im Rahmen von Rückblenden dargestellt wird, bildet ein Gespräch zwischen ihm und einem an einer «Wonder Woman»-Figur interessierten Verlagshaus die erzählerische Klammer. In diesen sehr kurzen Ausschnitten wird die von Luke Evans («Die Schöne und das Biest») mit Neugier und Enthusiasmus verkörperte Figur des Professor Marston immer wieder mit dem Background seiner Erfindung konfrontiert und muss sich wiederholt den bohrenden Fragen seiner skeptischen Verhandlungspartnerin Josette Frank (Connie Britton) stellen. Zur Debatte stehen hier nämlich noch die aller ersten Entwürfe der «Wonder Woman»-Comics, die auf Basis von Marstons Forschungen mit diversen sexuellen Subtexten versehen waren. Für Marston stellte die Figur der Wonder Woman nämlich nicht bloß die Versinnbildlichung einer starken, emanzipierten Frau dar. Er forschte vor allem zu den psychologischen Themen Dominanz, Veranlassung, Unterwerfung und Befolgung, was er 1925 als sogenannte DISC-Theorie veröffentlichte, worin er die männliche Unterwerfung an ein Matriarchat propagierte.

Angela Robinson widmet sich ausführlich den hingebungsvollen Untersuchungen ihrer Hauptfigur, versäumt es dabei jedoch wiederholt, die Forschungen mit Fakten und Ergebnissen zu unterfüttern. Marstons der DISC-Theorie widersprechenden Kollegen lassen sich so ganz ohne handfeste Beweise somit erschreckend gut nachvollziehen, sodass durchaus der Eindruck entsteht, hinter der Figur der Wonder Woman stecke eben nicht bloß das Ergebnis von psychologischen Forschungen im Hinblick auf weibliche Emanzipation, sondern auch ein ordentlicher Schuss reine Männerfantasie.

Seichtes Biopic ohne die notwendige Ernsthaftigkeit


Dieser Eindruck der Oberflächlichkeit erhärtet sich im Anbetracht der seichten Inszenierung, die gerade bei der Zeichnung der zur damaligen Zeit skandalösen Dreiecksbeziehung für allgemeine Gefälligkeit sorgt, jedoch in standardisierten Bahnen verläuft. In glattgebügelten Hochglanzbildern erzählt Robinson eigentlich von einer Pionierarbeit auf dem Gebiet der Emanzipation, doch selbst die beiden starken Frauen müssen einen Großteil ihrer Ecken und Kanten auf der Strecke lassen, um den von Beginn an vorgezeichneten, standardisierten Drama-Weg mit all seinen Höhen und Tiefen so zu gehen, wie es die Geschichte für sie vorgesehen hat. Die Konflikte, zunächst zwischen William und seiner Frau, dann zwischen Elizabeth und Olivia und schließlich zwischen allen dreien und der spießbürgerlichen Gesellschaft, arbeitet die Autorenfilmerin nach Lehrbuch ab. Für interessante Facetten sorgt sie immerhin, indem sie sich auch ausgiebig mit dem sexuellen (Macht-)Verhältnis innerhalb dieser Ménage à Trois auseinandersetzt, doch als wäre Emanzipation und sexuelle Freizügigkeit in einem Film zu viel für den Zuschauer, ist «Professor Marston & The Wonder Women» von einer merkwürdigen Biederkeit geprägt, die ihren zweifelhaften Höhepunkt findet, als Marston und seine beiden Frauen das erste Mal miteinander schlafen.

Robinson inszeniert den Akt als zwar ästhetisches, gleichsam absolut künstliches Unterfangen, tränkt das Ganze in grelles Sonnenlicht, legt schwülstige Big-Band-Musik auf und drapiert die Körper förmlich, sodass jegliche Leidenschaft im Keim erstickt wird, obwohl das Verhältnis unter den Dreien sie hier so nötig hätte.

Robinson versucht zwar, Marstons private Angelegenheiten mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der daraus folgenden Schöpfung der Wonder Woman zu verbinden, so richtig aus einem Guss wirkt «Professor Marston & The Wonder Women» dennoch nicht. Zu fokussiert handelt sie jedes Themengebiet für sich alleine ab und zu unterschiedlich ist die Qualität der einzelnen Segmente. Während der Part über Marstons Privatleben allenfalls das Soll erfüllt, gestalten sich die Verhandlungen zwischen ihm und den potenziellen Interessenten sogar richtig spannend, genauso wie die Einblicke darin, wie die ikonischen Comicfigur zu jener Form fand, unter der sie heute bekannt ist. Der Film macht zwar deutlich, auf welchen Ebenen sich Marston hat von seinen beiden persönlichen "Wonder Women" hat zu dem Charakter inspirieren lassen, doch am Ende bleibt die Frage offen, wo genau Marston die Relevanz der Figur für die Gesellschaft gesehen hat. Die beiden Hauptdarstellerinnen Rebecca Hall («The Gift») und Bella Heathcote («The Neon Demon») können da leider auch nicht weiterhelfen.

Während Hall Selbstbewusstsein mit Gefühlskälte verwechselt, gelingt Heathcote immerhin der sukzessive Wechsel von der schüchternen jungen Affäre, hin zur reifen Ehefrau und Mutter. Dass die Chemie zwischen den beiden Damen nicht so recht stimmig scheint, sorgt außerdem für eine spürbare Kälte zwischen allen Beteiligten, die einen bis zuletzt an der suggerierten Harmonie zweifeln lässt.

Fazit


Angela Robinson begibt sich in «Professor Marston & The Wonder Women» zurück zu den Ursprüngen der ikonischen Comicfigur Wonder Woman und macht daraus eine seichte Dreiecks-Liebesgeschichte, die der spannenden Grundlage nicht gerecht wird. Am Ende wirkt die feministische Heldin eher wie das Ergebnis einer Männerfantasie.

«Professor Marston & The Wonder Women» ist ab dem 2. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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