Natürlich spüren auch wir den steigenden Budget-Druck. Aber wir sind überzeugt: Premium-Produktionen entstehen nicht allein durch Geld, sondern vor allem durch starke Allianzen. Im Falle unserer ZDF-Krimi-Reihe «Der Geier» war es eine glückliche Fügung, in Livia Graf-Bechler und Klaus Graf so großartige Partner gefunden und mit dem ORF so schnelles Interesse an einer Koproduktion geweckt zu haben. Unsere Antwort auf den Budget-Druck in beiden Ländern lautet also: gemeinsam sind wir stark!
Frau Schugg, Was sind die größten Herausforderungen, wenn man trotzdem die gleiche inhaltliche und visuelle Qualität abliefern möchte, die das Publikum von einer „Montag-Abend“-Marke erwartet?
Qualität entsteht im Team. Deshalb binden wir Regie, Kamera und weitere Head of Departments frühzeitig in die Bucharbeit ein, um dem Kostendruck somit gemeinsam - teilweise auch mit ungewöhnlichen - Lösungsansätzen zu begegnen. Durch die Zusammenführung der deutsch-österreichischen Teams erleben wir respektvolle gegenseitige Offenheit für die jeweils individuellen Erfahrungen und Arbeitsweisen. Dieser Teamspirit setzt Kräfte frei, die das Projekt enorm stärken.
Frau Graf-Bechler, welche Rolle spielen aktuell die deutsch-österreichischen Allianzen für die Finanzierung und Realisierung solcher Projekte? Könnte eine Produktion wie Der Geier ohne diese Zusammenarbeit überhaupt entstehen?
Wie Bernadette Schugg schon treffend gesagt hat: Wir sind nur gemeinsam stark. Seit der Gründung der Graf Film vor fast 25 Jahren gehören internationale Koproduktionen – und ganz besonders jene mit Deutschland – zu unserem Kerngeschäft. In diesen Partnerschaften sind über die Jahre zahlreiche hochwertige, vielfach ausgezeichnete Filme entstanden. Für uns sind diese Koproduktionen nicht nur in finanzieller Hinsicht entscheidend, sondern auch eine große kreative Bereicherung. Genau so war es auch bei «Der Geier»: Schon im allerersten Gespräch mit unseren Kolleg:innen von Network Movie war klar, dass wir mit einer gemeinsamen Vision und gebündelten Kräften eine starke neue Reihe etablieren können.
Frau Schugg, wie gelingt es, die kreativen Freiräume der Autorinnen und Regisseurinnen zu schützen, wenn gleichzeitig wirtschaftliche Zwänge immer stärker den Ton angeben?
Kreativität schließt ja Kostenbewusstsein nicht aus. Im Gegenteil. Wenn der finanzielle Rahmen, in dem wir uns künftig leider alle bewegen müssen, schmaler wird, setzt das eben auch völlig neue Ideen und Visionen frei. Wir machen mit Autor:innen und Regisseur:innen die allerbesten Erfahrungen, wenn man sich frühzeitig zusammen setzt und gemeinsam die Machbarkeit alternativer Einsparungen ohne Qualitätsverlust auslotet.
Frau Graf-Bechler, in Salzburg wurde ein erheblicher Teil von «Der Geier» gedreht. Welche Chancen bietet dieser Produktionsstandort – und wo sehen Sie noch ungenutztes Potenzial? Wie wichtig ist dabei die landschaftliche und kulturelle Verankerung? Wird Salzburg in Ihren Augen vor allem als „Kulisse“ genutzt oder entwickelt sich daraus auch ein eigener filmischer Kosmos?
«Der Geier» „Freund oder Feind“ wurde komplett im Gasteiner Tal in Salzburg gedreht. Neben unserem großartigen Cast spielt auch die Landschaft eine Hauptrolle – ganz im Sinne unseres Mottos „Crime in Nature“. Das Tal bietet filmisch eine enorme Vielfalt, sodass es uns sogar möglich war, den ursprünglichen Schauplatz der Romanvorlage vom Lago Maggiore ins Salzburger Land zu verlegen.
Wir schätzen es sehr, neben der nationalen Förderung durch FISA+ auch mit Innovation Salzburg einen starken regionalen Partner an unserer Seite zu haben, der das Filmschaffen in der Region unterstützt. Ebenso wichtig ist die positive Resonanz aus der Region – wir werden vor Ort positiv aufgenommen, was das Arbeiten enorm erleichtert. Das Gasteiner Tal ist somit vielmehr als "nur" eine starke filmische Kulisse.
Frau Graf-Bechler, inwieweit kann eine Produktion wie «Der Geier» auch Impulse für die regionale Filmwirtschaft setzen – sei es durch lokale Crews, Infrastruktur oder Nachwuchsförderung?
Jede Produktion, die in Österreich stattfindet, bringt einen Impuls für das Filmland Österreich. Wir selbst sind ein in Kärnten angesiedeltes Produktionsunternehmen und haben einen Fokus darauf, in den Bundesländern zu drehen und dabei möglichst viele Talente aus der Region einzubinden – sei es im Team, im Cast oder über Praktikumsplätze.
Gerade in einer Zeit, in der sich unsere Branche stark im Umbruch befindet, ist es entscheidend, flexibel und kreativ zu denken. Auf diese Weise können Produktionen wie «Der Geier» nicht nur auf künstlerischer Ebene, sondern auch für die lokale Filmwirtschaft überzeugen.
Frau Schugg, viele Zuschauer nehmen „den Krimi“ als feste Größe im Programm wahr. Welche inhaltlichen oder stilistischen Innovationen sind trotzdem möglich, ohne das Stammpublikum zu verlieren?
Das hängt von den jeweiligen Geschichten ab, die wir erzählen wollen. Jedes Thema erfordert eine eigene erzählerische Handschrift und eigene visuelle Vision. Oberstes Prinzip sollte immer sein, dem treuen Stammpublikum bis zur letzten Minute Spannung zu garantieren und trotzdem jüngere Zielgruppen durch einen interessanten Cast, ungewöhnliche Bildgestaltung und emotionale Konflikte zu gewinnen. Dass wir mit «Der Geier» eine ungewöhnliche Hauptfigur inmitten eines „Frauenensembles“ geschaffen und das Genre ‚Crime in nature‘ wiederbelebt haben, war auf alle Fälle von Anfang an die Intention dieser inhaltlich neuen Strategie.
Frau Schugg, angesichts des Spardrucks bei ARD und ORF: Wie wichtig ist eine klare strategische Stoffentwicklung – also Themen und Figuren, die längerfristig tragfähig sind?
Das Ziel jeder Produzentin, jedes Produzenten ist die langlaufende Reihe oder Serie. Dafür analysieren wir nach jeder Ausstrahlung gemeinsam mit unseren Senderpartner:Innen Reichweiten, Marktanteile, Mediathek-Resonanz und Zuschauerreaktionen genauestens. Aufgrund der Erfahrungswerte wird dann, wie in diesem Fall, gemeinsam mit ZDF und ORF nachjustiert und optimiert. Von der ersten Idee an - und während des Developments - geht es darum, spannende Figurenkonstellationen zu bauen und intelligente Fälle zu (er-)finden, die langfristig tragfähig sind. Unser Mix aus prominenten Schauspieler:innen und jungen (europäischen) Talenten kommt beim Publikum sehr gut an – und entlastet nebenbei auch das Budget.
Frau Graf-Bechler, wenn Sie an die Zukunft des Produktionsstandorts Österreich/Deutschland denken: Welche Rahmenbedingungen müssten sich ändern, damit hochwertige Krimis auch in fünf oder zehn Jahren noch im Hauptabend bestehen können?
Langfristig wird eine bessere finanzielle Planungssicherheit unerlässlich sein, damit wir weiterhin hochwertiges Programm produzieren und den Auftraggebern eine verlässliche Sendeplanung garantieren können. Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie sensibel dieses Gleichgewicht ist: Durch die viel zu lange unklare Situation rund um die FISA+-Förderung mussten wir die Dreharbeiten von Herbst 2025 auf Frühjahr 2026 verschieben. Das war ein herber Rückschlag – nicht nur für uns Produzent:innen, sondern auch für alle beteiligten Partner und Teams. Umso wichtiger ist es, dass Förderinstrumente transparent, zeitgerecht und verlässlich gestaltet sind, damit wir langfristig konkurrenzfähige Krimis für den Hauptabend sichern können.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Das ZDF strahlt «Der Geier» am Montag, den 22. September, um 20.15 Uhr aus. Der Film ist bereits in der Mediathek abrufbar.
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