Serientäter

Text ohne Namen - Titellose Tristesse

von   |  11 Kommentare

Immer mehr Fernsehserien verzichten darauf, ihren Folgen Namen zu geben. Unserem Autor missfällt das – deshalb an dieser Stelle sein Plädoyer für Titel.

In seiner Gedichtsammlung „Old Possum’s Book of Practical Cats“, auf der auch das berühmte Musical von Andrew Lloyd-Webber basiert, setzte sich der britisch-amerikanische Schriftsteller T.S. Eliot in „The Naming of Cats“ mit großem Sinn für Humor und vielleicht noch größerem stilistischen Können mit der Bedeutung von Katzennamen auseinander. Keine Katze komme ohne drei Namen aus: Einer davon ist für den Alltag bestimmt, etwa Peter oder James. Hinzu kommt ein weiterer, ein besonderer, würdevollerer, ohne den wohl kaum eine Katze voller Stolz den Schwanz erheben könnte, etwa Coricopat oder Jellylorum. Zusätzlich zu dieser ohnehin bereits ausgefallenen Auswahl braucht eine Katze aber noch einen weiteren, einen dritten Namen, den kein Mensch je erfahren wird und den nur die namenstragende Katze selbst kennt. Leider hat uns T.S. Eliot keine Beispiele geliefert.

Bevor Sie nun denken, dass dieser Serientäter endgültig den Verstand verloren hat, komme ich zum Punkt: Diese humoristisch-exzentrische Vorstellung von T.S. Eliot führt uns zum Wesen und zur Bestimmung eines Namens – oder eines Titels. Er führt ein in ein Werk und bildet einen ersten Ansatz, um sich mit ihm vertraut zu machen. Er kann karikieren, einen Widerspruch schaffen oder einen größeren Zusammenhang herstellen, als eine Anspielung, eine Referenz oder ein wie auch immer gearteter Bezugspunkt.

Umso bedauerlicher ist es mitunter, dass viele Serien, gerade im Streaming-Bereich, mittlerweile auf eigene Episodentitel verzichten – auch besonders ambitionierte. «House of Cards» etwa nummeriert seine Folgen schnöde von „Chapter 1“ und „Chapter 2“ bis hin zu (aktuell:) „Chapter 62“ durch. Nicht anders machen es «Versailles» oder «Die Brücke».

Eine Serie, die dagegen schon immer großen Spaß an ihren Folgentiteln hatte, sind die «Simpsons». Wer sich durch ihre Staffellisten stöbert, stößt auf einen herrlichen Fundus von cleveren Referenzen und Wortspielen. Eine Folge, in der Homer Simpson zum NRA-unterstützenden Waffennarr wird, heißt treffend „The Cartridge Family“. Eine Episode, in der sich Homer in Folge einer Verletzung für einige Wochen seinen Kiefer mit einer Drahtkonstruktion verriegeln lassen muss, heißt in Anspielung auf Kubricks Letztwerk „Jaws Wired Shut“. Eine intensive Charakterstudie zu Krusty, dem Clown, wird zur Scorsese‘schen „Last Temptation of Krust“. Und als selbiger Clown unter mysteriösen Umständen verschwindet, wird jene Episode in einer cleveren Referenz auf einen ähnlich klingenden Film der Coen-Brüder „Bart the Fink“ genannt. Allein: Mit wenigen Ausnahmen bekommen von diesen Bonmots nur die Hardcore-Fans etwas mit, die sich kichernd durch Staffellisten wälzen. Anders als in der deutschen Version verzichtet die Originalausstrahlung in Amerika im Normalfall auf eine Einblendung des Folgentitels.

So wie viele Serien mittlerweile ganz darauf verzichten, ihren Folgen Namen zu geben. Unsere österreichischen Leser bringt das natürlich gleich auf die einzigartige «Sendung ohne Namen» – doch deren titelgebende Namenlosigkeit war schließlich nur dem Umstand geschuldet, dass ein umgedrehtes %-Zeichen ein noch schlechterer Titel gewesen wäre.

Doch selbst der Titel «Sendung ohne Namen» erfüllt eben alle Kernkriterien: Er führt hinein in das Exzentrische, er betont bereits, dass diese Sendung ein Bruch mit dem Gefälligen des Regelfernsehens sein will, hebt ihre Andersartigkeit und ihren Anspruch hervor. Alles, was einem "Chapter 40" zur Hinführung an eine Stunde Intrigen im Weißen Haus bei «House of Cards» nicht gelingt.

Titel schreiben ist die Hölle: eine kniffelige Fingerübung, deren feine Ironie nicht selten unentdeckt bleibt und deren Gelingen nur ein kleiner Zirkel tatsächlich Wert schätzen wird. Die Entscheidung, hier mit des Autors Zeitressourcen zu haushalten, ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Und trotzdem ist es eine kleine Resignation, diese letzte Meile nicht zu gehen, wenn der Autor seine Stifte ins Feuer wirft, bevor er den kleinen letzten Rest Arbeit erledigt hat: einen Namen für sie zu finden.

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Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
14.02.2018 12:18 Uhr 1
Das ist die neue Generation von Serien:

1. Sie haben nicht mehr so viele Episoden! Nicht mehr über 20, sondern höchstens mal 16 wie bei TWD, aber eher nur noch 10 Episoden wie z. B. bei Stranger Things oder The Punisher usw. Das ist gut, da man sich mehr auf das wesentliche konzentriert nicht so vieln Nebensächlichkeiten zeigt.

2. Sie haben keinen langen Vorspan mehr, sondern blenden nach einigen Episoden nur noch den Namen ein. Das spart Zeit!

3. Es gibt keine Episodentitel mehr. Nicht ganz korreckt! Diese wird allerdings nur in der Serie nicht mehr gezeigt. Jede Episode hat natürlich noch seinen einzelnen Titel, für die Drehbücher und wenn sie anderswo aufgelistet werden. Nur werden sie eben nicht mehr in der Serie gezeigt. Finde ich nicht verkehrt, da manche Episodentitel schon mal gespoilert haben, wie z. B. bei Law & Order der Fall war.



Fazit: Die neuen Generationen von Serien gefallen mit sehr gut und so sollte es bleiben.
medical_fan
14.02.2018 12:44 Uhr 2
Kabelsender werden die geringe Anzahl von Folgen beibehalten.

Network Serien allerdings nicht, die werden immer die aktuelle Folgenanzahl beibehalten. Kürzere Vorspänne sind gut, keine Episodentitel in der Serie nicht.
Vittel
14.02.2018 13:07 Uhr 3
Kann ich nicht nachvollziehen. Bei Rick and Morty gibt es Namen, bei South Park gibt es Namen, bei Dark, bei Supernatural, bei Elementary, bei Altered Carbon usw



Die Kapitel bei House of Cards sind ein Stilmittel. Es wird in Kapiteln erzählt und wie auch bei Büchern müssen einzelne Kapitel nicht extra benannt sein.
Nr27
14.02.2018 13:19 Uhr 4


Zu 1.: Da will ich widersprechen. Ich weiß, es ist derzeit en vogue, sogenannte "Füllerepisoden" abzulehnen, aber das ist meines Erachtens recht kurz gedacht und kann nur bei wirklich durchgehend herausragenden Serien mit fortlaufender Handlung funktionieren. Dabei erfüllen mehr oder weniger für sich stehende Einzelepisoden durchaus eine Funktion, beispielsweise können sie tiefer in die Hintergründe einer bestimmten Figur eintauchen; dem Autoren die Möglichkeit geben, etwas Ungewöhnliches auszuprobieren (Paradebeispiele: "Blink" bei "Doctor Who", "Die Fliege" bei "Breaking Bad" oder die Musicalepisode "Once More with Feeling" bei "Buffy"); einfach mal eine Spaß-Episode ohne tieferen Sinn ermöglichen. Und was auch nicht zu unterschätzen ist: Echte Highlight-Folgen entfalten ihre Wirkung auch im Zusammenspiel mit "normalen", eher unspektakulären Episoden davor und danach. Kurzum: Ich mag solche Einzelepisoden nicht missen (auch wenn es natürlich etliche gibt, die tatsächlich einfach nur belanglos oder sogar langweilig sind, gerade bei Crime Procedurals).



Zu 2.: Das trifft so aber vorwiegend auf Network-Serien zu, während im Pay-TV im Gegensatz dazu ja gerne sogar besonders aufwendige Vorspänne regelrecht zelebriert werden ("Game of Thrones", "Orange is the New Black", "Dexter", "Black Sails").



Und was nun die Episodentitel betrifft: Die sind mir eigentlich relativ egal, solange sie nicht - was besonders bei den vom Original abweichenden deutschen Titeln recht oft der Fall ist - die Handlung spoilern. Aber klar, zum Diskutieren ist es natürlich schon nützlich, wenn es wie bei "Game of Thrones" eingängige, aber auch einigermaßen unverwechselbare Episodentitel gibt, bei denen jeder Serienfan gleich weiß, worum es geht ...
Vittel
14.02.2018 13:32 Uhr 5
Ich schaue zur Zeit die 11. Staffel Supernatural und dort begrüße ich die Monster of the Week Folgen. Roadtrip, Kleinstadt und Monster unverändert seit mittlerweile 11 Jahren.



Das liegt aber auch an der ziemlich kruden und ausgelutschten Haupthandlung.



Es kommt auch immer auf die grundsätzliche Erzählweise und Geschichte an. Ich bevorzuge aktuell auf jeden Fall Serien mit kürzeren Staffeln, die eine Geschichte erzählen.
dirkberlin
14.02.2018 17:38 Uhr 6
wobei nicht jede kurze Staffel die Garantie auf eine knackige Handlung ist. Hab schon so maches, gerade als Miniserie, gesehen, dass mehr wie nen klassicher TV Mehrteiler wirkte oder wo man sich schon fragte ob die Handlung wirklich x Stunden wert war.



Ich mag auch Episodentitel. Einfach der Übersicht halber. Hat man die Gesehen, wo ist man stehen geblieben. Bei HoC war es nur verwirrend. Als ich die Zweite Staffel in der Hand hatte, dachte ich hätte ne Halb-Box erwischt, weil die mit Kapitel irgendwas anfing.



Ich frag mich auch, ob die großen Handlungsbögen sich auf die Wiederwertung der Serie auswirken. Games of Thronues noch mal sehen? Mit ihren langatmigen Sackgassen? Bei RTL2 läufts ja nicht gut. Aber gerade Monster of the Week Episoden von Serien oder abgeschlossene wie viel bei Star Trek, kann man sich schon einfach mal so zwischendurch nochmal ansehen.
Sentinel2003
14.02.2018 22:55 Uhr 7
Hallo Julian

, ich könnte es nicht besser sagen!! Gestern, bei Folge 1 von "S.W.A.T" wurde weder der Serien Name noch der Folgen Name gezeigt, da hatte ich auch schon ne dicken Hals!!





Und, ich habe dieser Tage die 2.Staffel von "BILIONS" verschlungen, auch da kein Folgen Name! Bei "Ray Donovan" auch, genau das gleiche!! Das ist doch echt nicht normal!!



Vor allem fällt mir das auch bei den Nordischen Serien auf...ich Sehe grade Staffel 1 von "Die Brücke . Transit in den Tod", da gibts Null Folgen Namen; "Jordskott - die Rache des Waldes", auch hier kein Folgen Name; "Blutsbande" ebebfalls nicht; "Die Erbschaft", auch hier nicht....ich glaube, das könnte man x-beliebig weitermachen...



Und, ich bin NICHT der Meinung, das das was mit der FolgenAnzahl zu tun hat, das ist Quark...das hat auch nichts mit der sogenannten Neuen Generation von Serien zu tun, auch das stimmt nicht....
Vittel
14.02.2018 23:50 Uhr 8


Aha, also bei IMDB haben sowohl die Folgen von Billions als auch von Ray Donovan Namen
Sentinel2003
15.02.2018 15:33 Uhr 9




Ist ja gut und schön, nur, von Sky wird kein Folgen Namen angezeigt.
Vittel
15.02.2018 16:53 Uhr 10
Wahrscheinlich spart man sich den Aufwand für individuelle Intros pro Folge.



Ray Donovan ist nicht mehr bei Netflix verfügbar, aber ich könnte wetten, dass dort der Name im Menü angezeigt wurde.



So ganz verstehe ich das Problem aber immer noch nicht. Bei einigen Serien kann man lustige Anspielungen einsetzen, wie z.B. bei den Simpsons, bei Futurama, Rick&Morty.



Bei vielen anderen Serien war und ist der Titel sehr generisch oder spoilert und nicht selten sehr dämlich übersetzt. Dann doch lieber nur die Nummer.
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