First Look

«Too Old To Die Young»: Nihilismus in Reinkultur

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Nach «Drive», «The Neon Demon» und «Only God Forgives» überträgt Regisseur und Drehbuchautor Nicolas Winding Refn seinen sehr speziellen Filmstil auf den kleinen Bildschirm. Die zehnteilige Serie «Too Old To Die Young» beschreibt er selbst allerdings als 13-stündigen Film und möchte sie somit von anderen Vertretern ihrer Art abgrenzen. Vorab wurden für die Kritik nur Folgen vier und fünf bereitgestellt, beide mit jeweils über einer Stunde Laufzeit. Ein Verständnis über die Gesamthandlung ist aufgrund der fehlenden Information aus Folgen eins bis drei deshalb zu Teilen nur eingeschränkt möglich.

«Too Old To Die Young» folgt Protagonist Martin (Miles Teller), einem Cop aus Los Angeles, dessen Partner getötet wurde. Für die Unterwelt führt er Auftragsmorde aus, ebenso wie der noch undurchsichtigere Viggo (John Hawkes). Als stoischer, wortkarger Hauptdarsteller erinnert er dabei zusehends an Refns namenslosen Fahrer (Ryan Gosling) aus «Drive». Unterstützt wird diese Darstellung von einer unglaublichen filmischen Kälte, die durch das vollständige Fehlen von Humor und eine geradezu archetypisch dargestellten Empathielosigkeit realisiert wird. Die Funktion des Antihelden wird dadurch erzielt, dass Martin ausschließlich Leute tötet, die es seinem Empfinden nach verdient haben, eine Bezahlung für seine Tätigkeit lehnt er ab. Als er dies seinem Auftraggeber deutlich macht, entgegnet dieser: „Du willst das Blut, nicht das Geld. Gut, mit solch hohen moralischen Standards, wie soll ich da nein sagen.“

Insgesamt scheint vieles von dem, was dem Zuschauer geboten wird, an die vorrausgehenden Werke des Regisseurs angelehnt zu sein: Neon-Lichter, Dunkelheit, elektronische Musik, extreme Brutalität. Neu ist allerdings das maximal verlangsamte Pacing. «Drive» lief seinerzeit 90 Minuten, übernehmen wir die Aussage, dass es sich bei «Too Old To Die Young» tatsächlich um einen Film handelt, der 13 Stunden läuft, so dürfte die teils schon statisch wirkende Erzählgeschwindigkeit niemanden überraschen. Würde an einigen Stellen der Serie keine Hintergrundmusik laufen, so müsste man wohl häufiger überprüfen, ob man nicht ausversehen den Pausenknopf auf der Fernbedienung gedrückt hat. Die musikalisch unterlegten Quasi-Standbilder bestehen dabei aus einer ebenfalls bekannten elektronischen Grundausrichtung im Bereich des Synthwaves, welche teilweise mit klassischer Arie gekoppelt wird.

Ausgehend von dem, was vor Serienstart an Vorschaumaterial bereitgestellt wurde, wird diese Serie die Zuschauerschaft spalten, wie lange keine vor ihr. Für die einen werden die emotionslosen Dialoge und Handlungen, schnell in Monotonie münden und ein Gefühl erzeugen, dass nichts, von dem was gezeigt wird, wichtig erscheinen lässt. Dass einige Personen in Refns Werk wirken, als seien sie aus einer Nervenheilanstalt ausgebrochen, in der sie für klinische Depression behandelt werden, dürfte diese Annahme nur noch verstärken und dafür sorgen, dass lediglich die teils ultrabrutalen Szenen es vermögen, jene aus dem Dämmerschlaf zu reißen.

Für die anderen, insbesondere diejenigen, die Refns bisheriges Repertoire als hohe Kunst, das sich vom Mainstream abkapselt, bezeichnen, wird auch «Too Old To Die Young» wieder eine willkommene Abwechslung vom Einheitsbrei sein, eine Art Kunstwerk, dessen Schönheit nur den wenigsten Menschen offenbart wird. Es gibt schließlich auch den ein oder anderen Kunstliebhaber, der in einer Galerie für Stunden vor einem einzigen Bild stehen und sich in dessen Bann ziehen lassen kann. Und für genau diese Art des gehärteten Cineasten, ist «Too Old To Die Young» durchaus eine Empfehlung wert.

Ab Freitag, den 14. Juli kann sich jeder selbst von Refns neuestem nihilistischem Machwerk überzeugen. Ab dann werden alle Folgen auf einen Schlag bei Amazon Prime-Video in englischem Originalton sowie deutscher Synchronisation für den Zuschauer bereitgestellt.

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