Serientäter

«The Good Doctor»: Guter Arzt, mittelmäßige Serie

von   |  1 Kommentar

Der Schöpfer von «House» steuert zum Herbst-Lineup bei ABC eine neue Arztserie bei. Die ist trotz ähnlich ungewöhnlichem Mediziner weit weniger gelungen.

Cast & Crew

  • Produktion: Shore Z Productions, ABC Studios und Sony Pictures Television
  • entwickelt von David Shore
  • basierend auf der gleichnamigen südkoreanischen Fernsehserie von Park Jae-bum
  • Darsteller: Freddie Highmore, Nicholas Gonzalez, Antonia Thomas, Chuku Modu, Beau Garrett, Richard Schiff, Tamlyn Tomita
  • Executive Producer: David Shore, Seth Gordon, Daniel Dae Kim, Erin Gunn, David Kim, Sebastian Lee, Mike Listo, Thomas L. Misto und John Raccoon
Der von David Shore erschaffene Arzt Gregory House ist wohl eine der markantesten Figuren des amerikanischen Fernsehens der letzten zwanzig Jahre: fachlich brillant und diagnostisch äußerst kreativ, war er gleichzeitig gefühlskalt und an seinen Mitmenschen (v.a. Patienten) mit wenigen Ausnahmen vollständig desinteressiert. Everybody lies, war sein Leitmotiv, also wieso überhaupt mit ihnen sprechen? House war trotz und wegen seines nihilistischen Lebens, seiner Überheblichkeit und Empathielosigkeit, seiner fachlichen Brillanz und seiner zwischenmenschlichen Ignoranz eine außerordentlich einnehmende und zugleich sympathische Figur: Dies ist dem herausragenden Zusammenspiel von Shore und Hugh Laurie, des kreativen Schöpfers und des Darstellers, geschuldet.

Für ABC entwickelte Shore nun einen neuen Fernseharzt, wenn diesmal auch adaptiert aus dem koreanischen Fernsehen: Shaun Murphy (Freddie Highmore), einen äußerst brillanten jungen Chirurgen mit einem exzellenten dreidimensionalen Vorstellungsvermögen und umfangreichem, gierig angelesenem medizinischen Fachwissen. Warum der Vorstand der Universitätsklinik von San José trotzdem Bedenken hat, ihn einzustellen? Shaun ist Autist, mit den typischen Kommunikationsschwierigkeiten, einer von anderen oft als unangenehm empfundenen Direktheit und einer Unfähigkeit, sarkastische oder ironische Zwischentöne zu verstehen, geschweige denn die intendierten Sorgen der Patienten. Muss ein Arzt nicht gut mit den Leuten kommunizieren können, die er behandelt, ganz egal, wie brillant er fachlich auf seinem Spezialgebiet auch sein mag, poltert es in der Vorstandssitzung.

Aaron Glassman (Richard Schiff), der Präsident der Klinik, haut da kräftig auf den Tisch. Ein so brillanter Mann wie Shaun habe eine Chance verdient, Goddammit! Shaun kommt zugute, dass just in diesem Moment ein YouTube-Video viral geht, auf dem zu sehen ist, wie er wenige Stunden zuvor nach seiner Ankunft am Flughafen einem Jungen das Leben rettet, der bei einem Unglück in der Eingangshalle schwer verwundet worden ist, und wie er sich dabei geschickter und fachkundiger anstellt, als ein anderer Arzt vor Ort ohne Autismus und Savant-Syndrom.

Shaun darf nach einer gequälten Entscheidung des Klinikvorstands also sein praktisches Jahr in San José beginnen. Die Fallhöhe bleibt aber enorm; die Schikanen ebenso. Der Leiter seines Chirurgieteams versichert Shaun siegessicher, dass er unter seiner Führung bei OPs niemals mehr wird tun dürfen, als für ihn den Sauger zu halten, und Glassman wird unmissverständlich klar gemacht, dass sein Protégé beim ersten Fehlschlag raus ist. Eine in die Nebenhandlung gepferchte Intrige von anderen Medizinern in leitenden Positionen hat es ohnehin auf den Vorsitzenden abgesehen.

Ließ in «House» das perfekte Zusammenspiel aus klug und mit großem Gespür für die Hauptfigur geschriebenen Drehbüchern und dem empathischen Spiel von Hugh Laurie die Serie inhaltlich so gut gelingen, lässt sich der große Pluspunkt von «The Good Doctor» klar in einer Person benennen: dem Hauptdarsteller Freddie Highmore, der zu dieser empathiedefizitären Figur eine große Nähe zulässt, dass sie über die oft allzu diffusen Allgemeinplätze des Drehbuchs hinwegsehen lässt. Denn das verliert sich sehr schnell in Nebensächlichkeiten, Trivialitäten und dem Procedural-Kleinklein, während die zahlreichen Rückblenden auf Shauns Kindheit und frühes Jugendalter im Cowboy-Staat Wyoming allzu konstruierte Bezugspunkte zu seiner heutigen Situation als Ausgeschlossener, der sich Teilhabe wünscht, zu bedienen.

Das übergeordnete narrative Ziel dieser Serie ist freilich sehr lobenswert: dass auch Menschen mit einer kognitiven Abweichung von der Norm wie Autismus ihr volles Potential entfalten können müssen, Goddammit! Wenn dieses Thema verhandelt wird, läuft auch Richard Schiff zur Höchstform auf. Schon zu seiner Zeit als Toby Ziegler im «West Wing» bestand sein größtes Talent darin, auf den Tisch zu hauen und eine feurige, pathetische und dabei intellektuell scharfe Rede zu halten, die jeden mitriss, der seine progressive, menschenfreundliche Haltung teilte. Im «Good Doctor» ist es nicht anders.

Das Problem des Formats besteht vielmehr darin, dass es psychologisch so viel oberflächlicher bleibt, als ihm angesichts der intellektuellen Möglichkeiten seiner Hauptfigur gut zu Gesicht stünde. Die Diskrepanz aus gutem Spiel und mittelmäßiger, wenig ambitionierter Schreibe wirkt fast wie ein Affront gegen diesen spannenden Charakter und dieses wichtige Thema.

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medical_fan
26.10.2017 17:17 Uhr 1
Wenn ihr so daher kommt ist natürlich Dr.House auch eine "mittelmäßige" Serie...
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