Hingeschaut

«Teenage Boss»: Viel Doku, wenig Drama

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Mit seinem neuen Vorabendformat traf RTL am Maifeiertag inhaltlich ins Schwarze. Der Zuschauer bekam eine unaufgeregte Dokusoap mit Mehrwert geboten.

Das Genre Dokusoap hat sich in den vergangenen Jahren einen eher zweifelhaften Ruf erarbeitet, da sich oft genug fragwürdiges, wenn nicht gar hinterhältiges und menschenverachtendes Fernsehen hinter dieser Bezeichnung verbarg. Mit Formaten wie «Schwiegertochter gesucht», «Bauer sucht Frau» oder «Mietprellern auf der Spur» war RTL stets ganz vorne dabei, wenn es darum ging, die Protagonisten einer Sendung auf perfideste Art und Weise vorzuführen, sie der Lächerlichkeit preis zu geben oder gar eine so negative Stimmung gegen sie zu erzeugen, dass sie im Privatleben ständigen Anfeindungen ausgesetzt waren.

Doch schon seit einiger Zeit hält sich gottlob zumindest bei den Kölnern der Nachschub an derartigen Formaten aus der hinterletzten Gosse in relativ engen Grenzen. Neben hochkarätigen Genrevertretern wie «Rach» oder auch dem zumindest sehr ambitionierten «Jenke-Experiment» gehen stattdessen vermehrt Dokusoaps auf Zuschauerfang, die man sich auch als normal denkender Konsument ohne erhöhtem Voyeurismus-Bedarf ansehen kann. So nahm man «Secret Millionaire» zwar seinen Einsatz für die Bedürftigen des Landes nicht wirklich ab, doch immerhin gab es gute Ansätze. Ein weiteres Sozialexperiment startete am Maifeiertag mit «Teenage Boss» - und erneut machte das Zuschauen durchaus Spaß.

Das Konzept der Sendung ist dabei keineswegs neu, sondern war erst vor wenigen Monaten beispielsweise bei «stern TV» in einer sehr ähnlichen Form zu sehen: Ein Jugendlicher bekommt für einige Wochen, in diesem Fall vier, die finanzielle Verantwortung für die gesamte Familie und soll somit darin geschult werden, das vorhandene Geld mehr schätzen zu lernen. In der Auftaktfolge ist dies die 14-jährige Jacqueline, welche das gesamte Monatseinkommen ihrer fünfköpfigen Familie (3.350 Euro) in einem Geldkoffer überreicht bekommt und es in der Folge verwalten muss. Der Clou für sie: Alles, was am Ende des Monats übrig bleibt, darf sie selbst behalten. Beratend zur Seite steht ihr der Finanzberater Selam Hagos.

Recht unangenehm und im Nachhinein sogar beinahe absurd kommt die Exposition noch daher, die - wie man jedoch erst im Nachhinein wissen kann - schlicht ein mit einem Off-Kommentar ausgestattetes "Best-Of" der wenigen lauteren Szenen der Folge darstellt und damit zunächst einen recht krawalligen Eindruck macht. Auch die Vorstellung des Teenagers ist recht klischeebehaftet, da man den Prototypen eines verzogenen, jungen Luxus-Görs zeichnen möchte, das "am liebsten shoppen geht". So traurig es sein mag, aber der erfahrene Dokusoap-Gucker dürfte zudem bei dem Namen Jacqueline einige unschöne Assoziationen der Marke "dat Tschakkäline von da Asibude umme Ecke" gehabt haben.

Doch wenn man diese Einführung überstanden hat, findet man sich plötzlich in einem verblüffend ruhigen, ja fast schon trägen Format wieder, das in den weiteren knapp 50 Minuten Nettolaufzeit quasi vollkommen ohne inszenatorische Nachhilfe auskommt. Stattdessen stellt der Teenager mit Hagos' Hilfe eine erste Kalkulation der Fixkosten auf, wobei der Betrag ihrem Budget gleich abgezogen wird. Anschließend geht Jacqueline die weiteren Ausgaben für Lebensmittel und Luxusgegenständen durch, gibt ihren degradierten Eltern ihr "Taschengeld" und kontrolliert die weiteren Ausgaben sehr, sehr genau - zum Ärger des Vaters, der seine 75 Euro für die ersten beiden Wochen bereits drei Tage zu früh ausgibt und in der Folge bei seiner Frau schnorrt. Auch beim Einkauf neuer Kleidung ist Jacqueline jetzt, da es um "ihr" Geld geht, ungewohnt sparsam und besteht auf Ausgaben von unter 100 Euro.

Das alles klingt nun weder nach einem Feuerwerk an denkwürdigen Szenen noch nach wirklich innovativem Fernsehen, aber nett anzuschauen ist das sehr authentische Geschehen in der Familie zu jedem Zeitpunkt. Zwar fehlt hier und da etwas das Tempo und man hat als Zuschauer das Gefühl, dass in einigen Momenten etwas mehr gezeigt wird, als letztlich wirklich relevant ist, aber gerade Menschen in einer durchschnittlichen Mittelschichtsfamilie werden in dieser Dreiviertelstunde so viele Momente erleben, die sie nur zu gut kennen. Die Identifikation mit den sympathischen Familienmitgliedern ist gegeben, nichts wirkt aufgesetzt oder inszeniert, man hat das Gefühl, wirklich Teile von dem zu sehen, was uns in katastrophal geschauspielerten Scripted-Realities sonst nie begegnet: Zumindest Teile des wahren Lebens ganz normaler Menschen.

Gerade durch den Rollenwechsel zwischen Kindern und Eltern kommen hier auch sehr schön die Eigenschaften zum Vorschein, die typisch für das jeweilige Rollenmuster sind. Während die Eltern über das wenige ihnen zur Verfügung gestellte Geld rummaulen, mutiert Jacqueline zum peniblen Sparfuchs, der seine Eltern permanent um etwas mehr Sparsamkeit bittet - und auf einmal gar nicht mehr so interessiert an ihrer dekadenten Lebensweise ist wie zuvor, schließlich möchte sie ja am Ende möglichst viel Geld selbst behalten. Angenehm wirkt auch Hagos, der vornehmlich im Hintergrund bleibt und sich nie als Helden dieses Formats aufspielt. Stattdessen gibt er einige nützliche Tipps, die sich der geneigte Zuschauer auch zum Teil sicher selbst zu Herzen nehmen kann.

Somit gibt es letztendlich wenig, was man an «Teenage Boss» kritisieren muss. Okay, wenn Jacqueline am Ende des Monats knapp 650 Euro Haushaltseinkommen hat behalten können und es wenig später dann doch für ein neues Smartphone ausgibt, ist der pädagogische Effekt für sie ein wenig zweifelhaft - schließlich hat sie ja ihr Geld letztlich doch wieder nicht wirklich langfristig verwaltet. Doch aufgrund großer Authentizität, einer stets angenehmen Aufmachung, einiger nützlicher Spartipps und der immer eingeflochtenen Reflexion der Teilnehmer macht es Spaß, sich die Sendung gemütlich am Vorabend anzusehen. Und vielleicht lassen sich ja Eltern wie Jugendliche hierdurch dazu ermuntern, mal etwas genauer auf die eigenen Finanzen zu schauen - bei fast sieben Millionen überschuldeten Bundesbürgern wäre dies sicher keine schlechte Idee.

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