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Trek vs Wars – Das Quotenmeter-Zwiegespräch zum Kampf der SF-Giganten

von   |  2 Kommentare

Für die einen kann es nur die Ideale der Föderation geben, für andere ist Lichtschwertschwingen das einzig Wahre. Wir haben zwei eingefleischte Vertreter beider Lager an einen Tisch gebracht – und abgewartet, was passiert.

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Da hast du einen interessanten Punkt angesprochen: «Star Trek» hatte tatsächlich seinen Höhepunkt Mitte der 90er. Das erste goldene Zeitalter des US-Fernsehens mit den «Sopranos», «Six Feet Under», «The Wire» und zum Beispiel der Science Fiction-Serie eines anderen «Star Trek»-Veteranen, Ronald D. Moore, namens «Battlestar Galactica» hat das Franchise gar nicht mehr miterlebt. Wenn ich es auf den Punkt bringen müsste, repräsentiert «Star Trek» für mich eine etwas zu naive Gesellschaftsutopie: Menschen arbeiten nur für den eigenen Fortschritt, Geld existiert nicht, Wohlstand überall, das Wichtigste ist die Forschung. Bestenfalls ist «Star Trek» ein Wunschtraum, der das viel zynischere Antihelden-Image, welches das neue Fernseh-Zeitalter so geprägt hat, gar nicht überstanden hätte. Einerseits lobe ich den Optimismus, der hinter diesem Franchise steckt, andererseits halte das Ganze auch gelegentlich für einen Anstrich von Wissenschafts- und Wohlstandsimperialismus.

Nach dem Motto: Klar, Ihr könnt all unsere schöne Technologie und unsere schönen Dinge genießen, allerdings müsst ihr euch unseren Werten unterordnen. Toleranz gab es sicherlich, aber nur in einem gewissen Rahmen. Die oberste Direktive, die das Einmischen in die Entwicklung außerirdischer Gesellschaften verbot, schien nur dazu da zu sein, um gebrochen zu werden. Wenn ich mich recht erinnere, hat zumindest «Star Trek: Deep Space Nine» mit dem Emporkommen des Dominions dieses Weltbild auf eine halbwegs überzeugende Art und Weise herausgefordert. «Star Wars» ist zwar ein naives Märchen, aber zumindest weiß es, dass es ein Märchen ist, und das macht es so zeitlos. «Star Trek» dagegen ist das Märchen einer Utopie, das nicht weiß, dass es ein Märchen ist, sondern glaubt, realistisch oder zumindest plausibel zu sein. Und bis jetzt bin ich, trotz der Mitwirkung von Meyer und Fuller, nicht davon überzeugt, dass man den Sprung aus diesem 23. Jahrhundert, welches so sehr durch das naive Fernsehen der 80er und 90er geprägt war, ins 21. Fernseh-Jahrhundert schaffen wird.

Da muss ich tatsächlich anerkennend mit dem Kopf nicken. Deine Analyse ist verblüffend einleuchtend und erklärt auf den Punkt die schwindende Relevanz von «Star Trek» im Gegensatz zum inhaltlich deutlich plakativer und schlichter gestrickten «Star Wars». Vielleicht hat sich dieses positive Weltbild aktuell einfach überholt, vielleicht passt es schlicht in keine zurzeit vorhandene Schublade mehr. Oder vielleicht muss es aber auch nur qualitativ hochwertiger und unter Dreingabe von zeitgemäßen Ingredienzien aufgewertet werden. Was müsste «Star Trek» gerade in Bezug auf die neue Serie für dich tun, um sich nicht selber zu verraten und doch im Hier und Jetzt anzukommen und eine Chance zu haben, am Markt zu bestehen?

Second star to the right, and straight on 'till morning



Ich glaube, jedes Weltbild, das sich als absolut und quasi unfehlbar präsentiert, hat sich überholt (auch wenn es gelegentlich Schwachmaten gibt, die auf die politische Bühne treten und das anders sehen - aber das ist ein anderes Thema). Da setzt du mir mit deiner Frage quasi die Pistole auf die Brust. Uns Journalisten und Kritikern sagt man schließlich gerne nach, zwar über andere gut meckern zu können, aber selbst nicht sonderlich kreativ zu sein. Um mich allerdings überzeugen zu können, muss «Star Trek» genau an diesem eigenem, unfehlbaren Weltbild rütteln, und das etwas heftiger als zuvor. Die Föderation muss mehr mit sich selbst kämpfen und die Feindbilder weniger nach Außen verlagern, wie es zum Beispiel bei den Borg oder dem Dominion der Fall war. Welche Langzeitfolgen hat eine zunehmende Föderationalisierung? Das für das heutige Fernsehen typische, serielle Erzählen mit seinen langen, komplexen Handlungsbögen ist geradezu prädestiniert dafür, um auf langfristige, vielleicht sogar politische Folgen eines immer weiteren Vordringen in die Galaxis einzugehen.

Außerdem brauchen wir weniger Pfadfinder auf der Brücke, die immer die moralische Oberhand haben: Kirk ist zwar ein Draufgänger, und so wie er in den neuen Filmen präsentiert wird, gelegentlich auch rücksichtslos, aber sein Draufgängertum hat nie wirklich ernsthafte Konsequenzen, sondern führt immer wieder zum gewünschten Ergebnis (in «Star Trek Into Darkness» steht er sogar von den Toten wieder auf). Picard hatte dagegen in der Jugend seine wilderen Tage, mittlerweile ist er jedoch eher ein steifer Beamter und Akademiker, der für jede Situation das passende Shakespeare-Zitat bereit hält. Sisko, Janeway und Archer sind dagegen für mich als Charaktere eher ein Mysterium geblieben, was vielleicht auch daran liegt, dass die Betrachtung dieser Serien bei mir eher lückenhaft verlief. Ich sage nicht, dass der nächste Sternenflotten-Captain frustriert sein Amt nieder legen sollte, um Crystal Meth (oder Space-Crystal Meth) zu verkaufen, aber ein paar Ecken und Kanten mehr dürfte man mir schon präsentieren. Das wäre auch wesentlich repräsentativer für die moralischen Grauzonen, die sich für uns alle heutzutage auftun.

Deine Wahrnehmung der verschiedenen Trek-Inkarnationen finde ich schon ein wenig ausbaufähig - Picard zum Beispiel tust du definitiv Unrecht. Doch eigentlich sprichst du mit dem was du dir wünscht über «Star Trek: Deep Space Nine». Vielleicht ist das als Basis tatsächlich die Serie, die zu deinen Empfindungen passen würde, da man sich dort eben teilweise sehr stark mit den Dämonen innerhalb (und außerhalb) befasst und die Fehlbarkeit zum Tagesgeschäft macht. Ich würde dir da dringend einen Rewatch ans Herz legen…

Okay, das werde ich dann sicher mal tun. Aber wo du gerade schreibst, dass «Star Wars» „inhaltlich plakativer und schlichter gestrickt“ sei. Ist das etwas, woran «Star Wars» deiner Meinung arbeiten muss, um dich zu fesseln?

Nein – «Star Wars» ist genau deswegen so stark, weil es ist wie es ist. Weil es schlicht ist, weil es märchenhaft und wenig subtil ist. Diese klare Präsentation hat für mich als Kind funktioniert und nimmt mich auch heute noch mit – die Gründe verschieben sich, aber das Gefühl ist dasselbe geblieben. «Star Wars» ist zudem selbstbewusst genug, nicht selber an diesen Stärken zu zweifeln und unsinnige Anpassungsversuche zu unternehmen. Ein klarer Schlüssel zum dauerhaften Erfolg.

Das klingt ja fast, als würdest du im tiefen Inneren doch eine Menge für «Star Wars» übrig haben?

Das ist wohl so – «Star Wars» und «Star Trek» haben sich für mich sogar immer ergänzt, waren für mich zwei Seiten einer Münze, wo die eine nicht ohne die andere aber auch nie richtig mit der anderen Seite konnte. Letzteres haben besonders die beiden Fanlager leider oft genug vorgelebt und lieber die Fehler der "Gegenseite" durchgekaut, als vor der eigenen Tür zu kehren oder einfach das Gute an beidem zu erkennen. Es ist aber wie bei vielem: Der effektivste Weg sich zu verteidigen, ist etwas anderes schlecht zu reden. Das ist die traurige Krux heutzutage - besonders im Internet. Je anonymer ich jemandem den Spaß an etwas verleiden kann, desto besser. Ich für meinen Teil bin zwar Trekkie durch und durch, liebe aber wenn es hart auf hart kommt schlicht beides und bin froh, dass es diese Vielfalt im SF-Sektor seit so vielen Jahrzehnten gibt.

Jetzt ist die Katze wohl aus dem Sack. Vielleicht sollten wir an diesem Punkt die Laserschwerter und Phaser niederlegen, uns gegenseitig in die digitalen Arme nehmen und uns gegen einen noch zu bestimmenden, gemeinsamen Feind zusammenschließen (vielleicht die «Twilight»-Fans?). Ich glaube nicht unbedingt, dass beide Reihen sich notwendigerweise ergänzen, sondern zwei sehr unterschiedliche und sehr willkommene Herangehensweisen an das Genre repräsentieren, in denen wir uns alle aber je nach Stimmung und Gusto wiederfinden können. Meine Kritik an der Serie und an den Filmen bleibt dennoch bestehen. Aber auch das muss jedes Franchise ertragen können, und das gilt auch für «Star Wars». Auch wenn mich der Trailer zum neuen «Star Trek»-Film noch nicht überzeugt hat, sollte man nicht nur auf eben diesen Trailer und auf den Action-Regisseur achten, sondern Hoffnung aus der Tatsache schöpfen, dass Simon Pegg, selbst ein sehr großer «Star Trek»-Fan, einer der Co-Autoren ist.

Die Gerüchte, die seit kurzem um die neue Serie kreisen, klingen ebenfalls recht vielversprechend, aber es sind eben bisher wirklich nur Gerüchte: Möglicherweise soll die neue Show in der Zeit zwischen den Filmen «Star Trek - Das unentdeckte Land» und «Star Trek: Next Generation» spielen. Es könnte sich dabei um eine Anthologie-Serie handeln, sprich jede Staffel wird sich um eine neue Personengruppe und um einen neuen Plot drehen. Außerdem soll es keinen Parallelen-Universum und Zeitreise Hokus Pokus mehr geben. Die neue Show spielt wohl in der Zeitlinie, die wir alle so schätzen und lieben gelernt haben. Klingt alles sehr interessant und nach einer frischen, zeitgemäßen Herangehensweise, sollten sich die Gerüchte bestätigen. Ich bin jedenfalls gespannt.

Das sind mir in der Tat im Moment noch zu viele Gerüchte. Eine Anthologie-Serie würde ich den Verantwortlichen durchaus zutrauen, jetzt wo diese Art der Darstellung so hip ist - und auch ich wünsche mir das Ausleuchten des bekannten Universums in so einer Form seit vielen Jahren. Kurz gesagt: Es wäre ein Traum, der wahr würde. Ob es jedoch eintritt, wage ich alleine aus Kostengründen noch zu bezweifeln. Dass man sich auf die Prime-Zeitlinie konzentriert ist schon alleine wegen der verworrenen Rechtesituation anzunehmen - CBS hat die TV-Rechte, Paramount die Rechte an der Filmreihe. Somit wäre eine inhaltliche Verbindung alleine aus dieser Position vermutlich gar nicht möglich. Es bleibt in jedem Fall spannend auf die ersten konkreten Infos zu warten.

Und was uns beide angeht - wir befinden uns hier doch in einer absoluten Luxussituation. Einen grandiosen neuen Wars-Film gerade hinter uns, mindestens noch 5 weitere vor der Brust, wobei der «Rogue One»-Trailer irre gut aussieht. Einen neuen Trek-Film, der nach jetzigem Stand nur noch positiv überraschen kann und einen neuen Serienanlauf, bei dem alles möglich ist, am Horizont. Die SF-Zukunft sieht rosig aus wie selten, kein Grund sich gegenseitig zu zerfleischen - lieber gemeinsam die Vielfalt genießen und kontrovers aber gesittet drüber diskutieren. In diesem Zuge dürfen wir dann auch gerne die «Twilight»-Fans leben lassen - die haben Spaß dran: Gut so! Klinge ich jetzt wieder wie ein typisch moralischer Trekkie? Mag sein. Aber es gibt eben wenig, was einer rosigen TV- und Kinozukunft im All aktuell im Weg steht. Ich möchte an dieser Stelle mal Picard zitieren (der entgegen deiner Einschätzung fast immer ohne Shakespeare ausgekommen ist): The sky´s the limit.


Verdammte Föderationsdiplomatie! Na gut, dann lassen wir die «Twilight»-Fans eben in Ruhe. Aber du hast Recht, und auch auf die Gefahr hin, dass dies wie eine Lektion aus der Sesamstraße klingt: Ich glaube, wir haben im Zuge dieser schriftlichen Konversation einiges gelernt: Übers Fan sein und über einen zivilisierten Diskurs im Internet, der wesentlich mehr Spaß macht, als sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu werfen, oder immer Recht haben und gewinnen zu wollen. Und was «Star Wars» und «Star Trek» angeht, haben wir tatsächlich den Luxus, uns die Rosinen raus picken zu können. Ich persönlich mag keine Rosinen, aber mein Punkt ist ja, dass ich mir in diesem Fall etwas anderes aussuchen kann, ohne dass das eine notwendigerweise besser sein muss als das andere. Wie wir schon festgestellt haben, geht es nicht darum, sich gegenseitig zu übertrumpfen, sondern zu einem gemeinsamen Nenner zu finden. Ich habe hier kein cooles «Star Wars»-Zitat, das passen würde. Möge die Macht mit dir sein! wirkt mir in diesem Zusammenhang und außerhalb des Kontextes des «Star Wars»-Universums einfach zu kitschig . Aber der Gedanke und der Geist, welcher dahinter steckt, soll dich und hoffentlich auch unsere Leser weiterhin begleiten.
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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Apollon
21.04.2016 14:47 Uhr 1
Man hat bei diesem Artikel mit seiner guten Intention und teils interessanten Ansätzen leider etwas das Gefühl, dass auf den Schwächen (vor allem aus Quoten- bzw. Zuschauerzahlen-Sicht) von Star Trek ziemlich herumgetrampelt wird.

Während auf der anderen Seite der derzeitige, extreme Hype von Star Wars die Autoren derart beflügelt, dass vorhandene Schwächen nahezu ignoriert werden.



Vielleicht liegt es auch daran, dass der Vertreter der Star Trek Seite gleichzeitig zu sehr Star Wars Fan ist. Dadurch verschiebt sich das Kräfteverhältnis etwas.



Ein bissigerer "Kampf" wäre hier deutlich spannender gewesen. Aber dennoch: Gerne mehr solcher Artikel!
Cheops
21.04.2016 16:21 Uhr 2
Ich oute mich, denn ich mag auch beides. Nur wird um Star Trek weniger Aufriss gemacht und das hat Star Trek schon wegen der schieren Masse von Filmen und Serien auch nicht nötig. Dann gibt es bei Star Wars auch Filme, die von eher fragwürdiger inhaltlicher Qualität sind. Bei Star Trek hat alles immer seine eigene Klasse, selbst wenn man einzelne Filme oder Serien nicht so mag.

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