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«Modern Family» - Zu modern für Deutschland?

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Am 15. September startete die 6. Staffel der Sitcom «Modern Family». In den USA zwar ein Hit beim Publikum und Kritikern, beschert sie RTL Nitro allerdings regelmäßig schwache Quoten. Wir haben uns gefragt, warum das der Fall ist.

Seit ihren Anfängen in den USA ist «Modern Family» ein Quotenhit für ABC und ein Liebling der Kritiker. Hinzu kommt, dass die Comedy-Serie schon fast genauso lange prestigeträchtige Preisnominierungen und die dazugehörigen Fernsehpreise einsammelt: Writers Guild Awards, Producers Guild Awards, Emmys, Golden Globes, und wahrscheinlich am allerwichtigsten, der Teen Choice Award. Dennoch schafft es die Sitcom nicht, in Deutschland und beim Spartensender RTL Nitro Fuß zu fassen. Und es wird nicht besser: Im Januar berichtete Quotenmeter, dass die Gesamtzuschauerzahl in Deutschland bei 0,13 Millionen mit einem Marktanteil von 0,4 Prozent lag. Von der klassischen Zielgruppe schalteten 0,09 Millionen Zuschauer ein. Im Jahr zuvor stand die Serie mit Werten von 1,4 Prozent beim Gesamtpublikum und 1,7 Prozent bei den 14- bis 49jährigen noch wesentlich besser da.

Die Serie selbst ist inhaltlich relativ schnell zusammengefasst. Eigentlich steht eine klassische Patchwork-Familie im Mittelpunkt: Der Familienpatriarch Jay Pritchett (Ed O’Neill) ist mit der schönen kolumbianischen Einwanderin Gloria Delgado (Sofia Vegara) verheiratet, die wiederum ihren jungen Sohn Manny (Rico Rodriguez) in die Ehe gebracht hat. Jays Tochter Claire Dunphy (Julie Bowen) hat ihre eigene Familie und ist mit dem übernetten und gutmütigen Phil (Ty Burrell) verheiratet, der in seiner kindlichen Art auf ständiger Suche nach Bestätigung und Zuneigung ist. Ihre beiden Töchter, die strebsame Alex (Ariel Winter) und die etwas oberflächliche Haley (Sarah Hyland) kämpfen gegeneinander und mit alltäglichen Sitcom-Teenager-Schwierigkeiten. Der etwas einfältige Sohn Luke (Nolan Gould) steckt mittendrin, ist aber amüsanter Lebenskünstler. Darüber hinaus hat Jay noch einen Sohn namens Mitchell (Jesse Tyler Ferguson). Ein Rechtsanwalt, der mit seinem Lebenspartner (später Ehemann) Cameron Tucker (Eric Stonestreet) zu Beginn der Serie das vietnamesische Mädchen Lily (Aubrey Anderson Emmons) adoptiert. Beide müssen sich den Herausforderungen junger Eltern stellen.

Das ist niedlich, das ist kuschelig, und sogar oftmals sehr witzig, auf eine Art und Weise, die niemanden weh tut, aber trotzdem clever ist. «Modern Family» versucht gelegentlich etwas Kitschiges, aber auch sehr Herzerwärmendes über das Familienleben auszusagen, was meistens sofort wieder mit einer sanften Prise Humor unterwandert wird. Es ist mehr oder weniger ein Teddybär in TV-Form. Was ist also das Problem? Hier ein paar Theorien:

Wechselnde Sendeplätze auf einem Spartensender:
Spartensender wie RTL Nitro werden schon von Natur aus von weniger Menschen gesehen, weil Spartensender eben auch von weniger Menschen empfangen werden. Die Misere, die oftmals hinzukommt und sich dann noch in den eigenen Schwanz beißt: Schlechte Quoten führen zum albernen Sendeplatzwechseln und das führt wiederum zu schlechteren Quoten. RTL Nitro hat mit «Modern Family» schon vieles ausprobiert, den Montag, den Donnerstag und den Freitag. Frustrierend ist dies vor allem für Fans und Stammzuschauer, welche bei der Sendung dann eben doch regelmäßig gerne mitlachen und sich schnell vorkommen wie eine Katze, die versucht, den roten Punkt eines Laserpointers zu jagen. Das macht dem Menschen jedenfalls selten Spaß. Manch ein Zuschauer gibt nach einer gewissen Zeit auf und greift lieber zur DVD-Veröffentlichung oder schaut sich bei Netflix um.

Synchronisation:
Synchronisation ist immer eine haarige Angelegenheit. Diskussionen wurden und werden ohne Ende darüber geführt, ob sie ein Kunstwerk verfälscht. Die Menschen, die nicht der englischen Sprache mächtig sind, möchten verständlicherweise nicht darauf verzichten. Diejenigen, die einen Film oder eine Serie in der Originalsprache für die einzig wahre Offenbarung halten, halten sich dementsprechend von synchronisierten Fassungen im deutschen Fernsehen fern. Gerade bei Comedy ist die Frage der Synchronisation eine heikle Angelegenheit. Sehr viel hängt hier von Timing, Betonung, Attitüde und eben auch Sprache ab. Die Synchronisation von «Modern Family» ist… okay (dieser Artikel wurde zugegebenermaßen von jemanden geschrieben, der hauptsächlich die englische Fassung schaut, und die kann man nicht mehr ungehört machen - Objektivität beeinträchtigt).

Es sind durchaus bekannte Synchronveteranen vertreten: Rüdiger Bahr hat Ed O’Neill schon mehrere Jahre im dreckigen Sitcom-Klassiker «Eine schrecklich nette Familie» würdig vertreten. Auch Peter Flechtner (Stimme von Ty Burrell alias Phil Dunphy) und Kim Hasper (Stimme von Jesse Tyler Ferguson alias Mitchell Pritchett) dürften Stimmen sein, die dem einem oder anderem erfahrenen Synchronisations-Lauscher bekannt sein könnten. Manche Gags zünden, manche versickern im Sand, auch wenn man sich die größte Mühe gibt. Es ist selbst für erfahrene Comedy-Akteure nicht gerade einfach, in 20 bis 25 Comedy-Episoden pro Jahr mitzuspielen. Die Magie dann auch noch in der deutschen Sprache zu regenerieren, wird noch wesentlich schwerer sein. Leider geht hier viel verloren und gelegentlich wirkt die Komödie in ihrer synchronisierten Fassung kurioserweise wirklich wie eine etwas seichte Dokumentation. Der ein oder andere Neuzugang mag sich vielleicht fragen, was genau an dieser äußerst erfolgreichen Serie so witzig ist.



Das Format:
Sogenannte Mockumentarys sind in der amerikanischen Film- und Fernsehwelt ein durchaus fester Bestandteil. Spätestens seit der Rob Reiner Komödie «This is Spinal Tap» von 1984 taucht dieses Format immer wieder auf. Die britische Ricky Gervais-Comedy «The Office» gilt auch heute noch als Kulthit. Die amerikanische Version mit Steve Carell lief 188 Episoden erfolgreich bei NBC. Der spirituelle Nachfolger «Parks und Recreation» war quotentechnisch zwar weniger erfolgreich, konnte sich allerdings dennoch 7 Staffeln lang wacker schlagen, erst kürzlich floppte die Andy Samberg Komödie «Popstar: Never Stop never Stopping», die hierzulande nicht einmal ins Kino kam. „Mockumentary“ ist eine Wortbildung, die sich aus dem englischen Wort „mock“ (= veralbern} und „documentary“ zusammensetzt und bezeichnet ein pseudodokumentatorisches Format gefilmt mit Handkameras und oftmals auch falsche Interviewsituationen, das dementsprechend keine realen Menschen zum Gegenstand hat. «Stromberg» war als deutsche «The Office»-Version ein solcher Kulthit und konnte sich einige Jahre im Fernsehen und sogar in einem Kinofilm behaupten.

Auch die deutsche Erfolgskomödie «Er ist wieder da» hatte Mockumentary-Elemente. Dennoch ist das Format in einem Komödienkontext in Deutschland nicht unbedingt etabliert und schon gar nicht so erfolgreich wie die klassische Multikamera-Sitcom mit dem strategisch eingesetzten Zuschauergelächter. Diese laufen momentan im Nachmittagsprogramm und halten den Zuschauer in einer Endlosschleife aus ständigen Wiederholungen gefangen, wie in einem Science Fiction Film mit Tom Cruise oder einer Bill Murray-Komödie… nur eben mit mehr Fernsehen. Der Punkt ist, «Modern Family» kündigt seine Gags nicht an und wartet keine Lacher ab. Das heißt nicht unbedingt, dass das Format nur für schlaue Leute gedacht ist, allerdings erfordert es Training, die Ironie, den Sarkasmus und die versteckten Witze zu entdecken. Nicht Jedermanns Sache, was wiederum verständlich ist.

Moderner amerikanischer Traum:
Dies ist ein etwas abstrakterer Gedanke. Aber machen wir uns nichts vor, der amerikanische Traum ist ein Mythos. Dieser bedeutet vielleicht für jeden etwas anderes, allerdings inspiriert er immer noch und ihm wird gelegentlich relativ verblendet hinterher gejagt sowie als politische Phrase durch die Gegend geschleudert. Die Katze mit dem Laserpointer kommt wieder als Metapher in den Sinn. «Modern Family» existiert in seiner eigenen, kleinen Seifenblase. Das ist nicht unbedingt als Kritik gedacht, denn die Comedy-Serie ist sogenanntes Wohlfühlfernsehen, wenn auch auf hohem Niveau, das eine Art Utopie im Hier und Jetzt entwickelt, bestehend aus Sonnenschein und Wohlstand. Dies ist nicht schlimm, aber eröffnet nicht unbedingt den etwas kritischeren oder zynischeren Blick auf das amerikanische Alltagsleben, das sich vielleicht der ein oder andere hierzulande wünschen mag. Spaßig, aber naiv existiert «Modern Family» in einer Art Wohlstandsblase, die vieles Politische und Gesellschaftliche auszublenden weiß. Obwohl es durchaus subversive Themen ohne den bösen Zeigefinger behandelt, wie z.B. das Zusammenleben eines homosexuellen Paares oder das Leben einer südamerikanischen Einwanderin, die mit ihrem Sohn bei einem reichen Geschäftsinhaber wohnt. Vielleicht wirkt «Modern Family» deswegen immer etwas abgeschottet vom Rest der Welt. Und vielleicht ist es deswegen hierzulande nicht allzu beliebt, weil es ein spezifisches Bild einer amerikanischen Wohlstandsgesellschaft zeichnet. Eines amerikanischen Traumes, der aus der Ferne betrachtet oftmals wie Fantasy wirken kann, und der kaum über diesen Tellerrand hinausblickt.

Vielleicht ist das auch alles Quatsch, insbesondere der letzte Punkt. Oder es wurde etwas vergessen. Falls ja, die Kommentarspalte hört Ihnen, lieber Leser, geduldig zu, wenn Sie erklären möchten, warum Sie kein «Modern Family» auf RTL Nitro schauen.

Die sechste Staffel von «Modern Family» ist seit dem 15. September 2016 immer Donnerstags ab 22.05 Uhr in Doppelfolgen auf RTL Nitro zu sehen.

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Es gibt 14 Kommentare zum Artikel
torsten.partenheimer
24.09.2016 19:53 Uhr 1
Warum ich kein "Modern Family" schaue? Ganz einfach.

Weil die Serie einfach nicht witzig ist. Weder im Original, noch auf deutsch.
vicaddict
24.09.2016 20:15 Uhr 2
Humor ist ja zum Glück Geschmackssache. Für mich ist Modern Family die witzigste Serie dieser Dekade und vermutlich sogar noch weit mehr als das. Gerade weil es eine Wohlfühlserie ist, bei der es am Ende ein Happy End gibt und bei der familiäre Probleme nicht dadurch thematisiert werden, dass die Beteiligten um die Wette schreien, macht die Serie so erfrischend.
Nr27
24.09.2016 20:25 Uhr 3
Ich wollte die Serie wirklich mögen - schon weil ich großer Fan von Julie Bowen bin (und auch Ed O'Neill schätze, obwohl ich nie ein Al Bundy-Fan war). Aber mir ging es nach ein paar Folgen wie bei so vielen US-Sitcoms (z.B. auch "Die Goldbergs"): Das ist ja alles nett und sympathisch und ab und zu schaue ich es auch gerne mal an - aber es reißt mich einfach nicht vom Hocker. Und bei solchen Serien steige ich dann halt irgendwann aus - es gibt derzeit schlicht und ergreifend ein viel zu großes und starkes Serienangebot, als daß ich bei "ganz netten" Serien dranbleiben würde; vor 10 oder 20 Jahren hätte das noch anders ausgesehen ...
Tony Montana
24.09.2016 21:21 Uhr 4
Für mich ist schonmal die schlechte Promotion schuld, denn bis gerade wusste ich gar nicht, dass die neue Staffel gestartet ist...
jotobi
24.09.2016 21:53 Uhr 5
Das stimmt wohl. Ich schaue die Serie gerne und hatte eher durch Zufall mitbekommen, dass die neuen Folgen angelaufen sind. Habe die ersten beiden dann bei TV Now nachgeholt.
Jan_Itor
24.09.2016 22:43 Uhr 6
Ab und zu ist die Serie schon ganz unterhaltsam. Allerdings hat sie für mich zu viele Charaktere, die ich nicht lustig finde. Wenn nur Ty Burrell's Familie vorkäme, und Ed Oneill zusätzlich in den Keller ziehen würde, dann wäre es genau mein Fall. Allerdings wäre es dann auch "Classic Family".
Familie Tschiep
24.09.2016 23:40 Uhr 7
Die Synchronfassung finde ich nicht so schlimm. The Big Bang Theory funktioniert ja quotentechnisch auch in Deutsch.



Vielleicht sollte man Modern Family bis zum Erbrechen täglich wiederholen, das hat bei anderen Sitcoms funktioniert.
Tony Montana
25.09.2016 00:43 Uhr 8


Naja, es macht ja den Unterschied zu eindimensionalen Sitcoms wie Big Bang Theory, dass hier verschiedene Formen der Comedy ihren Platz haben. Mitchell & Cam bringen eine Mischung aus etwas Subtilität und Pärchenkomik, bei Jay & Gloria ists eher etwas brachialer und die Dunphys stehen eher für Situationskomik. Das ist die Stärke, irgendwo aber auch die Schwäche, da der Zuschauer nicht von jeder Art Humor abgeholt wird. Gerade der durchschnittliche deutsche Zuschauer ist da meiner Meinung nach sehr simpel gestrickt, da reicht es halt schon Reizwörter zu triggern, damit er sich brüllend auf den Schenkel haut.
Quotermain
25.09.2016 08:23 Uhr 9
Ich habe die Serie gemocht.

Dann wurden die Folgen immer blöder und später drehten sich ganze Folgen um iPad und Co. als Hauptdarsteller.

Da war ich dann mal weg...
Alexinla
25.09.2016 09:42 Uhr 10
Ich glaube wenn die Serie in Dauerschleife auf Pro 7 laufen würde, währe sie auch in Deutschland erfolgreich geworden.

Für mich persönlich ist es die beste Comedy zur Zeit.

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