First Look

«Empire»: Goldkette über Nadelstreifenanzug

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Wenn Gangsta-Rap auf Familiendrama trifft: In «Empire» streiten sich die Söhne eines todkranken Musikmoguls um das große Erbe. Über einen guten Frühstarter im Serienjahr 2015, der von sich reden machen könnte...

Hinter den Kulissen

  • Erfinder: Lee Daniels («The Butler»), Danny Strong («The Hunger Games - Mockingjay»)
  • Ausführende Produzenten: Daniels, Strong, Brian Grazer, Francie Calfo, Ilene Chaiken
  • Darsteller: Terrence Howard, Bryshere Gray, Jussie Smollett, Trai Byers, Taraji P. Henson u.a.
  • Produktionsfirma: Imagine, 20th Century Fox TV
„Soll das jetzt hier eine moderne Version von King Lear werden oder was?“ Als Musikmogul Lucious Lyon seine drei Söhne zusammenbittet, staunen sie nicht schlecht. In all ihrer Anwesenheit teilt Lucious mit, dass einer von ihnen demnächst die Geschäfte seiner Firma übernehmen soll – nur wer, das ist noch nicht klar. Und, vor allem, von welchen Kriterien der ehemalige Rapper seine Entscheidung abhängig machen will. Das Rennen jedenfalls um sein Musikimperium – das titelgebende „Empire“: Es ist eröffnet.

Was die Familienmitglieder offenbar noch nicht wissen, erfährt der Zuschauer schnell in dieser neuen Serie: Lucious Lyon hat die tödliche Nervenkrankheit ALS, ihm bleibt nicht mehr viel Zeit. Er ist gezwungen, sein Erbe zu regeln: die Millionen auf dem Konto, die Immobilien, das riesige Hip-Hop-Imperium, das er aufgebaut hat. Seine Story ist die eines Selfmade Man von ganz unten: Vom Drogendealer und kleinen Rapper arbeitete er sich zum Chef eines Musikimperiums hoch, das die weltweite Hip-Hop-Szene mit ihren Stars prägt. Und auch in Zukunft prägen soll, ohne Lucious Lyon.

Der Pilot der neuen Fox-Serie erzählt den Auftakt zu einem Familiendrama, das nicht unbedingt von seiner klischeehaften Ausgangssituation lebt: Geschichten um das begehrte Erbe sind jahrhundertealt, nicht zuletzt weiß dies die Serie selbst – und spielt mit der „King Lear“-Bemerkung offensiv darauf an. Nein, interessant machen «Empire» die schon in der ersten Episode differenzierten Charaktere: Da wäre der jüngste Sohn, der sein musikalisches Gangsta-Talent zugunsten billiger Mädchen und großer Exzesse wegwirft. Der mittlere Sohn, der außerordentlich gut Musik macht, vor einer Karriere in der Hip-Hop-Szene aber zurückschreckt, da er homosexuell ist. Schließlich der älteste Sohn, der als CFO bereits großen Einfluss in der Firma seines Vaters hat – aber leider kein musikalisches Gespür.

Wie «Empire» die Geschichten von Selbstzweifel oder Selbstüberschätzung der Brüder nachzeichnet, ist bemerkenswert, weil nicht überbordend klischeehaft. Insbesondere die Thematik des homosexuellen Musikers in der – seinen eigenen Worten zufolge – von homophoben Tendenzen gerpägten Hip-Hop-Szene bringt Relevanz, und sie bringt auch Spannung: Denn Vater Lucious will die sexuelle Orientierung seines Sohnes immer noch nicht wahrhaben. Ganz im Gegensatz zu seiner Mutter Cookie: Sie akzeptiert ihn, will mit ihm groß durchstarten – eigenes Album, eigene Tour. Sie glaubt an das Selbstbewusstsein ihres Sohnes. Auch Cookies Charakterisierung gelingt; sie hat zudem die interessanteste Hintergrundgeschichte: Jahrzehnte saß sie aufgrund von Drogendeals im Knast, und nun, da sie endlich in Freiheit ist, beansprucht sie einen Teil von Lucious' Firma. Dieser hat sich mittlerweile scheiden lassen.

Eigentlich sind es also die Grabenkämpfe zwischen Lucious und Cookie, die sich bald auf die Brüder übertragen. Anfangs arbeiten diese noch zusammen, helfen sich einander beim Produzieren der Stücke – doch allmählich werden die Risse sichtbar, je näher die entscheidende Frage rückt: Wer soll das Erbe des Vaters antreten? Lucious heizt den Konkurrenzkampf noch an, indem er ankündigt, dass die Brüder je ein neues Album in diesem Jahr veröffentlichen. Sollen am Ende etwa die Verkaufszahlen entscheiden, wer den offen ausgetragenen Erbkampf gewinnt?

«Empire» punktet also nicht mit dem Was der ziemlich klassischen Erb- und Familiengeschichte, sondern damit, wie sie erzählt wird. Visuell ansprechend inszenierte Flashbacks gewähren verstörende Einblicke in die Kindheit der Söhne; nicht selten fühlt man sich an die Klatschstorys um Michael Jackson und seine Brüder erinnert, die vom tyrannisierenden Vater zum absoluten Erfolg gezwungen werden. Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg auf höchstem Niveau, und die Gesangseinlagen stimmen. Die einzigartige Songqualität von «Nashville» erreicht man zwar (noch) nicht, aber die musikalischen Parts vermitteln hervorragend die Gefühlslagen der Charaktere, ihre Emotionen und Gedanken. Insofern werden die Musikstücke auch als Storyelement passend eingebaut.

Lediglich die Figur des Vaters Lucious Lyon (gespielt von Terrence Howard) wirkt als einzige blass und klischeehaft. Trotz einiger Rückblenden gelingt keine tiefgründige Charakterisierung, im Gegenteil tragen sie eher dazu bei, einen einförmigen, skrupellosen und machtgierigen Charakter zu formen, der wenig zur sonst differenzierten Story von «Empire» beiträgt. Davon abgesehen ist die Serie, die zumindest jetzt noch nicht so soapig daherkommt wie befürchtet, durchaus zwei oder drei Blicke wert. Zumindest dann, wenn man keinen kompletten Abscheu gegenüber der Hip-Hop-Musik und ihrer Szene empfindet.

Dieser Artikel erschien erstmals zum US-Start im Januar 2015.
ProSieben startet «Empire» im deutschen Fernsehen am Mittwoch, 24. Juni um 20.15 Uhr.

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mwen001
15.01.2015 12:34 Uhr 1
Im Ernst? Das ist wirklich eine furchtbarer Pilot und zeigt wie stark FOX auf der Suche ist. Und wenn man sich die aktuellen Serienentwicklungen des neuen Team sehe ich auch schwarz für die Zukunft...ich sage nur Minority Report und LUTHER Remake...echt tolle Ideen!
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