Die Kritiker

Sat.1 lässt die Puppen tanzen...

von

«Meine allerschlimmste Freundin» erzählt von einer versoffenen, promiskuitiven Puppe, die ihrer besten (menschlichen) Freundin zunehmend das Leben schwer macht...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Laura Berlin als Jana
Tom Beck als Wolfgang
Proschat Madani als Kerstin
Daniel Roesner als Sid
Jochen Nickel als Schraube
Jörg Witte als Janas Vater

Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television GmbH
Drehbuch: Michael Kenda
Regie: Josh Broecker
Produzenten: Quirin Berg, Max Wiedemann und Peter Fröhlich
Als Jana noch ein kleines Mädchen war, waren sie und ihre Puppe Bella unzertrennlich. An sich nichts Ungewöhnliches. Doch Bella hat eine Besonderheit: Obwohl sie eine Puppe ist, ist sie kein seelenloses Wesen, sondern lebendig.

Ihre Wege trennten sich, als Jana ihre Jugendliebe Wolfgang kennenlernte, mit der sie heute noch liiert ist. Bella hat derweil Karriere im Filmgeschäft gemacht und sich einmal quer durch die ganze Branche geschlafen. In ihrem schicken Haus ist die Orgie der Dauerzustand, morgens zieht sie sich als erstes ein paar Linien Koks durch die Nase, um auf Touren zu kommen, und ist ansonsten um keinen Kraftausdruck oder kecken Spruch verlegen.

Doch es kommt, wie es kommen musste: Bella hat massiv über ihre Verhältnisse gelebt. Der Gerichtsvollzieher setzt sie auf die Straße und kein Mensch castet sie mehr für ein Filmprojekt.

Ihr Weg führt sie zu Jana, die sie ohne mit der Wimper zu zucken in der gemeinsamen Wohnung mit Wolfgang aufnimmt. Der ist, gelinde gesagt, wenig begeistert von ihrem Besuch. Vor allem, weil sie mit ihrer prolligen, egomanischen Art direkt in seinen Heiratsantrag platzt und seinen ausgeklügelten Plan durcheinanderbringt. Die Sticheleien werden exzessiver, die Gesamtsituation unerträglicher. Bis Wolfgang geht. Er betont, Jana noch zu lieben, will sich aber eine Auszeit nehmen. Jana kommt ins Grübeln.

Nun denn: Eine Puppe als Hauptfigur. Das hat man – abseits der «Sesamstraßen»-Zielgruppe – relativ selten. Einzig die kurzlebige amerikanische Kult-Serie «Greg the Bunny» über eine Gesellschaft, in der Menschen und (meistens recht versoffene und verderbte) Puppen eine Art multiethnische Gesellschaft bilden, will einem als vergleichbare Produktion einfallen.

«Meine allerschlimmste Freundin» mag somit erst einmal befremdlich wirken. Das ist von den Machern auch konsequent einkalkuliert, schließlich unterhalten sich die fiktiven Filmemacher, bei denen Bella ihre Vorsprechen absolviert, gerne ein bisschen selbstreferentiell über Filmkunst, Marktkonformität und das konsequente Erfüllen der Erwartungshaltung der Zuschauer versus künstlerische Ansprüche.

Ohne Frage will dieser Film damit als mutig wahrgenommen worden. Ein Attribut, das man ihm auch nicht absprechen kann, selbst wenn man das wollte: Schließlich wird es an verschiedenen Stellen einige Bedenken gegeben haben, ob man dem Sat.1-Publikum eine versoffene, promiskuitive Puppe als Hauptfigur vorsetzen will.

An anderen Stellen ist «Meine allerschlimmste Freundin» freilich weniger kühn. Die Love-Story um Wolfgang und Jana, die neben Bellas Eskapaden den Dreh- und Angelpunkt der Dramaturgie bildet, ist ziemlich beliebig erzählt, die beiden menschlichen Hauptfiguren sind recht klischeehaft und überzeichnet: Jana, die unsichere, nette junge Frau, der ihre Puppe/beste Freundin leicht Zweifel einreden kann und die daraufhin vor der Hochzeit mit ihrer Jugendliebe noch Sex mit einem anderen Typen will. Und Wolfgang, der ewig akkurate und geschniegelte, aber nette, fürsorgliche Mann mit dem sicheren Job und dem geregelten, aber auch etwas langweiligen Leben. Würde nicht zwischendurch eine animierte Puppe mit Sex, Drugs and Rock’n’Roll die Bude aufmischen, käme man sich vor wie in den 50er Jahren.

Nicht, dass das völlig unerwartet wäre: Nur wenige eigenproduzierte Filme des Senders – dann meist aus Prestigegründen – bestechen durch vielschichtige Charakterzeichnungen. «Meine allerschlimmste Freundin» reiht sich insofern gut in das Gros ähnlich gelagerter Movies ein: ein eskapistisches Produkt, das Kitsch und Klischees nicht scheut. Und die erstrecken sich eben auch auf die Geschlechterrollen. Das ginge differenzierter – auch ohne auf die genretypischen Herzschmerz-Momente zu verzichten.

Positiv fällt hingegen Antiheldin-Bella auf: Auch sie mag nicht der Charakterzeichnung letzter Schluss sein, doch immerhin ist ihr anarchischer Humor ein angenehmer, nicht unstimmiger, wenn auch penetranter Kontrapunkt zur Pärchen-Einheitsgeschichte. Gefallen kann ebenso Laura Berlin, die trotz der eindimensionalen Zeichnung ihrer Figur die wenigen Momente findet, in denen dieser Film abseits seiner zotigen Gags funktioniert.

Sat.1 zeigt «Meine allerschlimmste Freundin» am Dienstag, den 17. März um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/76973
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