Die Kino-Kritiker

«Dark Shadows»

von
Johnny Depp spielt in dem Film von Tim Burton die Hauptrolle. Wir haben ihn vorab gesehen.

Wenn bekannt wird, dass Tim Burton einen neuen Film dreht, ist es mittlerweile fast schon so gut wie sicher, dass auch Johnny Depp und Burtons Lebensgefährtin Helena Bonham Carter mit dabei sind. So überraschte auch kaum, dass die Hauptrolle des Vampirs Barnabas Collins in «Dark Shadows» an Depp ging. Die Adaption der gleichnamigen TV-Serie aus den 1960er Jahren markiert die bereits achte Zusammenarbeit von Burton und Depp. Doch nach «Alice im Wunderland», dem letzten Werk Burtons, sind die Erwartungen bei Fans und Kritikern etwas gedämpft. Zu Unrecht, wie sich nach der Betrachtung herausstellen dürfte. Die rund zweistündige Gruselmär besticht nicht nur durch die von Burton gewohnt erstklassige Optik, sondern durch eine ebenso exzellente Besetzung und einem hohen Maß an Spaß.

Im Jahr 1752 stechen Joshua und Naomi Collins mit ihrem kleinen Sohn Barnabas im englischen Liverpool in See, um in Amerika ein neues Leben zu beginnen. Doch selbst auf den Weiten des Ozeans gelingt es ihnen nicht, dem geheimnisvollen Fluch der Familie zu entkommen...

Zwei Jahrzehnte später: Barnabas (Johnny Depp) erobert die Welt – oder zumindest das Städtchen Collinsport/Maine. Als Herr von Collinwood Manor verfügt Barnabas über Reichtum und Macht, bis der unverbesserliche Frauenheld den gravierenden Fehler begeht, Angelique Bouchards (Eva Green) Herz zu brechen. Angelique ist eine Hexe im wahrsten Sinne des Wortes und verwandelt ihn in einen Vampir, um ihn dann lebendig zu begraben. Zwei Jahrhunderte später wird Barnabas durch Zufall aus seiner Gruft befreit und entdeckt die völlig veränderte Welt des Jahres 1972. Als er nach Collinwood Manor zurückkehrt, findet er nur noch die Ruinen des einst prachtvollen Anwesens. Den zerrütteten Nachfahren der Collins-Familie geht es kaum besser – alle hüten sie ihre finsteren Geheimnisse: Die Matriarchin Elizabeth Collins Stoddard (Michelle Pfeiffer) hat die Psychiaterin Dr. Julia Hoffman (Helena Bonham Carter) ins Haus geholt, um ihre Familienprobleme in den Griff zu bekommen. In der Villa wohnen außerdem Elizabeths nichtsnutziger Bruder Roger Collins (Jonny Lee Miller), ihre aufmüpfige halbwüchsige Tochter Carolyn Stoddard (Chloe Moretz) und Rogers frühreifer zehnjähriger Sohn David Collins (Gulliver McGrath). Doch nicht nur die Familie ist von Geheimnissen umwoben – auch die Angestellten, der Hausverwalter Willie Loomis (Jackie Earle Haley) und Davids neue Nanny Victoria Winters (Bella Heathcote), haben einiges zu verbergen…

Die Wandelbarkeit von Johnny Depp ist längst kein Geheimnis mehr. Ob als torkelnder Möchtegern-Pirat, als Inhaber einer merkwürdigen Schokoladenfabrik oder zuletzt als durchgedrehter Hutmacher: Depp lebt seine Rollen. Im Kostüm des Frauenhelden Barnabas Collins im 18. Jahrhundert und als blasser Blutsauger mit ungeschnittenen Fingernägeln weiß Depp auch dieses Mal wieder zu überzeugen. Die trockenen Sprüche und die nahezu aussagekräftigere Mimik des Schauspielers lassen seinen Charakter zu einer fast schon liebevollen, aber vor allem verrückten Figur werden. Seine Gegenspielerin, die teuflische und lasziv-erotische Hexe Angelique Bouchards sorgt für den nötigen Sexappeal. Ex-Bondgirl Eva Green eignet sich dafür hervorragend. Männliche Kinobesucher dürfen sich auf reichlich Haut freuen.

Die Einführung der am Szenario beteiligten Personen gelingt Burton herrlich schräg. Während des Abendessens im arg heruntergekommenen Anwesen der Collins gesellen sich nach und nach die Familienangehörigen an den großen Tisch. Victoria, die neue „Babysitterin“ im Kreise der Familie, darf sich über eine Sippe freuen, die unterschiedlicher kaum sein kann. Die stoische Gelassenheit des Mädchens spricht für sich. Und wer nach dem Mahl noch immer nicht begriffen hat, dass der Neuankömmling lediglich Vicky genannt werden möchte, hatte entweder zu viel Alkohol im Blut oder den Plattenspieler zu laut aufgedreht. Apropos Musik: Der Soundtrack erweist sich als eine Mischung aus bekannten Songs aus der Nach-Hippie-Zeit und dem orchestralen Tönen des großartigen Danny Elfman. Das harmoniert überraschend gut und bringt den stetigen Wechsel von schaurig-schräger und spaßig-bunter Stimmung richtig in Schwung.

«Dark Shadows» bietet reichlich Momente, sich zu amüsieren, lässt die schauderhafte Ebene dabei aber nie außer Acht. Zu den humorvollsten Momenten zählt die Ankunft Barnabas‘ im 20. Jahrhundert. Geteerte Straßen, leuchtende Ampeln oder amerikanische Fast-Food-Ketten hat dieser schließlich noch nie gesehen. Klare Sache: hinter all dem muss der Teufel persönlich stecken! Dazu bleibt auf der actionlastigen Seite ein turbulenter Paarungsakt zwischen unserem Hauptwesen und der biestigen Hexe in Erinnerung. Burton präsentiert hier einen Genremix, der unglaublich gut funktioniert. Facettenreich und stets mit einem Witz auf den Lippen rennen die Charaktere ins Verderben, ohne es selbst zu ahnen. Und der große Showdown fährt dann einen abgefahrenen Kampf mit ordentlich Krach und CGI-Effekten sowie einigen Geheimnissen der einzelnen Familienmitglieder auf.

Tim Burton gelingt mit seiner Spielfilmversion von «Dark Shadows» eine Gruselkomödie mit vielen Lachern und einem namhaften Cast. Bei all dem Spaß kommt die ernster angelegte Ebene dabei nie zu kurz, wenn auch Burton etwas konventioneller geworden ist. Doch nach dem mäßigen «Alice»-Remake bietet Burton wieder das, was er am besten kann: gelungene Unterhaltung im Gruselgewand.

«Dark Shadows» startet am 10. Mai in den deutschen Kinos.

Kurz-URL: qmde.de/56593
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