Die Kino-Kritiker

«Hell or High Water»

von

Nach einem Drehbuch des «Sicario»-Autors Taylor Sheridan jagen Jeff Bridges und Gil Birmingham im Neo-Western «Hell or High Water» den diebischen Brüdern Chris Pine und Ben Foster hinterher.

Filmfacts «Hell or High Water»

  • Regie: David Mackenzie
  • Produktion: Sidney Kimmel, Peter Berg, Carla Hacken, Julie Yorn, Gigi Pritzker, Rachel Shane
  • Drehbuch: Taylor Sheridan
  • Darsteller: Jeff Bridges, Chris Pine, Ben Foster, Gil Birmingham, Dale Dickey, Kristin Berg, Katy Mixon
  • Musik: Nick Cave, Warren Ellis
  • Kamera: Giles Nuttgens
  • Schnitt: Jake Roberts
  • Laufzeit: 102 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Taylor Sheridan ist ein Name, den sich Filmliebhaber merken sollten. Nach einer TV-Schauspielkarriere, die unter anderem «Veronica Mars» und «Sons of Anarchy» umfasst, startete Sheridan als Drehbuchautor durch – und lieferte mit dem nach intensiver Recherche entstandenen «Sicario» prompt einen Kracher ab. Der von Denis Villeneuve inszenierte Thriller nutzte eine unter die Haut gehende, schleichend intensiver werdende Geschichte über den Kampf gegen die mexikanischen Drogenkartelle, um ein doppelbödiges moralisches Bild zu skizzieren.

Mit «Hell or High Water», dem mehrfach für wichtige Filmpreise nominierten, zweiten Film nach einem Sheridan-Skript, erwartet das geneigte Publikum eine Story mit nicht ganz so stark reduzierten Dialogen und subtil brodelnder Suspense. Stattdessen ist dieser Neo-Western-Krimi mit seinem pechschwarzen, staubtrockenen Humor eine Art „«No Country for Old Men» light“. Die von David Mackenzie («Perfect Sense») in Szene gesetzte Story ist nicht ganz so abstrus, nicht ganz so grimmig, nicht ganz so kryptisch wie der Coen-Brüder-Geniestreich aus dem Jahr 2007.

Dafür ist «Hell or High Water» einen Hauch zugänglicher und geradliniger. Nicht zuletzt deshalb, weil die ihn an «No Country for Old Men» erinnern lassenden Beobachtungen über texanische Eigenheiten, das dort schleichende Eintreffen der Moderne und den Überlebenskampf der alten Garde hier nur als kleine, pointierte Randbemerkungen daherkommen. Hauptsächlich ist «Hell or High Water» schlicht die Geschichte zweier Brüder (Chris Pine und Ben Foster), die eine Bank nach der anderen ausrauben, und des gemächlichen Texas-Ranger-Duos (Jeff Bridges & Gil Birmingham), das ihnen nachjagt.

Der zentrale Part kommt dabei dem Bankräuber-Brüdergespann zu. Zwar ist es ungeheuerlich ermüdend, wie oft in den Dialogen zwischen ihnen betont wird, dass sie ja Brüder sind (als würden Sheridan und Mackenzie dem Zuschauer nicht zutrauen, das nach der zwölften Erwähnung endlich verinnerlicht zu haben), dennoch ist die Leinwandchemie zwischen Foster und Pine bestechend: Durch Blicke, Gesten und ihre Stimmlage suggerieren sie eine komplexe, emotional widersprüchliche Vergangenheit zwischen ihren Rollen, ohne dass diese explizit ausgesprochen werden muss.

Es wird früh deutlich, dass sie gänzlich unterschiedliche Menschen sind, die daher auch öfters Meinungsdifferenzen gehabt haben müssen, die nun aber aus einem wehmütigen Grund gemeinsam einen Rachefeldzug gegen eine raffgierige Bankengruppe durchziehen. Pine ist dabei der besonnenere Part, während Foster als zuweilen unberechenbarer Adrenalinjunkie mimisch auf die Kacke haut – gerade noch so sehr, dass es in diese sonnengegerbte, staubig-raue Filmwelt passt und nicht in cartoonige Gefilde umkippt.

Jeff Bridges wiederum nuschelt sich mit gewaltiger „Mir doch alles scheißegal“-Haltung durch seine Szenen, die in der ersten Hälfte zu den weniger interessanten Aspekten der Handlung zählen. Als kurz vor der Rente stehender Texas Ranger, der streng nach alter Schule vorgeht und die Ermittlungen behutsam ausbremst, um seinen Ruhestand hinauszuzögern, wirkt Bridges‘ Rolle am Reißbrett entworfen. Das trockene Geplänkel mit seinem Partner und die gewitzt texanisches Lokalkolorit zeigenden Zwischenstationen bei dieser Bankräubersuche machen diese Szenen dennoch amüsant genug, um nicht als Bremsklötze dieses Neo-Westerns daherzukommen. Trotzdem sind es erst spätere Szenen, in denen die dramaturgische Fallhöhe steigt, die diesem Handlungsfaden den nötigen Schuss zu geben, um mit Pine/Foster mitzuhalten.

Von Giles Nuttgens («Dom Hemingway») in routinierten Landschaftspanoramen des weitläufigen US-Bundesstaates eingefangen und mit einem schneidenden, krachenden Soundmix versehen, ist «Hell or High Water» schlussendlich ein handwerklich bemerkenswerter, dennoch wenig spektakulärer Genrevertreter. Als leicht verdaulicher, jüngerer «No County for Old Men»-Bruder im Geiste und Wegzehrung bis zur «Sicario»-Fortsetzung «Soldado» wird die dramatische sowie schwarzhumorige Gangsterposse Genrefans zufriedenstellen – doch Gelegenheitskinogänger sollten der zahlreichen Awardsnominierungen zum Trotz nicht denken, dass hier ein Ausnahmefilm auf sie wartet.

«Hell or High Water» ist ab dem 12. Januar 2017 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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