First Look

«Hand of God»: Zermürbender Stoff für Schwarzseher

von

Ron Perlman ist als zweifelhafter Richter in der Amazon-Serie «Hand of God» zurück. Die erste Staffel erhielt nicht die besten Bewertungen, daher ändert sich einiges in den neuen Ausgaben. Richter Pernell ist auf dem Tiefpunkt angekommen. Achtung Spoiler zu Staffel 1.

Für Pernell Harris, einem moralisch fragwürdigem Richter, steht die Welt derzeit Kopf. Zuerst wird seine Schwiegertochter vergewaltigt, dann versucht sein Sohn Selbstmord zu begehen. Geplagt von Hilfslosigkeit und Schuldgefühlen fängt Pernell an, seine Handlungen zu rationalisieren. Er möchte gegen die Verbrecher vorgehen und den Vorwand dazu bietet ihm sein Unterbewusstsein – und schon ist der Zuschauer mittendrin in der ersten Staffel der von Amazon verbreiteten Drama-Serie «Hand of God»: Halluzinationen, in denen Gott, durch seinen komatösen Sohn, mit ihm spricht. Harris begibt sich auf eine von Gott gesegnete Rache-Mission. Bald findet er heraus, dass die Verschwörung um die Vergewaltigung seiner Schwiegertochter noch viel tiefer geht, als anfangs geglaubt.

Er deckt die Verschwörung auf und mit Hilfe des gläubigen, treudoofen Straftäters K.D. beginnt er sie ans Licht zu bringen. Doch während jeder um Pernell Intrigen schmiedet, scheint er schon bald unter dem Gewicht seines Doppellebens zusammen zu brechen. Von allen Seiten wird der Glaube, von dem er nie wusste, dass er ihn hatte, auf die Probe gestellt.

Insbesondere als sein Sohn am Ende des Staffel-Finales zwar aus seinem Koma erwacht, aber kurz danach an einem Herzstillstand stirbt. Dies scheint ohnehin das Motto der ersten Staffel zu sein: Keiner dieser Charaktere wird am Ende glücklich sein.

„Es ist nicht langweilig… aber es ist schrecklich anstrengend. Als ob man dein Gesicht in Boshaftigkeit und Grausamkeit reiben würde, ohne dabei genug Charakterdrama zu bieten um es wieder gut zu machen”, schreibt Matthew Gilbert des Boston Globe und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Die Serie zerrt ihr Publikum durch Gewalt, Leiden und Boshaftigkeit, mit dem Versprechen, dass die Glaubensprüfungen gerechtfertigt sind. Doch der bittere Geschmack, den «Hand of God» anfänglich im Mund hinterlässt, verschwindet nie. Es gibt keine Erlösung, keine Wiedergutmachung. Die Handlung zermürbt die Charaktere langsam, aber beständig: Und damit auch den Zuschauer.

Die erste Staffel hat es jedoch nicht geschafft, die Stärken und die Qualität der Pilotfolge auszubauen. Den Drehbuchautoren mangelt es nicht nur an Subtilität, sondern auch an Motiv. Die konstanten Rückschläge, die Charaktere erleiden, schaden der Serie. Aufgrund dieser fällt es dem Zuschauer schwer eine Bindung zu einem Charakter aufzubauen. Das Gefühl, einen Charakter anzufeuern während dieser versucht seine Ziele zu erreichen, wirkt hohl. Jede Haupt- und Nebenfigur in «Hand of God» leidet. Tatsächlich braucht es fast eine ganze Staffel, bis einem Charakter wirklich ein nachhaltiger Gewinn gelingt. Die Geschichte verliert schnell den Faden. Die Drehbuchautoren fangen an, immer wahnwitzigere Twists und Erklärungen zu liefern, schließlich ist der Hauptcharakter auch verschroben.

Die Macher im Gespräch

Zum Auftakt der ersten Staffel traf Quotenmeter.de die Autoren der Serie «Hand of God». Ihre Intention verrieten sie in diesem Artikel.
Verschwörungen, mysteriöse Morde und Machenschaften werden immer wieder angedeutet. Tatsächlich scheinen diese kleinen Geheimnisse der einzige Lichtblick der Geschichte zu sein. Über eine ganze Staffel lang schwebt die Auflösung über der Serie. Doch anstatt eines dramatischen Höhepunkts liefert «Hand of God» eine Enttäuschung. Die Schuld, so erfahren wir im Staffel-Finale, liegt bei Anne. Das macht sie zur zweiten Frau, die von den Autoren als schamloses Mittel der Handlungsentwicklung benutzt wird. Genau wie Jocelyn, Parnell Juniors Ehefrau, dient sie als reines Zweckmittel, um den Handlungen der männlichen Charaktere Sinn zu geben. Annes Motivationen sind typisch unsubtil, wiedersprechen sogar ihren vorherigen Aussagen. Als knallharte Karrierefrau schreckte sie vor nichts zurück und verführte Pernells Sohn. Alles nur, um auf Anweisung ihres Bosses an sein Computerprogram zu gelangen. Als Pernell Junior ihr dieses nicht verkaufen will, plant sie ihre Rache. Sie rekrutiert einen korrupten Polizisten, um an das Programm zu kommen. Mit seiner Hilfe plant sie nicht nur einen Einbruch, sondern auch Jocelyns Vergewaltigung.

«Hand of God» trennt damit alle Handlungsstränge der ersten Staffel, um sich ganz auf die zweite zu konzentrieren. Diese fokussiert sich auf Pernells absoluten Tiefpunkt. Nach den Geschehnissen der ersten Staffel steht er nun vor Anklage: wegen des Mordes an einem Polizisten. Der Aufhänger in Staffel zwei ist der wohl offensichtlichste Versuch einen drastischen Charakterwandel herbeizuführen. Der Richter wird zum Verurteilten. Pernell, desillusioniert durch den Tod seines Sohnes, weist seine neu gefundene Frommheit zurück und wendet sich von Gott ab. Für einen kurzen Moment scheint es fast so, als ob Pernell sein Leben wieder in den Griff bekommt. Doch dann verfällt die Serie erneut in alte Routinen und alles geht schief.

Es wirkt, als ob Autor Ben Watskin zu viel von den bisherigen Projekten der Besetzung mit einbeziehen möchte. Die Brutalität und Gewalt erinnern an Ron Perlmans «Sons of Anarchy». Die konstanten 180-Grad Drehungen der Geschichte vage an Ben Watskins vorheriges Werk: «Burn Notice»

Schauspielerisch liefert die Besetzung in «Hand of God» eine Glanzleistung. Ron Perlman erweckt den Hang zur Dramatik und die furiose Wut des Charakters zum Leben. Garret Dillahunt verkörpert den Handlanger K.D. in perfektion. Zu jedem Zeitpunkt ist er eine unberechenbare Mischung aus unterdrückter Wut, strenger Gläubigkeit und Scham. Die einfachsten Konversationen werden zu wahren Mienenfeldern. Die fantastische Besetzung der Serie wäre unter normalen Umständen nahezu ein Garant für Qualität. Doch in «Hand of God» schaffen sie es nur knapp die schwache Handlung zu überdecken. Szenen, die in Isolation mitreißend und dramatisch wirken, werden unfreiwillig komisch. Belanglose Szenen fordern den Zuschauer ständig zur Pathetik auf.

«Hand of God» bleibt in der zweiten Staffel nicht untätig. Bereits in der ersten Folge der zweiten Staffel beginnt es, neue Geheimnisse und Intrigen einzuführen. Die Frage des Piloten steht immer noch im Raum: Wird Pernell Harris von Halluzinationen geplagt oder sind es tatsächliche göttliche Visionen? Dieser versucht alles, um an Antworten zu gelangen.

Ob es Pernell Harris Bemühungen, an die Wahrheit zu kommen, schaffen werden, den Zuschauer bis an das Staffelfinale mit zu ziehen, bleibt abzuwarten.

Die zweite und finale Staffel von «Hand of God» ist ab dem 10. März exklusiv beim Streaming Dienst Amazon Prime Video verfügbar.

Kurz-URL: qmde.de/91669
Finde ich...
super
schade
88 %
12 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«The Night Manager» kehrt zurücknächster ArtikelDisney Channel: «Die Musketiere» gehen, die «Powerpuff Girls» kündigen sich an
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung